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Die Hausaufgaben gemacht

Der FC Südtirol gewinnt das erste Playoff-Spiel gegen Reggina 1:0. In einem zerfahrenen Spiel setzte sich schlussendlich die bessere Mannschaft durch. Die Analyse.
Südtirol gg Reggina Odogwu
Foto: (c) Ufficio Stampa FCS - FotoSport Bordoni

Das erste Playoff-Spiel um den Aufstieg in die Serie A fand für den FC Südtirol vor heimischer Kulisse statt. Zu Gast war die Mannschaft aus Reggina um den ehemaligen Weltklassestürmer Filippo Inzaghi (inzwischen Trainer bei Reggina). DIe Ausgangslage war klar: Stände es nach 90 Minuten unentschieden, würde das Spiel in die Verlängerung gehen - wenn nach 120 Minuten dann immer noch niemand in Führung wäre, stiege der FCS auf und würde im nächsten Spiel auf Bari treffen.

 

Die Grundausrichtungen

 

Südtirol formierte sich im gewohnten 4-4-2, dabei rückte überraschend Cissé in die Startelf neben Odogwu, ebenso begann Fiordilino neben Tait auf der Doppel-Sechs, dafür rückte Belardinelli auf links. Reggina formierte sich - wie erwartet - im 3-5-2, das in den defensiven Momenten zu einem 5-3-2 wurde. Der wichtigste Spieler für die Gäste - sowohl im Spielaufba, als auch für den Übergang in die höheren Zonen des Spielfelds - war  Žan Majer. Er positionierte sich als zentraler Spieler im 3er-Mittelfeld am tiefsten, vor der eigenen Abwehrreihe. Majer band so gewissermaßen beide Südtiroler Stürmer; denn diese ließen sie die Verteidiger Regginas offen und konzentrierten sich in der ersten Pressingphase auf eben diesen Majer. Das kling zwar nach einer relativ simplen Aufgabe für das Südtiroler Sturmduo - war es aber nicht.

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Cissé konzentriert sich zu sehr auf Majer (in der Mitte), Cionek (am unteren Rand) hat nach dem Pass viel freien Raum vor sich, den er mit Ball am Fuß attackieren kann.

Besonders zu Beginn der Partie konzentrierten sich die Stürmer des FCS (v. a. Cissé) fast ausschließlich auf Majer. Dadurch konnten die äußeren Speler in der 3er-Aubaukette Regginas frei angespielt werden und dann mit Ball am Fß Fuß den offenen Halbraum vor sich attackieren. Vor allem über die halbrechte Seite konnte Cionek mit Ball weit aufrücken, ohne wirklich ernsthaft gestört zu werden. Nach einigen ungehinderten Ausflügen Cioneks änderte Cissé sein Verhalten (oder wurde entsprechend angewiesen) und ließ sich nun nicht mehr allzu weit weg vom offenen Halbraum locken. Erst, als Reggina mit Ball tief in die Südtiroler Hälfte gerückt war, verfolgte Cissé seinen Gegenspieler Majer wieder enger und konsequent mannorientiert.

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Reggina ist deses Mal über links vorgestoßen, Cissé ist dicht an Majer (rot hervorgehoben) dran.

CIssé leistete in der 1. Halbzeit ein enormes Pensum an Defensivarbeit: In der ersten Phase galt es, Zuspiele auf Majer zu verstellen, danach den Abstand zu Cionek zu verkürzen, um dann wiederum Majer mannorientiert zu verfolgen. Erschwerend kam noch hinzu, dass Cissés Sturmpartner, Odogwu, wie gewohnt nicht allzu viel defensiv arbeitet. Aber der Plan, CIssé gegen Majer spielen zu lassen, ging soweit auf: Denn selbst, wenn sich Cionek das ein oder andere Mal mit Ball am Fuß relativ frei bewegen konnte, so kam dabei nie etwas wirklich Gefährliches heraus. Der rechte Halbverteidiger Regginas schlug eine Flanke aus dem Halbfeld nach der nächsten - Südtirols Hintermannschaft hatte damit keinerlei Probleme.

 

Reggina defensiv

 

Die Pressingidee Filippo Inzaghis war jene, die Südtiroler im Spielaufbau zu Rückpässen auf den Torhüter zu drängen, um dann den anschließenden langen Ball in Überzahl zu verteidigen. Das gelang den Gästen dadurch, dass das 3er-Mittelfeld sehr mannorientiert nachschob, während die zwei Sturmspitzen meist den ersten Pass auf die Südtiroler Innenverteidiger zwar zuließen, den Ballführenden dann aber so anliefen, dass praktisch nur noch der Rückpass zu Torhüter Poluzzi möglich war.

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Reggina ebenfalls mannorientiert im höheren Pressing. Masiello spielte auf Torhüter Poluzzi zurück, der schlug dann meist den langen Ball.

 

Erfolgreiches Pressing bzw. die mangelnden Ideen im Spiel mit dem Ball führten also zu einer sehr zerfahrenen, oft wild und chaotisch wirkenden 1. Halbzeit.

 

Den Sieg eingewechselt?

 

Nach der Pause brachte Südtirols Trainer Bisoli Daniele Casiraghi für den ausgelaugten Cissé. Casiraghi rückte auf links, Rover auf eine Hybridposition zwischen zweiter Stürmer und Rechtsaußen, wobei zu Beginn der 2. Halbzeit nominell Fabian Tait dese Position bekleidete. Immer öfter stellten die Gastgeber in dieser Phase jedoch 4-3-3-Anordnungen her, Tait und Belardinelli neben dem tiefsten Spieler im zentralen Mittelfeld, Fiordilino, Rover auf rechts und Casiraghi auf links jeweils etwas höher.

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Der FCS in einer 4-3-3-Anordnung zu Beginn der 2. Halbzeit.

 

Das Spiel veränderte sich aber nur geringfügig. Majer hatte durch die nicht mehr so strikte Mannorientierung bei Südtirol oftmals etwas mehr Zeit und Raum, um das Spiel durchs Zentrum anzukurbeln, Reggina kam auch just in dieser Phase zu seiner größten Chance, als Canotto nach Doppelpass (zuvor war er von Majer durchs Zentrum angespielt worden) mit seinem Sturmpartner, Strelec, zuerst an Poluzzi, dann am Pfosten, scheiterte. Inzaghi wies danach seine Mannschaft an, ruhig zu bleiben, und spekulierte offenbar schon etwas auf die Verlängerung. Südtirol wurde in diesen Momenten besser, vermochte es, Taits Vertikalläufe besser einzubinden und kam schließlich in der 85. Minute durch einen abgefälschten Schuss von Casiraghi zum Torerfolg. Reggina war geschlagen, Inzaghi vermochte, nichts mehr auszurichten.

Für den FC Südtirol bedeutet dieser Sieg der Aufstieg ins Halbfinale der Playoffs, das erste Spiel (es wird ein Hin- und eine Rückspiel geben) findet bereits am Montag gegen Bari statt.

 

 

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Georg Markart Sab, 05/27/2023 - 14:02

Da ich ja seit über 20 Jahren bei jedem Heimspiel des FCS im Stadion bin und nach dem Spiel auch mir meine eigene Analyse mache, habe ich zur gestrigen obigen Spiel-Analyse folgendes anzumerken. 1. Es hat nicht die bessere Mannschaft gewonnen sondern die glücklichere (natürlich bin ich auch froh darüber) auch weil Reggina für über eine Stunde die bessere Mannschaft auf dem Feld war. 2. Cisse wurde nicht ausgetauscht weil er ausgelaugt war,sondern weil er die gelbe Karte erhalten hatte und rot gefährdet war,hier hat Bisoli seine Linie durchgezogen,auf Belardinelli( auch er gelb) konnte Bisoli nicht verzichten.Was ich nicht verstanden habe warum Bisoli Larrivey eingewechselt hat und nicht Carretta oder Mazzochi welche ein ganz anderes Laufpensum abwickeln,aber letztendlich hatte Bisoli alles richtig gemacht.

Sab, 05/27/2023 - 14:02 Collegamento permanente