Politica | Wahlen 2020

Schwierige Nachzählung

Die SVP überlegt in den Gemeinden Sterzing, Auer und Waidbruck die Stimmen für die Bürgermeisterwahl nachzählen zu lassen. Doch das wird nicht so einfach werden.
Stimmzettel
Foto: upi
Philipp Achammer sagt es am Dienstag und Mittwoch fast in jedem Interview: „Stellen Sie sich vor, wir haben wegen acht Stimmen drei Bürgermeister verloren“. Der SVP-Obmann spielt dabei auf drei Südtiroler Gemeinden an, in denen es bei den Gemeinderatswahlen äußerst knapp zugegangen ist. In alle drei Fällen ist der SVP-Kandidat für das Bürgermeisteramt unterlegen.
Etwa in Sterzing, wo am Ende der SVP drei Stimmen fehlten. Peter Volgger der Liste „Für Sterzing Wipptal“ wurde mit 1.416 Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Der SVP-Herausforderer Walter Gögl schaffte nur 1.413 Stimmen.
Genauso in Auer, wo sich der Bürgerlisten-Kandidat Martin Feichter mit 555 Stimmen gegen den SVP-Kandidaten Stefano Decarli mit 552 Stimmen durchsetzen konnte.
Noch knapper war das Rennen in Waidbruck. In der Eisacktaler Kleinstgemeinde entschieden 2 Stimmen das Rennen ums Rathaus. Der Bürgerlisten-Vertreter Philipp Kerschbaumer erhielt 59 Stimmen, SVP-Kandidat Oswald Rabanser 57 Stimmen.
 
 
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Ergebnisse wurde verlautet, dass die SVP dieses knappen Wahlergebnis anfechten und eine Nachzählung beantragen will. „Wir wollen nicht als schlechte Verlierer dastehen, aber das sind wir unseren Wählern schuldig“, erklärte der Sterzinger Verlierer Walter Gögl.
Ob es aber wirklich dazu kommen wird, ist sehr fraglich.
 

Die Nachzählung

 
Die rechtliche Lage ist eindeutig. Jede Liste kann Beobachter ernennen, die bei der Auszählung der Stimmen anwesend sind. Diese Listenvertreter können während der laufenden Auszählung beim Sektionspräsidenten direkt eine Überprüfung einer Entscheidung verlangen.
Bei jeder Wahl gibt es Stimmzettel, die nicht eindeutig sind. Normalerweise werden diese dann gemeinsam von den Stimmzählern begutachten und diskutiert. Weil es immer wieder Fälle gibt, die nicht im Lehrbuch der Wahlbestimmungen stehen, ist hier durchaus der Hausverstand und der gute Willen gefragt.
 
 
Ist ein Listenvertreter mit einer Entscheidung nicht einverstanden, so kann er das unmittelbar zu Protokoll geben. Der Parteienvertreter kann – sollte er überzeugt sein, dass nicht richtig gezählt wurde – vor dem formellen Abschluss der Wahlhandlungen in der Sektion auch eine Nachzählung verlangen.
Sind die Daten aber dem Wahlamt der Gemeinde oder der Region übermittelt, ist die Wahl abgeschlossen. Dann gibt es keine Möglichkeit für eine einfache Nachzählung mehr.
 

Der Rekurs

 
Sehr wohl kann eine Partei, eine Liste oder eine Kandidatin dann den Rechtsweg bestreiten. Zuständig für solche Rekurse ist das Verwaltungsgericht. Der Rekurssteller muss dazu aber die öffentliche Proklamation der Gewählten abwarten. Danach hat er 30 Tage Zeit den Rekurs beim Verwaltungsgericht einzureichen.
Aber auch hier kann eine Liste oder eine Partei nicht so einfach eine Nachzählung verlangen. Denn im Rekurs müssen klare Tatbestände und Beanstandungen für jede einzelne Wahlsektion angegeben werden.
 
 
Ist das der Fall hört der dreiköpfige Richtersenat die Einbringer an. Hält das Gericht die Einwände für überprüfenswert, werden die Wahlzettel der Sektion oder der Sektionen neu ausgezählt. Alle Stimmzettel werden im zentralen Wahlamt der Region gelagert. Die drei Verwaltungsrichter spielen dann Wahlkommission. Kommen sie zum Schluss, dass falsch gezählt wurde, korrigieren sie direkt das Wahlergebnis.
 

Politisch kaum sinnvoll

 
Der Weg ist damit weit steiniger als man ab Abend der Wahlentscheidung gedacht hat. Vor allem aber sind die Rekurse für die SVP auch politisch kaum sinnvoll. Das zeigt die Realität in den drei betroffenen Gemeinden.
In Sterzing hat die SVP nur 6 Sitze im Gemeinderat, während die Liste „Für Sterzing Wipptal“ acht Mandate hält. Dem SVP-Bürgermeister Walter Gögl würde demnach die Mehrheit fehlen.
Ähnlich ist es in Auer, wo sowohl die Bürgerliste als auch die SVP auf jeweils 6 Sitze im Gemeinderat kommen. Weil die interethnische Liste „Insiema, Miteinander, Adum“ kaum mit der SVP koalieren würden, fehlt auch hier der SVP die Mehrheit.
Und in Waidbruck wird es ohne Zusammenarbeit kaum gehen. Dort stellen sowohl die SVP wie auch die Bürgerliste jeweils sechs Gemeinderäte.
Deshalb wäre nachdenken, sinnvoller als nachzählen.
 
 
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Michl T. Gio, 09/24/2020 - 11:48

"Deshalb wäre nachdenken sinnvoller als nachzählen."
naja.. ich bin mal der Meinung dass man, bevor man über mögliche Konstellationen, Koalitionen etc. schon sicher und genau (!) den Wählerwillen kennen sollte. Darauf baut alles was danach kommt nämlich auf.
Beim Bürgermeister nur aus dem Grund nicht nachzuzählen, weil Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat irgendwie sind wie sie sind, ist unlogisch.
Das sind 2 Paar Schuhe bzw. Institutionen und gehören getrennt betrachtet, weil sie auch getrennt gewählt werden.
Wenn die Gemeinde durch evtl. Verschiebungen bwz. anderen Bürgermeister dann unregierbar wird weil der BM keine Mehrheit findet, gibt's halt im schlimmsten Fall Neuwahlen. Normales demokratisches Prozedere, das hat sich der Wähler dann selber eingebrockt :)
Bei so knappen Ergebnissen und der großen Zahl an ungültigen Stimmen finde ich es verständlich wenn ein Unterlegener nochmal genau nachzählen lassen möchte. Lässt das VW-Gericht das zu, ist das zu respektieren, genau wie im gegenteiligen Fall.

Gio, 09/24/2020 - 11:48 Collegamento permanente