Ambiente | Nachhaltigkeit

Bio auf dem Rückzug?

Kurz nach den Sustainability Days hat Bioland Südtirol mit einer Pressemitteilung aufhorchen lassen. Darin wird vor einem Rückgang der nachhaltigen Anbauweise gewarnt.
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Foto: Salto.bz
Beim größten Bio-Anbauverband Südtirols schrillen die Alarmglocken. Heuer haben 30 Betriebe von der integrierten bzw. konventionellen Wirtschaftsweise auf Bioland umgestellt. Dem gegenüber stehen 25 Kündigung. „Bioland geht in Bezug auf die Umstellungen auf den Biolandbau deshalb heuer von einem Nullwachstum aus“, so Geschäftsführer Reinhard Verdorfer. Auch die Prognosen für das kommende Jahr bleiben verhalten. Die Gründe dafür werden zum einen in den steigenden Energiepreisen und dem Kaufverlust ausgemacht, was dazu führt, dass die Konsumenten zu billigeren Produkten greifen, und zum anderen fällt es den Biolandwirten offenbar zunehmend schwerer, eine führende Rolle im Markt der „nachhaltigen Lebensmittel“ einzunehmen. Darauf angesprochen nennt Verdorfer das Beispiel von  Nachhaltigkeitsveranstaltungen und Green Events. Zwar werde mit Umweltthemen geworben, dies würde sich aber nicht unbedingt im Speiseplan widerspiegeln. „Wir würden uns wünschen, dass mindestens 25 Prozent der angebotenen Lebensmittel biologisch sind – noch besser wären 50 Prozent“, so Verdorfer und weist damit auf den Kern des Problems hin. Denn bei biologisch zertifizierten Produkten sind die gesamten Produktionsschritte und die Rückverfolgbarkeit nachweislich gegeben, andernfalls dürften sie nicht unter der Bezeichnung „biologisch“ vertrieben werden.
 
 
 
Der Handel bewirbt seine Produkte jedoch mit einer nachhaltigen Produktionsweise oder der Einhaltung von Tierwohlstandards. „Beinahe-Bio-Produkte“ würden damit den echten Bio-Produkten Konkurrenz machen. „Wenn alle Konsumenten sich für konventionelle Nachhaltigkeit entscheiden, dann kaufen sie nicht Bio“, bringt Verdorfer das Problem auf den Punkt und erklärt: „Wir sehen uns als Speerspitze der Nachhaltigkeit und wollen grundsätzlich wie von der EU vorgesehen 25 Prozent Bio auf den Teller bringen.“ Somit müssten auf jeder Nachhaltigkeitsveranstaltung ebenfalls 25 Prozent der angebotenen Lebensmittel Bio-Standards entsprechen. Oftmals würde hingegen „Bio mit einem Lächeln im Gesicht ausgeladen“, erklärt der Geschäftsführer von Bioland. Der Preis muss dabei nicht unbedingt die entscheidende Rolle spielen, oftmals seien es auch praktische Gründe wie beispielsweise bereits bestehende Lieferverträge, die eingehalten werden müssten. Wie Verdorfer erklärt, haben sich die Preise zwischen Bio und konventionellen Produkten in den vergangenen fünf Jahre angenähert. Zudem gebe es bei Bio-Produkten heuer eine geringere Inflation als bei konventionellen. Aber landläufig herrsche nun einmal das Vorurteil, dass Bio-Produkte zu teuer seien und sich die Konsumenten diese nicht mehr leisten können.
 
Absolut gesehen haben diese Produkte sicher einen stattlichen Preis.
 
„Absolut gesehen haben diese Produkte sicher einen stattlichen Preis, weil darin unter anderem die Kosten für die Einhaltung von Biodiversitäts-Richtlinien, artgerechte Haltung und Bodenfruchtbarkeit enthalten sind“, so Verdorfer. Auf die Lamentos seitens verschiedener Vereine und Verbände, die Lebensmittel seien grundsätzlich zu teuer, erklärt der Geschäftsführer von Bioland, dass man erstens und vor allem „ehrliche“ Produktpreise brauche. Für den Bauer als Produzenten falle nämlich nur das Restgeld der gesamten Werschöpfungskette ab. Ein weiteres Problem stelle die Leistbarkeit von biologischen Lebensmittel für sozial schwächere Einkommensschichten dar. Ein Thema, das in diesem Kontext derzeit in Deutschland intensiv diskutiert wird, ist die soziale Landwirtschaft. Für jene, die sich biologische Lebensmittel nicht leisten können, brauche es eine soziale Abfederung. Der Mittelstand könnte sich grundsätzlich aber eine Packung Milch um zwei Euro leisten, ist Verdorfer überzeugt. „Das ist allerdings eine soziale Frage und weniger eine ökologische“, betont der Geschäftsführer von Bioland. Eine Wirtschafts- und Energiekrise dürfe deshalb nicht gegen eine Klima- und Biodiversitätskrise ausgespielt werden. „Wir müssen nach wie vor auf biologisch angebaute Lebensmittel setzen“, so Verdorfer und berichtet von Diskussionen in Regierungskreisen, wonach an Plänen gearbeitet wird, biologisch produzierte Lebensmittel weniger zu besteuern als industriell hergestellte. „Dann wird der Wandel tatsächlich kommen“, ist der Bioland-Geschäftsführer überzeugt.
 
Dann wird der Wandel tatsächlich kommen.
 
Auf die Frage, ob diese Maßnahme nicht wiederum eine Form der Subventionierung darstelle, erklärt Verdorfer: „Das nennt sich Kostenwahrheit!“ Die Kostenwahrheit sei nämlich das eigentliche Problem: In den Endpreis eines industriell gefertigten Produktes fließen weder die Kosten für umweltschädigende Produktion, Weiterverabeitung noch Transport mit hinein. Die Biolandwirte möchten nicht Produkte herstellen, die sich nur die oberen 10.000 leisten können. Sie treten im Wettberwerb an und könnten auch eine ganze Gesellschaft ernähren, so das Ziel von Bioland, das sich an die EU-Vorgaben, bis 2030 25 Prozent der Lebensmittel aus biologischem Anbau zu produzieren, anlehnt. Dafür müsste allerdings der Lebensstil grundsätzlich geändert und der Fleischkonsum drastisch gesenkt werden.
„Eine Selbstversorgung mit Gemüse und Obst ist in Südtirol derzeit nicht möglich“, so Verdorfer und erklärt, dass sich die landwirtschaftliche Produktion nur auf einige wenige Produkte beschränke. Die Eigenversorgung könnte jedoch ein schrittweises Fernziel sein, vor allem vor dem Hintergrund der weltweiten Krisen, bei denen die Frage der Logistik immer mehr an Bedeutung gewinnt. „Mit unserer vor Kurzem gegründeten Genossenschaft ‚Bio Alto‘ wollen wir genau diesen Weg gehen“, so Verdorfer. In Südirol produzierte Bio-Lebensmittel sollen im regionalen Handel und Tourismus angeboten werden. Weiters wird am Konzept „Bio – fair – Südtirol“ gearbeitet, um das Hotel- und Gastgewerbe auf biologisch produzierte Lebensmittel aus der Region aufmerksam zu machen. Damit soll nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch der Tourismus auf Nachhaltigkeit umgestellt werden. „Das ist allerdings ein sehr, sehr langer Weg!“, so Verdorfer.
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Dietmar Nußbaumer Sab, 09/24/2022 - 21:23

Seit Bioprodukte an Lidl und Co. verschenkt werden, können es sich heimische Biobauern kaum noch leisten, biologisch zu produzieren. Bioproduktion bedeutet geringere Produktmengen bei höheren Kosten in der Produktion. Die Discounter wollen aber keine fairen Preise bezahlen, auch nicht für Bioprodukte. Aber ich lasse mich gerne mit trockenen Zahlen und Fakten vom Gegenteil überzeugen. Ich kenne persönlich einen Biobauern, der aufgeben musste. Mit diesem hatte ich ein längeres und interessantes Gespräch.

Sab, 09/24/2022 - 21:23 Collegamento permanente
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Günther Mayr Mar, 09/27/2022 - 13:40

möge die blase platzen!
mögen alle bauern die guten willens sind und gut arbeiten dementsprechend belohnt werden - und die wertschätzung dafür nicht nicht abhängig sein von einen blatt papier!

Mar, 09/27/2022 - 13:40 Collegamento permanente
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Josef Fulterer Gio, 02/09/2023 - 06:17

In risposta a di Günther Mayr

Stets nach dem gleichen Muster, "den noch verbliebenen kleinen LEBENSMITTEL-Geschäften und den auf BIO-spezialisierten Läden wird die Einführung WEITERER Produkte (... mit der Begründung, "so etwas kauft NIEMAND) überlassen.",
Wird das Produkt von den Kunden angenommen, FORDERN/LOCKEN die DISCONTER "mit ihren möglichen Umsätzen und diktieren einen ELENDEN Einkaufspreis."
Bei den Kunden beliebte Produkte, werden dann sogar für die von den Herstellern gefürchteten MARKETING-Maßnahmen (... ab ?? Stück billiger - nimm 3 und zahle 2 - 1 + 1 gratis - usw.) -missbraucht, "um die Verbraucher von den eigenen LEISTUNGEN zu überzeugen."

Gio, 02/09/2023 - 06:17 Collegamento permanente