Economia | Volksbank

Die Auszahlung

Die Volksbank hat begonnen jenen 88 Aktionäre, die gegen den Aktienpreis geklagt haben, 12,10 Euro pro Aktie zu zahlen. Die große Frage dabei: Ist das nur eine Anzahlung?
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Foto: upi
Auch im Bankengeschäft zählt ein gutes Marketing. Dazu gehört auch, dass man selbst eine Niederlage so kommuniziert, dass daraus eine positive Nachricht für das eigene Unternehmen wird. 
Die Volksbank hat gestern begonnen, 12,10 Euro pro Aktie an jene 88 Aktionäre auszuzahlen, die im Zuge der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft von der Gesellschaft zurückgetreten sind und den Preis angefochten haben“, teilte die Volksbank am Mittwoch mit. In der Pressemitteilung heißt es dann weiter: „Die Bank hatte bereits früher angekündigt, nach der Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde die Auszahlung vorzunehmen und kommt dieser Verpflichtung nun nach.
Die Wirklichkeit hinter der nonchalant klingenden Nachricht ist aber eine andere. Die Volksbank hat sich bis zu letzt mit allen Mitteln genau dagegen gewehrt, was man jetzt offensiv ankündigt.
 

Das Verfahren

 
Im Spätherbst 2016 wurde aus der Genossenschaftsbank Volksbank eine Aktiengesellschaft. Bei einer solchen Umwandlung hat jedes Mitglied das Recht zurückzutreten und sich seine Anteile auszahlen zu lassen. Von den über 60.000 Volksbank-Aktionären nahmen rund 1.400 Mitglieder dieses Rücktrittsrecht in Anspruch. Betroffen waren 2.645.288 Stammaktien mit einem Gegenwert von insgesamt 32 Millionen Euro.
 
Anlässlich der Kapitalerhöhung 2015 hatte die Volksbank die Aktien um 19,65 Euro ausgegeben. Ein Jahr später legte der Verwaltungsrat den Rücktrittspreis für die Aktie aber bei 12,10 Euro fest. Diese Preisfestlegung, untermauert durch zwei Gutachten unabhängiger Experten, sorgte verständlicherweise nicht nur bei den ausgestiegenen Mitgliedern für breiten Unmut.
Die Verbraucherzentrale sammelte 90 ehemalige Volksbank-Mitglieder, die vor dem Bozner Landesgericht gegen die Volksbank und den zu niedrigen Auszahlungspreis klagten.
 

Gutachten & Gegenklage

 
In dem Verfahren beauftragt das Landesgericht einen Sachverständigen zur Ermittlung des korrekten Rücktrittspreises. Im Juni lieferte der Mailänder Wirtschaftsberaters Giorgio Zanetti das Gutachten ab. Das Ergebnis: Der Gutachter legte den Aktienwert bei 14,69 Euro pro Aktie fest. „Das ist ein Preis, der um 21 Prozent höher ist, als jener, den die Bank festgelegt hat“, jubelte damals Verbraucherzentrale-Rechtsanwalt Massimo Cerniglia.
Die Reaktion der Bank erfolgte umgehend. Der Verwaltungsrat der Volksbank beschloss das Gutachten des Sachverständigen Giorgio Zanetti anzufechten. Die Volksbank-Führung unterstellt dem Gutachter zwei entscheidende Fehler. Zanetti habe für seine Bewertung die Bilanz zum 31.Dezember herangezogen worden, während das Gutachten der Volksbank auf Basis der Halbjahresbilanz erstellt wurde. Zudem stimme - laut Volksbank - das Bewertungsmodell des Gutachters nicht.
Wenig später folgte der nächste Schlag für die Bank: Der Richtersenat Ulrike Ceresara, Silvia Rosá und Berichterstatter Thomas Weissteiner verfügten, dass allein die Volksbank die Spesen für das Gutachten des Sachverständigen zahlen muss. Insgesamt 25.078,26 Euro.
Weil normalerweise die Kosten solcher Gutachten zwischen den Parteien geteilt werden, ist diese Entscheidung mehr als nur ein juridischer Fingerzeig.
 

Die Ungleichbehandlung

 
Die Volksbank hatte aber einen Kunstgriff bei jenen Aktionären angewandt, die gegen die Bank vor Gericht ziehen.
Rund ein Drittel der Aktien, die durch das Rücktrittsrecht frei wurden, kauften andere Aktionäre auf. Die Bank beschloss, die restlichen zwei Drittel, die nicht verkauft wurden, selbst anzukaufen. Mit einer Ausnahme.
Die Volksbank weigerte sich die Aktien jener Aktionäre zuzukaufen, die den Aktienpreis vor Gericht angefochten haben. Die Argumentation der Bank: Solang der Preis gerichtlich nicht festgelegt ist, könne man nicht zahlen. „Das war eine bewusste Ungleichbehandlung“, sagt hingegen VZS-Anwalt Massimo Cerniglia.
 
Der Sinn der Aktion: Die unbequemen Aktionäre hätten so ihr Geld - ganz gleich, wie das Gerichtsverfahren ausgeht - mit rund drei Jahren Verspätung bekommen.
Das Landesgericht Bozen hat dieser Strategie aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Richter Werner Mussner ist der Interpretation der Kläger gefolgt. Denn das Gericht hat festgelegt, dass das vom Gesetz vorgesehene Rücktrittsrecht ohne finanzielle Einschränkungen bei allen Aktionären gleich gelten muss.
 

Versuchte Verzögerung

 
Nach diesem Urteilsspruch versuchte es die Volksbank mit einer neuen Taktik. Für die Auszahlung der Aktionäre braucht die Bank eine Genehmigung der Bankenaufsicht. Auch weil sich damit verschiedene Parameter im Grundgerüst der Bank verschieben. Deshalb kündigte die Bank an, man werde um diese Genehmigung bei der Banca D'Italia ansuchen.
Die Verbraucherzentrale wertet diesen Schauzug als weitere Verzögerungstaktik. Anwalt Massimo Cerniglia forderte beim Landesgericht die sofortige Umsetzung des Urteils. Und auch hier gab das Landesgericht den Verbraucherschützern Recht.
Am 3. Jänner 2019 hat Zivilrichter Werner Mussner den Antrag der Bank auf Aussetzung des Urteils abgewiesen und die sofortige Auszahlung an die Kläger angeordnet. Die Begründung: "Die ausstehende Ermächtigung der Zentralbank zur Bezahlung der Aktien könne weder das Zivilurteil, noch die eventuell daraus folgende Vollstreckung beeinflussen“. Laut Gericht hätte die Bank schon früher um die Genehmigung zur Auszahlung ansuchen müssen.
 
Die Verbraucherzentrale drohte Anfang des Jahres deshalb mit einer Pfändung. Die Volksbank hat jetzt aber dieser richterlichen Verfügung Rechnung getragen und mit der Auszahlung des ursprünglichen Aktienpreises an die 88 Kläger begonnen.
 

Ein Zwischenerfolg?

 


Das Verfahren ist jedoch damit nicht beendet – die Entscheidung des Richters zum endgültigen Auszahlungspreis steht noch aus“, präzisiert die Volksbank jetzt in ihrer Presseaussendung.
Das Landesgericht hat im Verfahren inzwischen den Bocconi-Professor Cesare Conti zum Gerichtsgutachter ernannt. Conti muss überprüfen, ob der von Gutachter Giorgio Zanetti festgelegte Aktienwert von 14,69 Euro pro Aktie angemessen ist. Oder ob Zanetti, wie von der Volksbank beanstandet, in seinem Gutachten Fehler gemacht habe.
Von diesem Gutachten wird abhängen, ob die Zahlungen jetzt einmalig sind oder ob die Aktionäre noch einen Nachschlag bekommen.
Sollte ein höherer Auszahlungspreis festgelegt werden, kommt auf die Volksbank aber eine neue brisante Frage zu: Können andere Aktionäre im Nachhinein eine ähnliche Klage einreichen?