Economia | Rohstoffe

Süchtig nach Beton

Die Landesregierung hat einen Gesetzesentwurf zum Abbau von Sand, Schotter, Gestein und Torf vorgelegt. Zu lasch und ohne Weitsicht, sagen die Umweltverbände.
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Foto: Ricardo Gomez Angel / Unsplash
Südtirols Bauwirtschaft benötigt derzeit 1,5 Millionen Tonnen Sand und Schotter sowie 700.000 Tonnen Gesteinsmaterial im Jahr, diese Rohstoffe werden unter anderem zu Beton verarbeitet. Der Baustoff kommt im Hoch- und Verkehrswegebau am häufigsten zum Einsatz. Derzeit werden in Südtirol an 107 Standorten mineralische Rohstoffe abgebaut, mehr als die Hälfte davon sind Schottergruben, 45 Steinbrüche und sieben Torfstiche.
Werden alle bereits genehmigten Konzessionsrechte für den Abbau dieser Bodenschätze genutzt, werden mit Stand von 31.12.2021 jährlich 830.000 Tonnen Sand und Schotter (bis spätestens 2032) sowie 809.090 Tonnen Gestein (bis spätestens 2033) abgebaut. Außerdem gibt es noch bis 2032 gültige Konzessionen für den Torfabbau, die die Gewinnung von 92.600 Tonnen Torf pro Jahr erlauben. Neben dem Abbau der Rohstoffe nutzen die Bauunternehmen die ausgehobenen Gruben außerdem als Lagerstätte für ihren Bauschutt.
 
 
Der Abbau der Rohstoffe wird im Hinblick auf Nachhaltigkeit damit gerechtfertigt, dass der Transport des Materials aus Nachbarregionen mehr Treibhausgase verursacht als die Gewinnung vor Ort. Um den Bedarf der Südtiroler Bauindustrie zu stillen, bräuchte es also rund 100.000 Lkw-Ladungen – das macht dann rund 11,1 Millionen Gramm Kohlendioxid pro Tonnenkilometer. Außer dieselbe Bauindustrie stellt konsequent auf Holzbau um.
Nun soll das Gesetz zum Abbau mineralischer Rohstoffe aus dem Jahr 2003 überarbeitet werden, um die Bestimmungen zu aktualisieren. „Wir haben wie vereinbart eine neue zeitgemäße und mit den Interessensverbänden koordinierte Fassung der Bestimmungen über den Abbau mineralischer Rohstoffe ausgearbeitet“, erklärt der zuständige Landesrat Philipp Achammer. Der Gesetzesentwurf wurde kürzlich von der Landesregierung genehmigt und kommt am Montag in den dritten Gesetzgebungsausschuss, der für Industriebelange und nicht für Umweltschutz zuständig ist, bevor es im Landtag diskutiert wird.
 

Missglückter Interessensausgleich?

 
Der vorliegende Entwurf sieht vor, keine neuen Torfstiche zu erlauben und bestehende Ermächtigungen dafür nicht zu verlängern. „Mit dem Gesetzentwurf suchen wir den Interessensausgleich“, sagt Achammer. „Wir nehmen Rücksicht auf die Umwelt, indem wir beispielsweise die Vorgaben des Klimaplans bezüglich Torfabbau berücksichtigen. Für die Wirtschaft schaffen wir Klarheit durch einen schonenden und transparent geregelten Abbau mineralischer Rohstoffe.“ Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz und der Heimatpflegeverband begrüßen das in Südtirol eingeleitete Ende des Torfabbaus, bemängeln aber das Fehlen eines von ihnen seit langem geforderten Abbauplans.
Ein Abbauplan würde es ermöglichen, ähnlich wie es beim Gewässerschutz bereits gehandhabt wird, Zonen auszuweisen, wo kein Abbau von Sand, Schotter und Gestein erlaubt ist. „Die Bannzonen in den Landschaftsplänen der Gemeinden erlauben zwar keine Bebauungen, aber sehr wohl den Abbau mineralischer Rohstoffe“, erklärt Madeleine Rohrer, Geschäftsführerin des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz. Darüber hinaus sehe der Landesentwicklungs- und Raumordnungsplan (LEROP) eine ganze Reihe von Fachplänen vor, zum Beispiel für Soziales, für Transport und eben auch für Steinbrüche und Schottergewinnung.
 
 
Die Umweltverbände befürchten, dass sich durch die Überarbeitung des Gesetzes nichts Wesentliches ändert und weiterhin eher wirtschaftlichen Interessen Folge geleistet wird als dem Klima- und Landschaftsschutz: Das Gesetz sehe allein vor, dass die Antragsteller den vorhandenen Bedarf der angesuchten Abbaumenge auf Bezirksebene nachweisen müssen, bei einer Abbauzeit von 20 Jahren, die um weitere sechs Jahre verlängert werden kann. Im alten Gesetz war die Konzessionsdauer noch auf zehn, maximal 18 Jahre festgelegt.
 

Wenig Neues

 
„Der Entwurf zeigt, dass wirtschaftliche Ziele über die Klimakrise gestellt werden. Denn das Gesetz ist bis auf das Verbot von Torfabbau, der in Südtirol wirtschaftlich wenig Relevanz hat, eine Fortschreibung des Bisherigen“, so Rohrer. Außerdem sollen sowohl das angekündigte Monitoring zur Abbau- und Auffülltätigkeit als auch die Definition der Ausgleichsmaßnahmen zu Erhalt und Förderung von Lebensräumen in den Durchführungsbestimmungen geregelt werden, die die Landesregierung im Alleingang durchdrücken kann.
Das neue Gesetz liefert damit die Grundlage für den weiteren Abbau von Gestein für die Bauindustrie. „Wir sind nicht gegen Schotterabbau, aber die Bau- und Betonindustrie zählt zu den größten CO2-Emittenten. Die zukünftige Bauweise müsste hingegen vielmehr auf Holz ausgerichtet sein“, erklärt die Geschäftsführerin vom Dachverband.  
 

Sanktionen, Landschaftsbild und Lärm

 
Werden Rohstoffe ohne Genehmigung abgebaut, würden die Strafen zu gering ausfallen. Zum Beispiel: Stellt der Betreiber der Grube das Gelände nicht vorgesehen wieder her, wird eine Geldstrafe zwischen 1.000 und 6.000 Euro fällig. Die Sanktionen für einen Abbau ohne Ermächtigung liegen zwischen 3.200 und 25.000 Euro – und stünden damit nicht in Relation zum tatsächlichen Wert des Materials.
„Wir fordern daher eine Strafzahlung, die sich an den abgebauten Kubikmetern richtet“, so Josef Oberhofer, Präsident des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz. Ähnlich kritisch werden die Bestimmungen zu den Kautionen gesehen. Diese werden nur alle zehn Jahre an den ISTAT-Index angepasst. Ein Rechenbeispiel: 100.000 Euro haben nach neun Jahren bei einer Inflation von 6 Prozent nur mehr einen Wert von 46.000 Euro. Die Kosten für die Wiederherstellungsmaßnahmen werden hingegen Jahr für Jahr teurer.
Zudem werde durch den Abbau von Sand, Schotter und Gestein einerseits das Landschaftsbild beeinträchtigt und andererseits die Bevölkerung über einen längeren Zeitraum einer Lärmbelastung ausgesetzt: „Dass bei einer Laufzeit von 20 Jahren (plus weitere sechs Jahre Verlängerung) das Landschaftsbild beeinträchtigt wird, liegt auf der Hand. Mobile Anlagen zur Verarbeitung des Materials und Infrastrukturen brauchen außerdem keine besondere Genehmigung.“
Der Befürchtung der Umweltverbände steht das Versprechen gegenüber, dass es in Zukunft weniger Abbaustandorte geben soll. Das Motto laute, nur mehr so viel wie nötig und so wenig wie möglich abzubauen. Damit sollen die Spekulation und die Hortung von Gruben in Zukunft vermieden werden. Rohrer fragt sich, wer den „notwendigen“ Bedarf definiert.
Ein Blick auf die Zahlen der Jahre 2015 bis 2021 zeigt, dass 73 Ansuchen für neue Abbaustellen eingereicht und 109 Abbaustellen geschlossen wurden. Die Anzahl der Abbaustandorte ist in den letzten fünf Jahren von 130 auf 107 gesunken. Wird ein Verfahren für eine neue Abbaustelle eingeleitet, müssen die Gemeinden das laut dem vorliegenden Gesetzesentwurf auf ihrer digitalen Amtstafel veröffentlichen. Zuvor wurde das nur auf der kaum bekannten Website der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz öffentlich gemacht.