Ambiente | Klimakrise

„Wir sind die Zukunft der Kinder“

Seit dem Regierungswechsel in Meran ist der Aktionsplan fürs Klima ins Stocken geraten. Die ehemalige Mobilitätsstadträtin mahnt zu schnellem Handeln.
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Foto: barfuss.it

Meran gilt in Südtirol (noch) als Vorreiter in Sachen Klima. Doch seit dem Antritt der neuen Stadtregierung zeigt sich klar, dass Klima und Umwelt nicht zu den Prioritäten der Koalition gehören, die sich aus den Bürgerlisten um Bürgermeister Dario Dal Medico und der SVP zusammensetzt. Die dafür zuständige Vizebürgermeisterin Katharina Zeller (SVP) kämpft mit Personalnot und fehlendem Engagement in den eigenen Reihen.

Die Gemeinde trat 2012 dem Konvent der Bürgermeister zur Reduzierung von Treibhausgasen bei, sie nimmt seit 2016 am Südtiroler Programm KlimaGemeinde teil und verabschiedete 2020 einen Aktionsplan für nachhaltige Energie und Klima. Mit dem Aktionsplan bearbeitete Meran als erste Gemeinde des Landes das vergleichsweise neue Themenfeld der Anpassung an den Klimawandel.

Für die ehemalige Mobilitätsstadträtin von Meran und Direktorin des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz Madeleine Rohrer ist das noch lange nicht genug: „Wir sind die Zukunft unserer Kinder“, sagt sie im Gespräch mit salto.bz und fordert die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens ein.

 

Straffes Programm gefragt

 

Das würde im Klartext bedeuten, dass Südtirol bis 2045 klimaneutral werden und damit komplett auf fossile Brennstoffe verzichten muss. Damit das klappt, müsse 40 Prozent der Energie im Verkehr und auch 40 Prozent beim Heizen und Kühlen von Gebäuden eingespart werden. Erreicht werden soll das laut Rohrer durch ein anderes Mobilitätsverhalten (also mehr Rad und Fußweg als Auto) und durch die energetische Sanierung von 2,5 Prozent unserer Gebäude pro Jahr. Zudem sei die Anbringung von Photovoltaik-Anlagen auf jedes Dach und die Nutzung von 100 Prozent erneuerbarer Fernwärme wesentlich für das Erreichen der Klimaziele. Derzeit nutze Meran nur 30 Prozent erneuerbare Energien bei der Fernwärme.

 

 

Welche Prioritäten die neue Stadtregierung verfolgt, bleibt abzusehen. Teil des Regierungsprogrammes ist jedenfalls die Weiterverfolgung des Weges zur Zertifizierung der KlimaGemeinde „Gold“. 2019 wurde bereits „Silver“ erreicht. Für die Zertifizierung können in sechs Bereichen Punkte erreicht werden: Entwicklungsplanung und Raumordnung, gemeindeeigene Gebäude und Anlagen, Versorgung und Entsorgung, Mobilität, interne Organisation, Kommunikation und Kooperation;

Die ehemalige Mobilitätsstadträtin Madeleine Rohrer erinnert sich an die Anfänge beim Programm KlimaGemeinde: „Es kam heraus, dass wir in den Bereichen Gebäude, Wasserversorgung und Entsorgung noch Schwachstellen haben.“ Was die Reduzierung des Restmülls anbelangt, soll die für 2023 geplante Tür-zu-Tür-Sammlung von Biomüll Abhilfe leisten. Am besten schnitt die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt bei der internen Organisation und bei der Kommunikation ab. Der Beschlussantrag ihrer Partei „Liste Rösch / Grüne“ die Zertifizierung KlimaGemeinde „Gold“ vor dem Ende dieser Amtsperiode zu erreichen, wurde im Gemeinderat abgelehnt.

 

Vorhaben der neuen Stadtregierung

 

Vizebürgermeisterin Katharina Zeller, die unter anderem für Verkehr und Energie zuständig ist, hat dennoch Einiges vor, um in den sechs Bereichen des Programms KlimaGemeinde Fortschritte zu erzielen. Bei jedem der Aufgabenbereiche geht es um konkrete Maßnahmen wie etwa dem Erhalt von Grünflächen. Diese seien „gut für die Biodiversität, den Klimaschutz, die Vermeidung von Wärmeinseln sowie die Förderung der Lebensqualität in der Stadt“, sagt Zeller. Ein Gespräch mit der neu gegründeten Umweltschutzorganisation AmUm in Meran sei bereits geplant. Eines der Anliegen von AmUm ist es, eben diese Grünflächen zu erhalten und aufzuwerten.

 

 

Des Weiteren ist die Anbringung von Photovoltaikanlagen auf gemeindeeigenen Gebäuden vorgesehen, das erste genehmigte Projekt dafür ist das Zivilschutzzentrum mit der Feuerwehr in der Romstraße von Meran. Was erneuerbare Energien und Sanierung nicht nur für gemeindeeigene Gebäude angeht, sieht Rohrer eindeutig Nachholbedarf.

 

Unterstützung der Bürger:innen forcieren

 

Der Energieschalter der Gemeinde müsse reaktiviert werden, um Bürger:innen bei der Energiewende unter die Arme zu greifen. Während ihrer Amtszeit konnten diese beim Energieschalter um einen sehr günstigen Preis Wärmebilder, sogenannte Thermographien, ihrer Häuser und Wohnungen erhalten. Die Wärmebilder dienen als Grundlage für eine energetische Sanierung. Außerdem wäre Beratung für Photovoltaik-Anlagen und für den Superbonus 110, der Teil des Dekrets für den wirtschaftlichen Wiederaufschwung ist, notwendig. Auch finanzielle Unterstützung für die energetische Sanierung insbesondere in Kondominien spricht Rohrer an.

 

Personalnot in der Verwaltung

 

Die Themen Mobilität, Energie und Abfallwirtschaft sollen laut Zeller von Sensibilisierungskampagnen begleitet werden. Zudem seien Kooperationen mit dem Bauernbund, dem HGV und der Kurverwaltung geplant. Die Vorhaben sind nicht klein, aber es fehle an genügend Mitarbeiter:innen: „Es ist mir ein großes Anliegen, die zuständigen Ämter mit mehr Personal zu bestücken. Sowohl bei der Mobilität als auch bei der Umwelt verfügen wir nicht wirklich über große personelle Ressourcen“, so Zeller. Mittels Rangordnung soll zumindest im Amt für Mobilität eine weitere Person eingestellt werden.

 

Sowohl bei der Mobilität als auch bei der Umwelt verfügen wir nicht wirklich über große personelle Ressourcen - Katharina Zeller

 

Herausforderung Mobilität

 

Madeleine Rohrer weiß aus eigener Erfahrung, dass die Arbeit ihre Nachfolgerin Katharina Zeller nicht einfach ist – gerade bei dem klimarelevanten Sektor Verkehr und Mobilität. „Der Verkehr ist für rund ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Deshalb liegt die Herausforderung darin, das Auto nur zu nutzen, wenn man es unbedingt braucht. Die Fahrradmobilität ist das schnellste und günstigste verkehrspolitische Instrument, um Emissionen im Verkehr zu reduzieren. Das ist schwierig zu erklären, weil Mobilität ein emotionales Thema ist und mit persönlichen Gewohnheiten zusammenhängt“, erklärt Rohrer.

Ihr Erfolgsrezept ist das Ausprobieren und der Austausch mit Bürger:innen, um Verhaltensänderungen zu erleichtern. So entstand beispielsweise der Pedibus, der heute mit zehn verschiedenen „Bus“-Linien in Meran Kinder in Begleitung eines Schülerlotsen komplett zu Fuß zur Schule begleitet. „Laut der Rückmeldung der Eltern wollen die Kinder, seit sie zu Fuß in die Schule gehen auch zu Fuß in die Stadt,“ sagt Rohrer.

Über die bisherige Verkehrspolitik der neuen Stadtregierung fällt ihre Bilanz negativ aus: „Sie bestand darin, zwei Straßen für den Autoverkehr freizugeben.“ Geplant hat Zeller noch, das Fahrradnetz auch über die Gemeinde Meran hinaus zu verbessern und gemeinsam mit der SASA die Busverbindungen auszubauen. Für Rohrer ist das noch zu wenig, auch wenn sie weiß, dass die neue Regierungskoalition in Meran sich Klimaschutz nicht auf die Fahnen geschrieben hat.

 

Verwaltung klimafit machen

 

Ihre Hoffnung liegt deshalb in der Stadtverwaltung selbst: „Es ist wichtig, dass die Verwaltung von innen das Thema Klimaschutz weiterträgt, egal wer an der Regierung ist. Bis 2030 müssen wir 55 Prozent der Treibhausgase reduzieren – das gilt auch für Meran.“ Das Ziel der Emissionsreduktion um 55 Prozent haben die EU-Spitzen im Dezember 2020 beschlossen.

 

Durch diese Sondereinheit kamen Vertreter:innen aller Abteilungen zusammen. Das war sicher eine der Erfolgsmomente für die Gemeinde Meran, weil nun innerhalb der Stadtverwaltung alle an einem Strang ziehen - Madeleine Rohrer

 

Neben dem Programm KlimaGemeinde führte Meran während der Amtszeit von Madeleine Rohrer eine Sondereinheit für Kllimaschutz und -anpassung ein. „Während meiner Zeit als Stadträtin fiel mir auf, dass die Mitarbeiter:innen in den Ämtern sehr engagiert waren, aber die Ämter unterschiedliche Prioritätenlisten verfolgten. Klimaschutz kann nicht nur vom Amt für Umwelt vorangetrieben werden. Durch diese Sondereinheit kamen Vertreter:innen aller Abteilungen zusammen. Das war sicher eine der Erfolgsmomente für die Gemeinde Meran, weil nun innerhalb der Stadtverwaltung alle an einem Strang ziehen“, sagt Rohrer im Rückblick. Die Sondereinheit wird von der aktuellen Stadtregierung fortgeführt.