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“Wir sind unserem Gott furzegal”

Er glaubt an das Fliegende Spaghettimonster und setzt sich für Toleranz und gegen Diskriminierung ein: Erpi Bruno ist Mitgründer der italienischen Pastafari-Kirche.
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WWAPD? What Would A Pirate Do?
Was würde ein Pirat tun? Diese Frage steht über allem im Leben eines Pastafaris. Er verehrt das Fliegende Spaghettimonster, glaubt daran, dass es die Welt erschaffen hat. Und im Pastafari-Paradies warten ein Biervulkan und eine Stripper- und Stripperinnen-Fabrik.
Die Anhänger wandeln mit einem Nudelsieb auf dem Kopf umher, bisweilen sind sie auch als Piraten unterwegs.
Was wie ein Spaß klingt, ist für Erpi Bruno alles andere als das. Er ist Bischof, “Frescovo” von Brixen, sein Pastafari-Name lautet “Fra Bernardo de la Fiasca”. Er hat die italienische Kirche des Heiligen Spaghettimonsters mit gegründet, ist Mitglied des “Erektionsteams” und “Ritter des Pastafari-Tempelordens”. “Es handelt sich dabei um selbsternannte Titel – genauso wie jene anderer Religionen”, präzisiert der überzeugte Pastafari.

 

 

salto.bz: Für die, die es nicht wissen: Was ist der Pastafarianismus?

Erpi Bruno: Der Pastafarianismus ist eine ernst zu nehmende Religion.

 

Tatsächlich? Man könnte meinen, es sei Satire, eine Parodie!

Wir sind weder als Parodie, oder Satire zu verstehen, sondern eine Religion wie jede andere, auch wenn wir von außen etwas “abstrus” erscheinen mögen. Wir wollen jedoch zeigen, dass eigentlich alle Religionen von außen betrachtet “bizarr” erscheinen.

 

Wir sind eine Plus/Minus-Religion und das garantiert uns, dass niemand aus unseren Reihen einen anderen erschlägt, nur weil er/x/sie ein Querdenker ist.

 

Wie hat es mit den Pastafaris angefangen?

Unsere Religion wurde uns von unserem Profeten Bobby Henderson in einem Brief offenbart, der an den Schulaufsichtsrat von Kansas erging.

 

Worum ging es in dem Brief?

Er wollte die Wiedereinführung des Kreationismus als Unterrichtsgegenstand abwehren. Der Pastafarianismus ist eine Religion der Toleranz, die auf die Freuden des Lebens gründet. Was uns zum Kampf bewegt sind lediglich intolerantes Verhalten und Diskriminierung jeglicher Form.

 

Fühlen Sie sich auch diskriminiert? Immerhin ist die Chiesa Pastafariana Italiana in Italien (noch) keine anerkannte Religionsgemeinschaft – anders als zum Beispiel in Neuseeland, wo die Spagetthimonster-Kirche seit 2015 sogar kirchliche Trauungen durchführen darf.

Wir kämpfen um das Recht, als Religion anerkannt zu werden und um den Zugang zur Mandatssteuer. Eigentlich sind wir Pastafari gegen jegliche öffentliche Beitragsform für Religionen, aber da einige dieses Privileg nutzen dürfen, muss entweder diese Vereinbarung revidiert werden, oder wir wollen auch Beute machen.

 

À propos Beute: Was hat es mit den Piraten auf sich?

Die Piraten sind das erlesene Volk. Das sagen die Heiligen Schriften. Sie waren eine demokratische und paritäre Gesellschaft, die ihre Beute auf alle gleichmäßig aufteilte.

 

 

Warum sind Sie zum Pastafarianismus konvertiert?

Die Themen der Religion haben mich immer schon fasziniert, sie haben mich aber nie befriedigt. Eines Tages habe ich über diese “besondere” Religion gelesen und … ich habe das Licht gesehen! Ich habe die acht “Am Liebsten Wäre Mirs…”-Gebote gelesen und mich sofort zum Pastafarianismus bekannt.

 

Die acht “Am Liebsten Wäre Mirs…”-Gebote? So wie die zehn Gebote der katholischen Kirche?

Die acht “Am Liebsten Wäre Mirs…” sind grundlegende und schwammige Gebote, auf die sich ein Pastafari moralisch festlegt. Sie wurden unserem Profeten, Kapitän Mosey, direkt vom Heiligen Spaghettimonster diktiert, als er auf dem Saucenberg herumschlenderte. Dem Glauben nach waren die acht “Am Liebsten Wäre Mirs…”-Tafeln eigentlich zehn, aber der Kapitän muss wohl so betrunken gewesen sein, dass er auf dem Weg zu seinem Boot zwei davon verlor. Das ist wohl mitunter der Grund, weshalb wir Pastafari nach einem eher flexiblen moralischen Kodex leben.

 

Es gibt also keine strengen Vorgaben für ein “gutes Leben”?

Bei uns gibt es keine Dogmen, nein. Unsere vielleicht einzige Tugend ist die Toleranz. Wir sind so flexibel, dass wir von uns behaupten können, keine genauen Regeln zu haben. Selbst unsere Gebote sind eher als Orientierung zu verstehen und sehr schwabbelig. Es sollten ja zehn sein, aber wir können uns nur an acht erinnern – und auch darüber sind wir uns nicht eins. Um es anders auszudrücken, sind wir eine Plus/Minus-Religion und das garantiert uns, dass niemand aus unseren Reihen einen anderen erschlägt, nur weil er/x/sie ein Querdenker ist.

 

 

Woran glauben die Anhänger des Fliegenden Spagettimonsters eigentlich?

Wir glauben an eine übermenschliche Gottheit, die die Welt in einem besoffenen Zustand erschaffen hat. Daher kommt die Unvollkommenheit des Universums und des Menschen.

 

Ist das ein absolutes Credo?

Keineswegs! Denn vor allem glauben wir an die Wissenschaft, die trotz allem und bis dato die Tatsache nicht widerlegen konnte, dass unser Gott in einer mit Fleischklößchen besetzten fliegenden Spaghettiwolke schwebt. Eine unserer Eigenschaften ist es nämlich, unseren Glauben immer hinter die Wissenschaft zu setzen. Wir sind immer bereit, eine unserer Glaubensweisheiten aufzugeben, sobald sie wissenschaftlich widerlegt wird!

 

Also recht flexibel…

Wir würden beispielsweise akzeptieren, dass unser Gott aus Fusilli und nicht aus Spaghetti gemacht ist, wenn wir einen wissenschaftlichen Beweis erhalten. Die Wissenschaft hat den Vorrang, und wir machen uns keinen Hehl daraus, dies auch zu akzeptieren.

 

 

Sollte man einem Pastafari auf der Straße oder sonstwo begegnen – woran erkennt man ihn?

Ein Pastafari, der die acht “Am Liebsten Wäre Mirs…”-Gebote befolgt, erkennt man an seiner Fähigkeit, offen zu sein für andere Werte und Ideen. Außerdem trägt er/x/sie zu allen festlichen Anlässen ein Nudelsieb als Kopfbedeckung. Und in Restaurants fragt ein Pastafari immer nach, ob ja kein Pinguinfleisch verwendet wird. Bei uns gibt es keine verbotenen Speisen, nur Pinguinfleisch ist tabu.

 

Das heißt, ein Pastafari kann ruhigen Gewissens einen Teller Pasta essen?

Ja selbstverständlich darf er das! Den eigenen Gott zu verspeisen ist eine Sache des Mainstreams auch für obsolete Religionen. Außerdem können wir ihn selbst kochen und nach Belieben würzen. Ein Beweis für die Gültigkeit unserer Religion ist, dass ein Pastafari, wenn er jeden Tag ALLEIN seinen eigenen Gott isst, gesund und länger lebt als beispielsweise ein Christ, der eine Hostie täglich “verspeist”.

 

Wir sind innerlich überzeugt, dass – früher oder später – alle erkennen, im tiefsten Inneren Pastafari zu sein.

 

Wird das Essen besonders zelebriert?

Jedes Mahl ist für uns ein religiöser Akt. Wir beten, wenn wir etwas essen – und nicht nur Nudeln, da für unsere Religion alles Essen sich in eine “Spaghetti” verwandelt. Wir nennen dieses Wunder “Transsubstantiation des Tortellino”.

 

Welche religiösen Rituale gibt es im Pastafarianismus noch?

Andere Rituale sind die Nudeltaufe, die Letzte Ölung (wenn man Carbonara-Nudeln mit den Händen isst), die Nudelehe und andere Sakramente.
Da wir eine moderne Religion sind, die technisch und wissenschaftlich avanciert ist, gibt es bei uns die Telesakralisierung.

 

Die was?

Die Telesakralisierung erlaubt uns, Sakramente auch per E-Mail, Twitter, Facebook usw. zu verschicken. Wir sind die einzige Religion die das kann, auch wenn die ausgedienten Religionen aufholen wollen. Papst Franziskus hat jüngst in einer Nachahmaktion einen Jungen über ein Bild am Handy gesegnet. Aber die da stecken noch in den Kinderschuhen.

 

 

Wie leben Sie Ihre Religion?

Wie eine tägliche Herausforderung, um den acht “Am Liebsten Wäre Mirs…”-Geboten treu zu bleiben. Und eines kann ich sagen: In Zeiten wie diesen ist das nicht immer eine leichte Sache.

 

Was haltet ihr von Politik? Seid ihr politisch?

Wir sind absolut unparteiisch, aber nicht weltfremd. Wir starten Kampagnen, wo es um soziale Rechte geht. Als Pastafari unterstützen wir die LGBT in ihrem Kampf um die Anerkennung ihrer Rechte. Denn wir sagen: Die Rechte stehen entweder allen zu, oder sind sonst Privilegien. Wir unterstützen Verbände wie “Luca Coscioni” im Kampf um die Patientenverfügung und die Sterbebeihilfe. Unsere jüngste Kampagne richtet sich gegen das Blasphemieverbot: Unser Gott ist nicht beleidigt, wenn wir ihn beschimpfen. Wir sind ihm ja furzegal. Und zudem ist er als Gott ja in der Lage, sich selbst zu verteidigen, ohne Gesetze.

 

Wie viele Anhänger hat das Fliegende Spaghettimonster in Südtirol?

In Südtirol gibt es nur wenig Dutzende Symphatisanten, und noch weniger davon sind registriert. Aber wir machen keine Werbekampagnen, weil wir innerlich überzeugt sind, dass – früher oder später – alle erkennen, im tiefsten Inneren Pastafari zu sein.

 

Kommendes Wochenende steht ein besonderes Ereignis bevor. Was geschieht da in der Nähe von Brixen?

Vom 2. bis 4. Februar feiern wir unser Pastafari-Neujahr, das CapoDanno. Es gibt ernste Momente – circa eine Stunde am Tag –, wo diskutiert wird und wo es um den Verein geht. Aber es gibt auch lustige und festliche Momente – die restlichen 23 Stunden. Mit dabei sind wie immer unsere bezaubernde Päpstin und die höchsten “Pelati” der Kirche, die aus allen Regionen Italiens hierher strömen. Sogar aus Finnland kommt eine Delegierte der “International Pasta Foundation”.
Kann ich einen Appell an die Leser richten?

 

Bitte!

Werdet Pastafari! Wir sind die einzige share-ware Religion: Ihr könnt uns 30 Tage lang ausprobieren, ganz unverbindlich, und wenn sie euch nicht gefällt, geben wir euch eure Seele wie neu zurück. So als wäre sie nie benutzt worden!

 

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W. H. Ven, 02/02/2018 - 13:10

Das finde ich pure Fasnacht ohne jeglichen Hintergrund der auf einem Fundament aufbaut, ein unüberlegter Schnellschuss, nicht?
Was ich weiss, gibt es nur eine Wahrheit, und die soll verlässlich sein, wenn ein Gegenstand rot ist dann ist er rot und nicht grün usw. Was soll ich also in einer, sagen wir einmal in einer "Gemeinschaft oder Vordenkerschaft" welche auf Sand baut, ein kleines Beben und alles bricht in sich zusammen, ich lege Wert auf fundamentale Werte die sich in der Vergangenheit bewährt haben.
Mfg. W. H.

Ven, 02/02/2018 - 13:10 Collegamento permanente