Società | Landtag

Direkte Kleptomanie

Bei der Landtagsdebatte um die Direkte Demokratie machte sich unter den Zuschauern auch einen neue (Un)kultur bemerkbar. Die Verwaltung musste jetzt reagieren.
Landtag Direkte Demokratie
Foto: Facebook/Initiative für mehr Demokratie
Die Rollen sind klar verteilt.
Im Saal sitzen die Vertreter der klassischen parlamentarischen Demokratie. Auf der Tribüne eine Gruppe von Menschen, die ein anderes politisches System befürworten. Auf beiden Seiten werden dabei unterschiedlichste Schnittmengen sichtbar.
Seit drei Tagen läuft im Südtiroler Landtag die kontroverse Debatte zum überparteilichen Gesetzentwurf „Direkte Demokratie, Partizipation und politische Bildung“. Dass dabei durchaus zwei verschiedene Welten und Geistesrichtungen aufeinanderprallen, wird in diesen Tagen mehrmals deutlich.
Selten einmal hat man so viele Zuschauer und Zuhörerinnen im Landtag erlebt. Es liegt am Thema und am persönlichen Engagement vieler der Zuseher für die Bürgerbeteiligung. Allein ihre Anwesenheit soll eine kritische Mahnung an die Volksvertreter sein.
 

Die Zwischenrufe

 
Wer ein System grundlegend ändern will, der tut sich natürlich schwer, die Spielregeln dieses Systems anzuerkennen. Auch das zeigten die vergangenen Tage.
Wie in allen Parlamenten dieser Welt sind auch im Südtiroler Landtag Meinungsäußerungen, Zwischenrufe oder Beifallbekundungen von der Besuchertribüne strengstens untersagt. Doch um dieses Verbot scherten sich ein Teil der Zuseherinnen und Zuhörer im Landtag bewusst nicht. Demonstrativ gab es immer wieder Zwischenrufe, kollektive Missfallensbekundungen und Beifall von der Zuschauertribüne. Dutzende Male versuchte Landtagspräsident Roberto Bizzo durch Ordnungsrufe und Hinweise auf die Geschäftsordnung die engagierten Besucher zu disziplinieren. Ergebnislos. Am Mittwoch kurz vor 16 Uhr brandet kurz nach der Endabstimmung zum Gesetz der letzte Applaus von der Besuchertribüne auf. Begleitet von Bizzos Ordnungsruf.
Bis hierher ist ein nettes verkraftbares Spiel. Der Landtag und seine Abgeordneten dürften und sollten die sanften Provokationen der Bürgerinnen und Bürger überleben.
 
Wäre es gleichzeitig in diesen Tagen rund um die Besuchertribüne des Landtages zu Vorfällen gekommen, die nicht nur eine schlechte Kinderstube zeigen, sondern auch eine Auffassung von Bürgerbeteiligung vor der man durchaus Angst bekommen kann.
 

Kopien und Brote

 
Wer seit Mittwoch den ersten Stock des Landtagsgebäudes betritt, dem fallen mehrere ausgehängte Zettel ins Auge. Verfasst von der Landtagsverwaltung.
 
„Achtung!
Nach den Vorkommnissen der letzten Tage, sehen wir uns gezwungen, darauf hinzuweisen, dass das Fotokopiergerät als Arbeitsinstrument ausschließlich den Mitarbeitern des Südtiroler Landtages zur Verfügung steht. Demzufolge ist es nicht befugten Personen strengstens untersagt das Fotokopiergerät zu benutzen!“
 
Was war passiert?
Neben dem Eingang zur Zuschauertribüne steht im Landtag eine Fotokopiermaschine. Dort überraschte eine Bedienstete des Landtages einen Besucher beim Kopieren. Als die Angestellte dem Mann erklärte, dass das verboten sei, rechtfertigte er sich, es sei nur eine Kopie gewesen und entfernte sich. Doch zehn Minuten später erwischte die Beamtin denselben Besucher, wie er seelenruhig weiterkopierte.
Deshalb hat man jetzt auf die Einfangsfront den Zettel geklebt. Dazu kommt ein zweiter amtlicher Hinweis.
Jährlich besuchen rund 3.000 Schülerinnen und Schüler oder Studenten den Landtag. Ihnen wird zur Führung auch ein belegtes Brot und eine Glas Saft spendiert. Auch am Dienstag war eine Studentengruppe zu Besuch. Für diese wurden die obligaten Brote hergerichtet.
 
Aber auch hier haben am Dienstag einige Basisdemokraten ihre sonderbare Art von Bürgerbeteiligung in die Praxis umgesetzt. Sie bedienten sich an den Broten und Getränken kurzerhand selbst.
Deshalb musste man jetzt ein Zettel anbringen, „dass die belegten Brote und Getränke ausschließlich für die Studentinnen und Studenten bestimmt sind“.
Eine Bagatelle? Vielleicht.
Gleichzeitig zeigt der Vorfall aber auch, dass so manchem Schreier der Unterschied zwischen direkter Demokratie und Selbstbedienung nicht ganz klar ist.