Cultura | Salto Afternoon

Ohne Worte

Das stumme Stück "Die Stunde da wir nichts voneinander wußten" von Peter Handke wird seit gestern im Stadttheater Bozen aufgeführt. Ein stiller Besuch.
stunde_titel.jpg
Foto: VBB

Die Koproduktion der Vereinigten Bühnen Bozen, dem Stadttheater Klagenfurt und der KULA Compagnie zum Stück des aktuellen Literaturnobelpreisträgers kommt ohne Worte aus. Es zeigt hingegen in rascher Abfolge eine Maske nach der anderen. Wer also noch Inputs zur Kostümierung der nahenden karnevalesken Zeit benötigt, ist in diesem Stück ebenfalls richtig.
Handkes Begegnungs- und Bewegungspoesie, die er Anfang der 1990er Jahre im italienisch-slowenischen Grenzort Muggia bei Triest erlebte und erdachte, wurde im Mai 1992 von Claus Peymann erstmals inszeniert. Das Schauspiel zeigt die Beobachtungen des "politisch unkorrekten" Grenzgängers auf der Piazza des kleinen Hafenortes.


Die Inszenierung von Robert Schuster beginnt für die 12 Akteure andächtig auf Knien, nur Schritte und Tierlaute sind zu hören. Die anschließenden zwei Stunden läuft und geht die international zusammengesetzte Schauspieltruppe in verschiedensten Varianten von einer Bühnenseite auf die andere, erspürt die eingespielten Musikelemente und bietet im Einklang der Geräusche den jeweiligen pantomimischen Erfühlmodus dar.


„Die kleinsten Vorgänge fingen an, Zeichen zu werden, als ob sie die Welt bedeuteten“ erzählte Handke in einem Gespräch mit der Literaturwissenschaftlerin Sigrid Löffler zur Entstehungsgeschichte des Theaterstücks. In den dreizehn Beschreibungen zum Platzgeschehen lässt Robert Schuster – der in Bozen selbst Akteur ist – die einzelnen Figuren im Minutentakt in die verschiedensten Rollen und Wortbilder schlüpfen – sie fischen vor einem Schattenspiel im Hintergrund, betteln mit Einkaufswagen, schwenken Fahnen, rennen mit Rollschuhen, Inline-Skates, kurven mit dem Fahrrad, eilen mit dem Trolley, dem Skateboard, einem Kanu. Sie agieren als Cowboy, Glitzerfee, Kloster- oder Teppichfrau, sind Verrückte, Vermummte, Statisten, Individualisten. Und sie bewegen die aschigen Staubknäuel auf dem Bühnenboden vor sich hin und her. 


Auch der Krieg und der Tod haben im stillen, schrillen Stück ihren Platz auf dem Platz. Und plötzlich ändert sich alles und nichts. Es folgen Szenen beinahe in Zeitlupe, eine Malerei des Bühnenbildes auf einer Staffelei, eine Mini-Kirche auf einem Mini-Platz u.s.w.
Reale und surreale Welten geraten miteinander aneinander.


Das schönste "stumme Bild" zeichnen die TheatermacherInnen gegen Ende, in der Form einer Menschentreppe, die von einer Marionette bestiegen wird.
Visuell erinnert die Inszenierung an einen langen Videoclip, etwa an die düstere Schönheit von Ava Adore von The Smashing Pumpkins. Ohne Text natürlich.