Società | Sprache

Nicht leicht, aber lohnend

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund leben auch außerhalb städtischer Zentren in Südtirol. Wie die Täler damit umgehen, zeigt das Beispiel Sand in Taufers.
basteln.jpg
Foto: Taylor Heery on Unsplash
Wie viele Kinder und Jugendliche in einer Südtiroler Schulklasse nichtdeutscher Muttersprache sind, hängt auch von der Ortschaft ab, in der sich die Schule befindet. Laut ASTAT lebt die ausländische Bevölkerung vorzugsweise in den Städten, dadurch ist der Anteil der jungen Menschen mit Migrationshintergrund an den schulischen Einrichtungen dort höher.
 
 

Die Situation in den Tälern

 
Im Schuljahr 2019/20 gingen 70 Prozent der ausländischen Kinder und Jugendlichen in Bozen, in der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt und in Überetsch-Südtiroler Unterland in die Grund- oder Mittelschule. Dort liegen auch die meisten Gemeinden städtischer Größenordnung. Demgegenüber leben Menschen mit Migrationshintergrund weniger in Bezirken, deren Ortschaften ländlichen Charakter haben. Doch auch in Schulen ländlicher Gemeinden steigt die Vielfalt an Sprachen und Kulturen. „Im Vergleich zu den Städten ist die Situation natürlich anders, die meisten Kindern bei uns sind deutscher Muttersprache. Circa fünf bis zehn Prozent der Kinder haben Migrationshintergrund“, erklärt die Direktorin des Schulzentrums Sand in Taufers, Elisabeth Brugger.
 
 
Ihr Schulzentrum umfasst die fünf Grundschulen in Sand in Taufers, Ahornach, Rein in Taufers, Mühlwald und Lappach sowie eine Mittelschule und eine Oberschule mit zwei Fachrichtungen in dem Hauptort Sand in Taufers. Insgesamt leben in den Gemeinden Sand in Taufers und Mühlwald im Ahrntal rund 7.100 Menschen.
„In den Dörfern wie Rein, Ahornach oder Lappach gibt es nur einzelne Kinder, die nicht deutscher Muttersprache sind“, so Brugger. In den anderen Schulen werden es hingegen mehr, da einige Betriebe in der Gemeinde auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen sind. „Die Kinder mit Migrationshintergrund erhalten einen individuellen Bildungsplan und werden dementsprechend in differenziertem Ausmaß gefördert. Hier ist es sehr wichtig, in dem Fach Deutsch als Zweitsprache (DAZ) gut ausgebildete Lehrpersonen zur Verfügung zu haben.“ Je nach Anzahl der Schüler:innen mit anderen Muttersprachen wird dem Schulzentrum eine bestimmte DAZ-Stundenanzahl zugewiesen.
 
 
Es gebe laut Brugger keine Ängste vonseiten der Eltern, dass durch ausländische Kinder und Jugendliche das Unterrichtsniveau sinke. „Die Eltern wissen, dass wir einen individualisierten Unterricht anbieten. Ich kann mir vorstellen, dass es solche Ängste in städtischen Schulen gibt, aber in unserem Fall kann ich das nicht bestätigen.“
Um den Schüler:innen mit Migrationshintergrund den Deutsch-Spracherwerb zu erleichtern, sei es laut der Direktorin des Schulzentrums in Sand in Taufers wichtig, noch mehr das Elternhaus miteinzubeziehen. „Die Eltern sind Vorbilder für die Kinder, deshalb streben wir das Ziel an, ihnen im nächsten Jahr Deutschkurse anzubieten.“ Außerdem wäre die Erhöhung der DAZ-Stunden für die Schüler:innen selbst hilfreich. „Das hängt vom Stellenplan ab. Aufgrund der begrenzten Ressourcen der Bildungsdirektion erhalten wir bereits das höchstmögliche Ausmaß, aber es gibt bestimmte Grenzen.“ Denn nicht nur Deutsch als Zweitsprache muss finanziert werden, sondern auch Kinder mit bestimmten Verhaltensauffälligkeiten, Lernschwierigkeiten oder Begabungen brauchen besondere Unterstützung.
 
 
„Der Dialekt ist eine zweite Herausforderung für die Kinder mit Migrationshintergrund, den sie in der Pause und im Umfeld hören. Wenn Kinder aus dem Kindergarten kommen, ist Hochdeutsch im Unterricht teilweise wie eine Zweitsprache“, so Brugger. „Der Dialekt spielt vor allem bei der Inklusion der Kinder eine wichtige Rolle. Sie wollen beim Spielen gleich wie die Anderen sein und bemühen sich somit, auch den Dialekt zu erlenen. Das ist komplex und schwierig für sie.“
Auch im Pustertal kennt man die Problematik. Stephan Oberrauch, Direktor des Schulsprengels Bruneck II, erklärt: „Wir starten im heurigen Schuljahr in der Grund- und Mittelschule einen umfassenden Prozess im Bereich Unterrichtsentwicklung, in dem das Thema Sprache eine bedeutende Rolle spielen wird.“ Mehr dazu will der Direktor zu Deutschkenntnissen in seinen Grund- und Mittelschulen im Moment nicht sagen.
 

Das Fazit

 
Zieht man die Leistungen der Schüler:innen mit Migrationshintergrund heran, zeigt sich, dass es ihnen nicht immer leichtfällt, den schulischen Leistungsanforderungen zu entsprechen: Laut ASTAT waren im Schuljahr 2019/20 die Durchfallquoten an den Südtiroler Mittelschulen bei ausländischen Schüler:innen höher als bei den inländischen: Von den Schüler:innen mit italienischer Staatsbürgerschaft wurden insgesamt 1,2 Prozent nicht versetzt, die Quote derjenigen mit Migrationshintergrund beträgt 5,6 Prozent.
Auch David Augscheller, Direktor des Schulsprengels Bozen/Europa in Don Bosco, weiß um die Komplexität der Mehrsprachigkeit, die viele seiner Schüler:innen betrifft. Gleichzeitig fördere das Lernen verschiedener Sprachen in der Kindheit und Jugend die kognitive Entwicklung.
„Forscher:innen behaupten sogar, dass der Dialekt gepflegt werden müsste. Denn auch das Wechseln vom Dialekt in die hochdeutsche Sprache kann zu diesem Prozess führen“, so Augscheller. Ebenso die Direktorin des Schulsprengels Meran/Stadt, Dagmar Morandell, argumentierte im Gespräch mit salto.bz in diese Richtung und betont: „Die Mehrsprachigkeitsdidaktik sieht jede einzelne Sprache, die ein Mensch beherrscht, als wertvolle Ressource.“