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Anhörung zur Stromversorgung

Die Strompreise explodieren, die Bürger erwarten sich Erleichterungen, die Politik dämpft die Hoffnung auf kurzfristige Lösungen. Nun fand im Landtag eine Anhörung statt.
Strommasten
Foto: Suedtirol Foto/Othmar Seehauser

Allein im ersten Trimester 2022 sind die Kosten im Vergleich zum vergangenen Trimester 2021 um 55 Prozent gestiegen, zeigte Walther Andreaus vom Verbraucherschutzverein Robin Mitte Jänner in seiner Aussendung auf. Im selben Schreiben wies er darauf hin, dass der durchschnittliche Südtiroler Haushalt bei einem Verbrauch von 3.300 kWh mit Jahreskosten von über 1.500 Euro zu rechnen hat – sollte sich am Strompreis nichts ändern.

Die explodierenden Strompreise waren bereits Thema verschiedener Landtagsanfragen und in den Sitzungen der Landesregierung. Anfang Februar erklärte beispielsweise Landeshauptmann Arno Kompatscher in der anschließenden Pressekonferenz, dass kurzfristige Lösungen, um Südtirol vom italienischen und europäischen Stromnetz abzukoppeln, keinen Sinn hätten.

Auf einen Antrag des Freiheitlichen Landtagsabgeordneten Andreas Leiter Reber fand am Donnerstag (24. März) im Landtag eine Anhörung zur Stromversorgung  statt. Der II. Gesetzgebungsausschuss unter dem Vorsitz von Franz Locher hat dazu mehrere Vertreter von Südtiroler Energieunternehmen eingeladen.

 

 

Flora Kröss, Vorstandsvorsitzende der Alperia AG, und Johann Wohlfarter, Generaldirektor und Vorstandsmitglied, erläuterten Eckdaten und Ziele des Unternehmens und gingen auch auf politisch aktuelle Fragen ein. Wie Wohlfarter erklärte, sei die derzeitige Preissteigerung vor allem auf den erhöhten Energiebedarf Chinas zurückzuführen. Die lokale Stromproduktion dagegen leide unter der langen Trockenheit. Während die rund 60.000 Abnehmer des sogenannten geschützten Markts den Marktpreisen ausgesetzt seien, konnten Firmen und Privatkunden durch verschiedene Angebote „zig Millionen“ sparen, berichtete Kröss. Auf entsprechende Nachfrage seitens einiger Abgeordneter erklärten Kröss und Wohlfarter, dass nur die kleinen historischen Genossenschaften einen Preisvorteil an die Kunden weitergeben könnten. Eine landesweite Genossenschaft könne sich dagegen nicht vom Netz abkoppeln, weshalb eine eigenständige Regulierung des Südtiroler Strommarkts nicht umsetzbar sei. Potential für eine höhere Energieproduktion sehe man in der Solarkraft und im Wasserstoff, die Südtiroler Bäche seien dagegen bereits genug genutzt, erklärten die Vertreter der Aperia AG.
 

Unterschiedliche Meinungen

 
Völlig anderer Ansicht zu einer Autonomie im Stromsektor waren Hanspeter Fuchs, Präsident, und Rudi Rienzner, CEO des Südtiroler Energieverbandes (SEV). Der Verband umschließt 68 Genossenschaften, 207 Unternehmen, 29 Gemeinden und örtliche Körperschaften und sieben Konsortien. Rienzner wies auf mehrere Positionspapiere zur Strompolitik in Südtirol hin. Seiner Ansicht nach hätten diese aber keine Beachtung gefunden. Vor allem ein Rechtsgutachten der Professoren Hilpold (Innsbruck) und Piva (Padua) zeige auf, dass eine autonome Südtiroler Regulierungsbehörde nicht nur rechtens, sondern auch eine Pflicht wäre. Laut EU-Richtlinie 944/19 sei dies möglich und die staatliche Regulierungsbehörde ARERA könne laut Staatsratsurteil vom 1. März 2018 ihre Funktion in Südtirol nicht in vollem Umfang ausüben. Südtirol überlasse dem Staat Zuständigkeiten, die es seit 2009 selbst ausüben müsste, so der Vorwurf der Vertreter des Energieverbandes. Eine lokale Regulierungsbehörde würde nicht nur weniger Bürokratie bedeuten, sondern auch einen geringeren Strompreis, da der lokale Mix der Energiequellen – in Südtirol erfolgt die Stromerzeugung zu 97 Prozent aus Wasserkraft – berücksichtigen könnte, aus demselben Grund sei der Strom in Tirol günstiger als in Wien.
 

 

Historische Genossenschaft EUM

 
Theodor Lanthaler, Geschäftsführer der Energie- und Umweltbetriebe Moos (EUM), gab einen Überblick über Geschichte und Bestand der Genossenschaft, die nicht nur Strom und Internet bietet, sondern auch eine Tankstelle und örtliche Lebensmittelgeschäfte führt, letztere mit Landesunterstützung. Die EUM setze auf kostengünstige Preise und Versorgungssicherheit, die Leitungen seien unterirdisch verlegt. Die EUM wartet und betreut 14 E-Werke, am größten sind auch Alperia und die Gemeinde beteiligt. Der Stromverbrauch durch die Mitglieder betrug 2021 12,5 Mio. KWh. Ein Heizwerk versorgt 70 Mitglieder mit Wärme aus erneuerbaren Quellen. Die EUM bietet 23 Arbeitsplätze vor Ort und unterstützt die örtlichen Vereine mit großzügigen finanziellen Mitteln, berichtete Lanthaler. Der Erfolg sei nur möglich durch den Zusammenhalt der Bevölkerung und die Zusammenarbeit mit der Gemeinde, so der Geschäftsführer der EUM, der zugleich die ausufernde Bürokratie kritisierte. „Als historische Genossenschaft können wir den Strom günstiger abgeben und zudem produzieren wir viel Überschuss, den wir wiederum verkaufen können“, so Lanthaler, der darauf hinwies, dass eine eigene Südtiroler Regulierungsbehörde sehr wohl einen Sinn hätte. Derzeit müsse man sich täglich mit der ARERA in Mailand abmühen. Aber auch mit dem Land könne es Probleme geben, beispielsweise wegen einer wieder zurückgezogenen Konformitätserklärung für ein neues Werk. Ein Mittel gegen die Abhängigkeit von außen sah Lanthaler in den Energiegemeinschaften, die auch gefördert würden, und in der Photovoltaik. Windparks oder weitere Kraftwerke seien für die Landschaft nicht verträglich.
Zum Abschluss kündigte Ausschussvorsitzender Franz Locher weitere Anhörungen für die nächste Sitzung an, bei denen auch rechtliche Fragen behandelt werden sollen.