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Deutsch ist eine Männersprache

Luise F. Pusch ist die Mutter der feministischen Linguistik in Deutschland. Ein Gespräch über Träume, Ängste, Erfolge und etwas, das unbedingt noch kommen muss.
Luise F. Pusch
Foto: Manuela Tessaro

Luise F. Pusch ist 79 Jahre alt und sitzt entspannt in einem Café in Bozen. Sie blickt sich um, entdeckt einen Mann mit Bart, Block und Schürze. Sie fragt: „Kommt die Kellnerin zu uns?“ Pusch schmunzelt: „Ich spreche im generischen Femininum. Männer sind einfach mitgemeint.“

Die Systemlinguistin hat noch nie ein Interview abgelehnt, nur einmal eine Einladung. Die Zeitschrift Playboy wollte in den 1980er-Jahren einen Text von ihr veröffentlichen und bot 6.000 Mark. „Ich habe abgelehnt. Aus Prinzip, und außerdem hatte ich einen Ruf zu verlieren“, so Pusch.  

Das F. in ihrem Namen steht für den Vornamen „Frohmut“. Mit 16 Jahren entschied sie sich dazu, ihren Namen zu ändern. Frohmut passte nicht zu ihr: „Ich war weder froh noch besonders mutig.“ Fortan wollte sie Luise heißen: „Mir gefiel der Klang.“ 

Die Mutter (Pusch korrigiert: „Mittlerweile bin ich die Großmutter“) der feministischen Linguistik wohnt in Hannover und in Boston. Im Coronajahr 2021 heiratete sie ihre Lebensgefährtin Joey Horsley, damit das Reisen zwischen den Kontinenten einfacher war. Dies war der einzige Grund, denn heiraten wollte sie eigentlich nie.

salto.bz.: Was bedeutet es für Sie, die Mutter der feministischen Linguistik zu sein?

Luise F. Pusch: Ich agierte damals nicht allein. Senta Trömel-Plötz und Marlis Hellinger bewegten sich in dieselbe Richtung wie ich. Wir drei zusammen können aber als die Großmütter der feministischen Linguistik bezeichnet werden, inzwischen gibt es ja schon die nächste Generation. Insgesamt fühle ich mich gut, da haben wir wirklich was auf den Weg gebracht. Natürlich haben wir ganz viele Hindernisse in den Weg gestellt bekommen, aber dass sich alles trotzdem so entwickelt hat, freut mich wirklich. Mittlerweile wird an jeder Universität gegendert, auch beim Deutschlandfunk wirkt es so, als sei es nie anders gewesen. Anders als beim WDR. Da ist das Gendern ja verboten. 

Sind Sie in Ihre wissenschaftliche Karriere mit einem Ziel hineingestartet oder in den Erfolg „hineingeschlittert“?

Ich bin immer in irgendwas hineingeschlittert. Ich wollte eigentlich Orientalistik studieren, das fand ich schön anspruchsvoll und das tat auch irgendwie nicht jede. In der Oberstufe aber lernte ich Jane Austen und andere große englische Schriftstellerinnen kennen und schätzen. Also habe ich damit begonnen, sehr viel englische Literatur zu lesen. Und die hat mich so tief beeindruckt, dass ich dann Englisch studieren wollte. Und nicht mehr Arabisch.

Wie entwickelte sich die Liebe zum Deutschen?

Deutsch war in der Schule mein bestes Fach. Und da war es ja sehr naheliegend, Deutsch zu studieren. Das Deutschstudium habe ich nach einer Woche aufgegeben, weil ich das Gefühl hatte „ich kenn das alles schon“ -- ich hatte während der Schulzeit viele Nachtprogramme gehört, viele Sendungen über Literatur, die eben dasselbe behandelten wie die ersten Semester im Deutschstudium. Schlussendlich promovierte ich aber in englischer und habilitierte in allgemeiner Sprachwissenschaft.
 

Im Grunde sind alle Sprachen Männersprachen.


Wie kam es dazu, dass Sie so großen Erfolg hatten? Sie beschreiben sich selbst als wenig mutig und eher ängstlich. 

Ich habe meine Angst oft überwunden. Und dann doch mutige Dinge getan. Aber nicht aus der Fülle meines Mutes heraus. Es war auch erkämpft, weil ich das jeweilige Ziel als richtige Richtung erkannt habe. Und wenn das der Fall war, dann habe ich auch das Richtige tun wollen. Ich führte mir immer andere Gewährspersonen, die amerikanischen Feministinnen und Linguistinnen vor Augen. Auch sie wurden im eigenen Land angefeindet, trotzdem ließen sie sich aber nicht unterkriegen. Und deswegen bin ich auch bei meinen Zielen und Vorhaben geblieben.   

Dass ich letztlich viel Erfolg hatte, lag wahrscheinlich daran, dass ich versuchte, alles verständlich, so „volksnah“ wie möglich aufzuschreiben. Linguistik ist nämlich für die meisten ein sehr schwer verständliches Fach. Und dann gab ich noch eine Prise Humor dazu. Ich habe meine Ideen in lustige Geschichten verpackt, damit sie beim Publikum gut ankamen.
 


Sie haben 1984 das Buch „Das Deutsche als Männersprache. Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik“ veröffentlicht. Warum ist Deutsch eine Männersprache? Könnten Sie Beispiele nennen?

Im Grunde sind alle Sprachen Männersprachen. Aber ich habe mich um das Deutsche gekümmert. Was heißt das jetzt also? Diese Aussage hat ganz viele Begründungen. Aber ich nenne hauptsächlich immer drei oder vier.

Erstens: In den meisten Männersprachen sind die Bezeichnungen für Mensch und Mann identisch. Im Englischen haben wir man, im Französischen homme, im Italienischen uomo, im Spanischen hombre. Wenn ich über Männer spreche, verwende ich dasselbe Wort wie wenn ich über Menschen spreche. Frauen sind da angeblich mitgemeint. Das Deutsche ist da anders, aber nur geringfügig. Das Wort Mensch ist abgeleitet von mannisco (männlich), das wurde dann durch Umlautung zu mennisco und schließlich zu Mensch.

Zweitens: Die Bezeichnungen für Frauen sind aus den Bezeichnungen für Männer abgeleitet z. B. Lehrerin aus Lehrer. Dies ist vor allem eine Abhängigkeitszuschreibung. Die weiblichen Bezeichnungen aus den männlichen abzuleiten ist einfach an sich eine Beleidigung. Wir kennen nur wenige Ausnahmen dieser Praxis - z. B. die Bezeichnungen Bruder und Schwester.

Das dritte ist das generische Maskulinum. Das heißt, egal wie viele Frauen irgendwo herumschwirren, kommt ein Mann dazu, muss die Gruppe mit dem Maskulinum bezeichnet werden. Mein Standardsatz dazu ist: 99 Sängerinnen und ein Sänger sind auf Deutsch 100 Sänger. Das schreibt unsere Grammatik so vor.

Der vierte Punkt ist das Namensrecht, so wie es früher war und von vielen noch immer so gehandhabt wird. Es geht darum, dass die gesamte Abstammungslinie der Frau ausgelöscht wird, weil man sie zwang, bis in die 1990er-Jahre in Deutschland, den Namen des Mannes bei der Heirat anzunehmen. Und wenn ForscherInnen in die Vergangenheit zurück forschen wollten, konnten sie die Frauen nicht mehr finden, weil sie dann ganz anders hießen. Und wenn sie dann wieder heirateten, hießen sie wieder anders.

Das kennen wir eigentlich von den SklavInnen in den USA…

Genau. Das lässt sich sehr gut vergleichen: SklavInnen, die John Miller und Harriet Miller hießen, haben diesen Nachnamen, weil dies der Name ihrer Besitzer war. Wenn sie dann an einen Smith verkauft wurden, hießen sie fortan John und Harriet Smith. So bekamen sie den Namen ihrer Besitzer, wie auch die Frauen den Namen ihres Mannes annehmen mussten.

Dieser Namens-Tradition wird heute noch gefolgt, obwohl sie nicht vorgeschrieben ist. Denn Männer finden es meist unter ihrer Würde, den Namen der Frau anzunehmen.
 

Die Fähigkeit, eine Sprache nur durch Zuhören zu erlernen, verschwindet im Alter von zwölf Jahren.


Ist das Englische gerechter?

Ja, das Englische ist gerechter. Allein schon strukturell.

Menschen scheinen sich sehr wenig für Sprachen zu interessieren. Warum ist das so?

Wir haben diese wunderbare Gabe, dass wir als Kinder die Grammatik aus der Sprache, die wir hören, auch wenn sie noch so bruchstückhaft ist, irgendwie herausfiltern zu können. Wenn Kinder z. B. sagen: ich singte, statt ich sang, dann zeigt das, dass sie die Regel erkannt haben, wie im Deutschen normalerweise das Imperfekt gebildet wird. Hören sie die Sprache noch ein wenig länger, kennen sie schlussendlich auch die unregelmäßigen Verben. Wir haben die Gabe, jede Sprache zu lernen, der wir ausgesetzt werden. Die Grammatik erlernen wir aber vollkommen unbewusst, weil wir sie beim Sprechen gar nicht brauchen. Wir brauchen die Analyse der Grammatik nur, wenn wir Sprachen als Fremdsprachen lehren oder lernen wollen.

Die Fähigkeit, eine Sprache nur durch Zuhören zu erlernen, verschwindet im Alter von etwa zwölf Jahren. Ich bedauere sehr, dass ich nicht dreisprachig aufgewachsen bin. Das Englische konnte ich mir nie richtig aneignen, obwohl ich mit einer US-Amerikanerin zusammenlebe und wir sehr viel Englisch sprechen. Ich weiß genau, dass ich das Englische niemals so beherrschen werde wie das Deutsche.

Es ist bewiesen, dass die Sprache unser Denken formt. Sollte das Bewusstsein für die Gleichberechtigung in den Köpfen oder bei der Sprache beginnen?

Wir können beide Wege gleichzeitig beschreiten. Auf diese philosophische Frage antworte ich mit einem Beispiel. Wenn ich z. B. sage: „Die Kolleginnen und Kollegen an meinem Seminar denken ähnlich wie ich“, zwinge ich die Person, die zuhört, sich Frauen vorzustellen. Ich greife in das Bewusstsein ein, durch eine Sprache, die das generische Maskulinum ablehnt. Das fördert die Sichtbarkeit von Frauen.
Wenn in einem politischen Verein gefragt wird: „Wen könnt ihr euch als neuen Ortsvorsitzenden vorstellen?“, dann schlagen die meisten Personen Männer vor. Anders als bei der Frage: „Wen könnt ihr euch als neue Ortsvorsitzende oder neuen Ortsvorsitzenden vorstellen?“, dann werden auch mehr Frauen vorgeschlagen. Diese Sprache fördert Frauen und das ist meistens nicht im männlichen Interesse. Deswegen herrscht da auch großer Widerstand.

Können Sie das Zitat „Die Gesellschaft war für mich immer schon gefährlich“ erklären?

Ja, natürlich. Unsere patriarchal-organisierte Gesellschaft ist für Frauen gefährlich. 95 Prozent der schweren Straftaten werden von Männern begangen. Die Gefängnisse sind voll mit Männern. Ich frage mich immer, wie es kommt, dass sie so gewaltvoll sind. Sei es gegeneinander als auch gegen Frauen. Gleichzeitig besetzen sie aber alle Machtpositionen, was gefährlich ist. Wenn das friedlichere Geschlecht mehr zu sagen oder zumindest gleich viel zu sagen hätte wie Männer, dann ginge es uns schon sehr viel besser.
 

„Ich werde demnächst kommen und Ihren Kopf auf den Bordstein schlagen und dann zertreten.“


Luise F. Pusch schreibt öfters Kommentare zu aktuellen Ereignissen. Teilweise werden ihre Beiträge von Zeitschriften übernommen, unter anderem von der feministischen Emma. Wenige Tage nach dem Absturz des Germanwings-Flugs 9525 veröffentlichte Pusch im März 2015 einen Kommentar in der Zeitschrift Emma, in dem sie eine Frauenquote unter Piloten fordert. Die Suizidrate bei Männern sei viermal so hoch wie bei Frauen, deshalb verringere jede Pilotin das Risiko der Passagiere, Opfer eines erweiterten Suizids zu werden. Pusch kritisierte, in der Berichterstattung über das Unglück sei ein "blinder Fleck", da die 14 getöteten Mädchen und zwei Jungen aus der Stadt Haltern schlicht als „16 Schüler“ bezeichnet wurden und die beiden getöteten Halterner Lehrerinnen als „Lehrer“. Der Text rief Empörung in den sozialen Netzwerken besonders auf Twitter hervor.  

Im Jahre 2015 wurden Sie Opfer eines zehntägigen Shitstorms. Wie haben Sie diese Zeit überstanden? Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?

Es ging mir nicht gut, aber ich habe es überstanden. Es fing an, als ich gerade beim Spielen mit Freundinnen war. Und jedes Mal, wenn ich wieder ins Internet guckte, waren schon wieder 100 Verleumdungen dort. Das hielt zehn Tage lang an. Pausenlos. Das war das erste Mal, dass mir so was in dieser Form begegnete. Feindseligkeit kannte ich schon, aber jetzt durch diese Vertausendfachung durch die sozialen Medien, hatte das eine ganz andere Qualität. Und das war für mich sehr bedrückend. Erst nach fünf Tagen habe ich herausgefunden, dass ich die Kommentare blockieren kann. Das habe ich dann sehr systematisch gemacht. Aber vorher habe ich jeden Hasskommentar auf Twitter abgespeichert. Ich bekomme auch viele E-Mails, die ich alle unter dem Ordner „Hass-Post, Hate-Mail“ speichere. Da ist allerlei drin.

Wie viele?

Ich hab das letztlich nicht erzählt, aber ich würde mal sagen 50 bis 100 E-Mails. Gesammelt über die Jahre. Während es bei Twitter tausende Kommentare waren. Eine E-Mail war besonders schlimm. Die lautete: „Ich werde demnächst kommen und Ihren Kopf auf den Bordstein schlagen und dann zertreten.“ Vorher sollte ich noch vergewaltigt werden. Mich entsetzten einfach diese unheimlichen, brutalen Fantasien. Solche Dinge wurden mir da entgegengeschleudert.

Kannten Sie die Menschen, die Ihnen diese Post zukommen ließen?

Nein, persönlich kannte ich die nicht. Umso mehr überraschte es mich, dass Menschen, die mich gar nicht kannten, so wütend auf mich sein konnten. Ich bin damals zur Polizei gegangen und habe wegen dieser Morddrohung Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Die haben mir aber erklärt, dass sie die Identität des Angreifers nicht ermitteln konnten, weil er unter falschem Namen schrieb und sein Provider zur Auskunft über seine Identität nicht gezwungen werden konnte.

 

Die Haltung zu Pornografie z.B. ist mir fremd, die Haltung zu Prostitution halte ich für sehr bedauerlich.


Im Zeit-Podcast „Alles gesagt?“ erklären Sie, dass Sie auf der Seite der älteren Feministinnen stehen. Was bedeutet das?

Ich gehöre zu den Feministinnen der zweiten Frauenbewegung. Also zu jenen, die in den 1970er-Jahren zum zweiten Mal aufgebrochen sind (nach der ersten Frauenbewegung, die etwa von 1848 bis 1933 tätig war und das Frauenstimmrecht erkämpfte). In diesen Jahren kam durch die amerikanische Frauenbewegung der Durchbruch. Und da wurde ich politisch wach. Die Lesben wurden plötzlich aufgewertet, zumindest innerhalb der Frauenbewegung. Und da entwickelte sich bei mir eine Art Heimatgefühl. Somit bin ich mit dieser älteren Bewegung rein emotional verbunden.

Die neue queer-feministische Bewegung entwickelte sich meiner Ansicht nach in den 1990er-Jahren. Und daraus resultierten auch andere Werte. Die Haltung zu Pornografie z. B. ist mir fremd, die Haltung zu Prostitution halte ich für sehr bedauerlich. Aus diesem Grund fühle ich mich mit der älteren Frauenbewegung, also mit Frauen wie Alice Schwarzer, die jetzt um die 80 sind, enger verbunden. Emotional und auch aus inhaltlichen Gründen.

Sie kommen seit einigen Jahren immer wieder nach Bozen. Was lockt Sie her?

Was mich herzieht, sind Heidis (Anm. d. Red.: Heidi Hintner) Aktivitäten. Im Grunde ist mir Bozen im Sommer zu heiß und irgendwie ist Bozen auch ein Kurort, und Kurorte meide ich eher. Aber wenn nicht so viele TouristInnen hier sind, finde ich Bozen eine schöne Stadt. Das erste Mal in Bozen war ich 1988, da hat mich Sabine Gruber nach Lana zum Literaturfestival eingeladen. Dann kamen andere wie Melitta Pitschl oder Karin Dalla Torre. Und seit 2004 sind es eben Heidi Hintner und die Gruppe TANNA, die mich immer wieder mit ihren Aktivitäten nach Bozen locken. 

Sie haben als „selbstständige“ Autorin 16 Bücher geschrieben. Welches Buch würden Sie jenen empfehlen, die noch nichts von Ihnen gelesen haben?

Es kommt darauf an, für welches Gebiet sich die Person interessiert. Also für Linguistik ist wahrscheinlich „Das Deutsche als Männersprache“ das wichtigste Buch. Für Frauenbiografik, mit der ich mich auch sehr viel beschäftige, würde ich einen Besuch auf meiner Webseite fembio.org empfehlen oder das Buch „Schwestern berühmter Männer“. Für die, die sich für mein Coming-out interessieren und vielleicht eine Stärkung für ihr eigenes Leben brauchen, würde ich unbedingt „Sonja“ sagen. Aber heute ist es vielleicht nicht mehr so wichtig wie damals, 1981. Ich sag das aber aus persönlichen Gründen, weil es mich am meisten Kraft gekostet hat.

Am Dienstag haben Sie in der Landesbibliothek Teßmann Ihr neues Buch „Gegen das Schweigen“ vorgestellt. Können Sie das Buch in drei Sätzen zusammenfassen?

Das Buch beschreibt meine Kindheit und Jugend von 1944 bis 1965 in der Adenauer-Ära, der Zeit der Ultra-Homophobie. Es beschreibt, wie ich unter dieser Homophobie gelitten habe und wie ich es trotzdem überlebt habe. An sich waren das unerträgliche Zustände, aber ich hatte irgendwie die Ressourcen, das zu überleben, so wie viele andere auch. Es war aber unzumutbar.
 

Der eigentliche Traum ist aber, dass Frauen mehr Macht, mehr Geld, mehr Einfluss bekommen, als sie derzeit haben.


Wie blicken Sie in die feministische Zukunft? Sind Sie der Meinung, dass sich vieles positiv gewandelt hat, was brauchen wir als Gesellschaft noch?

Wir müssen erst mal diese Spaltung ausstehen und dann wie unsere Ampel-Koalition in Deutschland, die aus völlig verschiedenen politischen Gegenden kommen, immer wieder Kompromisse finden. So müssen wir mit der queer-feministischen Bewegung, also mit der Jugend, versuchen, Kompromisse einzugehen. Das wird wahrscheinlich nicht einfach sein, z. B. beim Thema Prostitution. Wir älteren Feministinnen sind dagegen, die queere Jugend ist dafür. Das lässt sich schwer vereinbaren. Aber ich bin positiv gestimmt.

Was ist Ihr größter Traum? Hat er sich schon erfüllt?

Etwas, was ich immer für unmöglich gehalten hatte, als ich 30 war, war, dass ich in den meisten „Ländern des Westens“ offen mit meiner Lebensgefährtin auftreten kann. Das war etwas, das ich nicht für möglich hielt. Das war mein Lebenstraum damals. Ich habe diese Unterdrückung auch nicht ausgehalten. Der eigentliche Traum ist aber, dass Frauen mehr Macht, mehr Geld, mehr Einfluss bekommen, als sie derzeit haben – mit anderen Worten: dass sie gleichberechtigt sind. Wie weit wir davon noch entfernt sind, zeigt das Schicksal der Frauen in Afghanistan und die Tatsache, dass der Rest der Welt sich kaum noch darüber aufregt.