Cultura | Salto Afternoon

Die fabelhafte Welt auf DIN A4

Dem zeichnerischen Schaffenswerk der im vergangenen Jahr verstorbenen Künstlerin und Journalistin Lisa Ponti würdigt "KunstMeran" eine liebevolle Ausstellung.
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Foto: Salto.bz

„Ihre Zeichnungen sind wie ein Pfeil auf ein Ziel gerichtet, wobei aber nicht die Zielscheibe im Fokus steht, sondern die Flugbahn des Pfeils nach dem Abschuss“, umschreibt der Sohn von Lisa Ponti, Salvatore Licitra, das Wesentliche in den Kunstwerken seiner Mutter. Als Mitkurator (neben Christiane Rekade und Massimo Martignoni) stellt er Pontis Arbeiten bis 17. Januar 2021 unter dem Titel: Lisa Ponti …così il disegno sa dove atterrare im ersten Stock von KunstMeran aus.


Als erstes Kind des berühmten Architekten und Designers Gio Ponti wurde Lisa Ponti 1922 in Mailand geboren. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in verschiedenen Häusern von Gio Ponti. Im Jahr 1950 – nach ihrer Heirat mit Luigi Licitra – zog sie in das erste und Mitte der 1920er Jahre errichtete Wohnhaus ihres Vaters, in die Via Randaccio in Mailand. Das Familienhaus wurde zum Treffpunkt für Architekt*innen, Künstler*innen, Autor*innen und Intellektuelle. 
Wenige Jahre vorher veröffentlichte sie mit nicht einmal 19 Jahren ihren ersten Artikel in der Zeitschrift Stile, die ihr Vater 1941 gegründet hatte. Im gleichen Jahr brachte sie – sozusagen als Weihnachtsgeschenk für den Vater – ihr erstes Buch in Umlauf, mit Gedichten und Zeichnungen befreundeter Künstler*innen. Ein weiteres Buch – eine Sammlung selbst erfundener Kindergeschichten – erschien im Jahr 1946.

 

Bekannt wurde Lisa Ponti vor allem als Redakteurin der bekannten Zeitschrift Domus, wo sie bis 1979 Hauptredakteurin war und vor allem für den Kunstteil verantwortlich zeichnete. Insbesondere widmete sie sich in ihren Artikeln den Vertretern der Arte Povera, dem internationalen Kunstschaffen, der Konzeptkunst, der Fotografie bis hin zur Performance. Natürlich auch der Architektur. Im Jahr 1990 publizierte sie eine Monografie zum Werk ihres Vaters. Nur zwei Jahre später – mit 70 Jahren – zeigte sie ihre eigene Kunst in einer ersten Einzelausstellung.
Dass Lisa Ponti ihre Zeichnungen ausschließlich auf A4-Blättern realisierte, kommentierte die Künstlerin einst mit folgenden Worten, die auch sinnstiftend für den Meraner Ausstellungstitel gewesen sind: „Es ist gut, immer das gleiche Blattgröße zu verwenden, so wissen die Zeichnungen, wo sie landen können“  


Ihr sehr ursprünglicher und direkter Stil wird durch sehr bewegte Striche und mit einer Vorliebe für den Zirkel und das Kreisrunde bestimmt. Neben dem Bleistift bevorzugte Ponti manchmal sogar den Farbstift, bezog das Aquarell oder die Collage in die Komposition mit ein. „Es sind Gedankenfragmente, spontane Gedichte...“ kommentiert Salvatore Licitra, der sich um das Archiv von Gio Ponti und Lisa Ponti kümmert, die zeichnerische Ausdrucksweise seiner Mutter: „In der Ausstellung sind auch Zeichnungen zu sehen, die sie ein Leben lang begleitet haben.“

Mit poetischem Strich und einer „zurückhaltenden Eleganz“ versprühen Lisa Pontis Zeichnungen jede Menge feinen Humor und man würde am liebsten als Kopiermaschine durch ihre Ausstellung fahren, die Einstellung DIN-A4 festlegen, auf den Start-Button drücken und fast jede der ausgestellten Zeichnungen als Andenken kopieren.