Economia | Berufseinstieg

Südtiroler IT versus Silicon Valley

Südtiroler IT-Unternehmen bieten Informatikstudierenden wertvolle Einblicke, erklärt der Vizepräsident des Unternehmensverbandes Südtirol.
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Tirocini incontro informatica unibz
Foto: unibz

Am 09. November 2017 fand die Informationsveranstaltung „Praktika und Diplomarbeiten im Bereich Informatik: Chancen und Möglichkeiten“ vom Unternehmerverband Südtirol und der Universität Bozen statt. Nikolaus Tribus, Vizepräsident des Unternehmerverbandes, im Interview über Praktika im IT-Bereich.

 

Salto.bz: Herr Tribus, Sie betonen die Zusammenarbeit von heimischen Unternehmen mit Informatikstudierenden. Was macht Südtiroler Unternehmen im Vergleich zu globalen IT Unternehmen attraktiv für Informatikstudierende?

Nikolaus Tribus: Natürlich kennen wir Fälle von Studenten, die ihr Praktikum bei Google in San Francisco gemacht haben. Das ist etwas anderes als ein Praktikum in einem Südtiroler Unternehmen, und ganz besonders interessant für junge Leute, die eine internationale Karriere machen möchten, da mache ich mir keine Illusionen. Aber es gibt eben nicht nur Facebook, Google oder Amazon, sondern viele Firmen im IT-Bereich und nicht nur. Im Informatiksektor haben Sie als Praktikant in Zeiten der Digitalisierung die Qual der Wahl. Zum Beispiel im Automotive-Bereich: Die Autos fahren nicht mehr ohne Computer, und der Computer will programmiert sein. Auch Verwaltungssysteme laufen nicht ohne digitale Unterstützung. In Südtirol gibt es weltweit aktive Unternehmen und auch relativ kleinere, noch recht wenig bekannte Firmen, die ganz raffinierte, hochtechnologische Produkte entwickeln, bauen und vertreiben. Erstens ist es praktischer für Studenten, wenn sie ihre Praktika nicht hunderte Kilometer weit weg machen müssen, da sind lokale Unternehmen ein einfacherer Weg. Und zum Zweiten sind unsere Unternehmen sehr daran interessiert, Studenten aus unseren Universitäten und der Informatik-Fakultät der Universität Bozen zu bekommen.

 

Welche Erfahrungen können Informatikstudierende also im Praktikum in lokalen Unternehmen sammeln?

Der große Vorteil eines Praktikums für einen Studenten ist, in einem Unternehmen an tatsächlichen konkreten Problemen mitzuarbeiten und zu sehen wie es ist, sich mit Kollegen rumzustreiten, mit echten Problemen und Zeitdruck umzugehen, im Team zu arbeiten. Und wenn Sie an tatsächlichen Problemen arbeiten können, macht das schon was aus. So wurde zum Beispiel berichtet, dass ein Praktikant, der in einem international agierenden Südtiroler Betrieb ein interessantes Programm entwickelt hat, ein Jobangebot bekam noch bevor er fertig studiert hatte. Solche Fälle kommen immer wieder vor, denn Praktika sind für Unternehmen und Studenten ein guter Weg, sich als zukünftige Arbeitgeber und Mitarbeiter für ein paar Wochen kennen zu lernen. Ein anderes Beispiel ist natürlich, Bachelorarbeiten an einem konkreten Beispiel umsetzen zu können. Das ist ja nicht nur für Informatikstudenten wichtig, sondern auch für Studenten anderer Fachrichtungen.

 

Inwiefern profitieren umgekehrt Unternehmen davon, Studierende zu betreuen?

Oft arbeiten die Studenten schon an praktischen Problemen. Wir hatten auf der Tagung am 09. November interessante Beispiele von größeren und mittleren Unternehmen, die gezeigt haben, was einige Praktikanten der Universität bei ihnen geleistet haben. Die Praktikanten haben ganz konkret bestehende Probleme (mit-)gelöst. Es ist natürlich die Idealvorstellung, einen Praktikanten zu engagieren, der eine Bachelorarbeit schreibt und dabei noch für mein Unternehmen einen guten Beitrag leistet. Zum Beispiel hat ein Unternehmen bei der Tagung von einem brasilianischen Studenten berichtet, der bei dort ein neues Programm für die Bewertung von Lieferanten geschrieben hat.  Das Programm hat nach einigen Wochen picobello funktioniert und wurde implementiert. Im Praktikum lernen sich Studenten und Unternehmen als potentielle Mitarbeiter und Arbeitgeber kennen. Letztlich fällt die Entscheidung, jemanden einzustellen so leichter, als nach einem kurzen Interview.

 

Welche Eigenschaften machen Studierende attraktiv für Unternehmen?

Attraktiv ist, schon Programmiersprachen zu kennen oder die Fähigkeit, schnell eine neue Programmiersprache zu lernen. Es gab auch schon einen Fall, wo ein Praktikant keine Ahnung von der Codingsprache hatte, die im Unternehmen in Anwendung war, der aber nach einer Woche so weit war, dass er problemlos mit der Sprache arbeiten konnte. Ansonsten gelten für Praktikanten immer die gleichen Aspekte: Flexibilität, Autonomie, zwei drei (Computer-)Sprachen, eine gute Basisausbildung. Gern gesehen ist natürlich auch Eigenengagement, also nicht nur auf die Unterschrift am Ende hinzuarbeiten.

 

Welche Rolle spielt der Unternehmerverband Südtirol für Studierende und Unternehmer bezüglich Praktika?

Wir arbeiten sehr eng mit der Universität, nicht nur mit der Informatikfakultät, zusammen um eben Praktika, Bachelorarbeiten und so weiter zu fördern. Auf der Ebene der Informationsveranstaltungen engagieren wir uns von den Mittelschülern aufwärts um die Möglichkeiten aufzuzeigen, welche die Südtiroler Industriewelt bietet. Und natürlich bewerben wir intensiv Praktikumsmöglichkeiten, um Studenten und Unternehmer zusammenzubringen. Unsere Aufgabe ist es aufzuzeigen, dass es in Südtirol für gut ausgebildete junge Menschen viele Möglichkeiten gibt, eine gute und interessante Karriere zu machen. Die Uni hat ja auch eine eigene Praktikantenplattform und wir achten darauf, dass diese mit den richtigen Informationen gefüttert wird.

 

Sie waren Mitveranstalter der Informationsveranstaltung „Praktika und Diplomarbeiten im Bereich Informatik: Chancen und Möglichkeiten“. Welche Rückmeldungen haben Ihnen die Studierenden in Bezug auf Praktika gegeben?

Ich war insgesamt überrascht, dass diese Veranstaltung so gut besucht war. Der Saal war rammelvoll. Das Interesse ist also groß, bei Studenten und Unternehmern, die Besucher haben sehr aufmerksam zugehört. Das Arbeitsförderungsinstitut macht regelmäßig Umfragen zu Praktikumserfahrungen von Studierenden, die immer recht positiv ausfallen. Natürlich kam das klassische Problem zur Sprache wie bei allen Praktika: Der Student wird zum Kopieren, Archive aufräumen oder Kaffee kochen abgestellt. Das gibt es leider auch, aber der Unternehmerverband arbeitet sehr intensiv daran, dass betriebliche Praktika detailliert vorbereitet werden, dass es einen akademischen und einen betrieblichen Tutor geben muss etc.

 

Inwiefern engagiert sich der Unternehmerverband um sicherzustellen, dass Praktikanten während ihrer Zeit im Betrieb ihren Fähigkeiten entsprechend beschäftigt sind und eben nicht Kaffee kochen?

Das wichtigste ist, dass die Unternehmen die Kapazitäten bereit stellen, die es für die gute Betreuung eines Praktikanten braucht. Das ist gerade für kleine Unternehmen eine große Herausforderung. Da gibt es in unserem Verband die Gruppe der Kleinunternehmer, die sich um die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch unter den kleinen Unternehmen bemüht. Genauso übernehmen wir gerne Möglichkeiten wie die genannte Tagung um zu prüfen, welche Erfahrungen die Studenten machen. Dort nehmen wir sehr genau wahr, was die Studenten berichten. Außerdem verfolgen wir intensiv die Umfragen des Arbeitsförderungsinstituts zu den Praktikumserfahrungen. Zusätzlich ist mehr Sichtbarkeit der heimischen Unternehmen notwendig, weil immer wieder Schwierigkeiten dabei auftreten zu scheinen, einen Praktikumsplatz zu finden. Deswegen haben wir gerne die Initiative der Informatikfakultät der Universität Bozen angenommen. Es ist Teil unserer gesellschaftspolitischen Überzeugung, die Studierenden und die Unternehmen zusammen zu bringen, damit unsere Unternehmen gut ausgebildete und hochqualifizierte Mitarbeiter bekommen. Zurzeit sind wir in der „glücklichen“ Situation, dass viele Stellen frei sind, aber unsere Aufgabe ist auch, den Unternehmen zu helfen, gut ausgebildete und qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen, um mit innovativen Produkten und exzellenter Leistung auch in Krisenzeiten bestehen zu können.

 

Welche Erfahrungen haben Sie persönlich bereits mit Praktikanten und Praktikantinnen gemacht?

Persönlich habe ich viele Erfahrungen mit Praktikanten gemacht, weil unser Unternehmen eine Trainee-Abteilung hat. Eine Erfahrung ist mir einerseits positiv im Kopf geblieben, und hat mich am Ende gleichzeitig enttäuscht: Einer jungen Maschinenbauingenieurin habe ich die Aufgabe gegeben, eine Gruppe in unserer Fertigung zu führen. Stellen Sie sich vor, zwanzig gestandene toskanische Männer, die von einer jungen, ausländischen Frau geführt werden sollen, die noch dazu viele gute Ideen hat, wie man es besser machen könnte. Das war kein leichter Job für die junge Frau. Zwar war ihr Hobby das Boxen, sie hat gekämpft, es ist ihr auch gelungen, diese zwanzig starrköpfigen Toscani zu überzeugen. Aber am Ende ist sie dann doch zu mir gekommen, weil es ihr zu viel war. In vielen anderen Fällen ist alles glatt gelaufen und wir haben die Praktikanten mit vielen neuen Erfahrungen wieder weitergeschickt.

 

Herr Tribus, ein abschließender Rat für Informatikstudierende: Welche Branchen und Arbeitsbereiche empfehlen Sie für ein Praktikum oder eine Diplomarbeit?

Ich kenne sehr gut den Automotive-Sektor, da haben wir gerade ein neues Cluster gebildet zwischen verschiedenen Unternehmen, in dem Informatiker ihre Erfahrungen machen können als konkretes Beispiel. Einrichtungen, wie Eurac, IDM, aber auch viele Unternehmen entwickeln faszinierende, hochtechnologische Produkte und bieten damit auch interessante Praktika. Im Bereich Informatik gibt es dann auch viele Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen, bei denen unsere Studierenden sehr wertvolle Erfahrungen sammeln können.

 

Herr Tribus, wir danken Ihnen für das Gespräch.