Infrastrukturen und Gesellschaft
Im September 2015 wurde auf der Tagung der Internationalen Gesellschaft für historische Alpenforschung (IGHA) zum Thema Transit referiert. Es ging um Infrastrukturen und Gesellschaft in den Alpen von der Antike bis heute. Die Referate sind nun Teil des aktuellen Heftes, sie zeigen Strategien auf, „die ins Werk gesetzt wurden, um die Gebirgskette zu überwinden.“
Der Blick ist auf Transit gerichtet, auf materielle wie immaterielle Aspekte der Verkehrsinfrastruktur. Im Fokus steht auch die Auseinandersetzung mit Planungs- und Arbeitsabläufen, Investitionen, technischen Möglichkeiten und Akteuren. Zugleich werden aber auch die Rückwirkungen des Transits auf den regionalen Raum und das Wechselspiel von lokalen Vorstellungen und Anstößen von außen einbezogen.
Seit den 1970er Jahren ist die öffentliche Meinung besonders stark auf Umweltproblematiken gerichtet, die mit den transalpinen Verkehrsströmen und dem Ausbau der touristischen Infrastruktur – wie Skipisten und Aufstiegsanlagen – verbunden sind. Etwa bei groß angelegten Verkehrsprojekten, wo es nicht überrascht, „dass die Zweckmäßigkeit eines neuen Bauvorhabens häufig sehr kontrovers beurteilt wird“.
In Magdalena Pernolds Beitrag über Die Brennerautobahn als Infrastruktur für Verkehr und Transit. Zur Entgrenzung geografischer Verkehrsräume im Zeitraum ihrer Realisierung verschiebt sich die Blickrichtung thematisch und methodisch, indem sie die Realisierung dieser international bedeutsamen Transitstrecke diskursanalytisch untersucht.
Ab den 1950er Jahren begann man von dem Vorhaben zu sprechen. Zwei mögliche Trassen standen einander gegenüber: Die eine verlief durch das Eisacktal, die andere favorisierte eine Verbindung über das Passeiertal und Meran.
In der ersten Phase dominierten im öffentlichen Meinungsbild Themen wie „der erwartete Modernisierungseffekt und die wirtschaftspolitische Bedeutung dieser Infrastrukturmaßnahme“, aber – vor allem aus der Sicht Österreichs, das sich geopolitisch in einer schwierigen Lage befand – auch die Frage, „ob die neue Verkehrsverbindung das europäische Projekt zu stärken vermochte.“
Obwohl die Zeit am Übergang von den 1950er zu den 1960er Jahren von massiven politischen Spannungen in Zusammenhang mit der Südtirolfrage geprägt war, wurde das Autobahnprojekt über den Brenner nie unterbrochen. Abgesehen von einigen wenigen Gegenstimmen, verlagerte sich die Debatte in dieser Zeit hin zur Frage der Streckenführung zwischen dem Brenner und Bozen.
Mit dem Schwerpunkt auf historischen Dynamiken von Verkehrs- und Infrastrukturmaßnahmen, dem Zusammenspiel und der Wechselwirkung von Durchquerungen, lokalen Gegebenheiten und Austauschbeziehungen mit dem Umland rückt die Perspektive auf die „gelebten Alpen“ als historische Erfahrungswelten in den Vordergrund.