Books | Interview

Der Tabu-Brecher

“Dass wir diese Gratwanderung ein Vierteljahrhundert durchgehalten haben, war nicht selbstverständlich”, sagt Gottfried Solderer anlässlich 25 Jahre Raetia-Verlag.
solderer-gottfried.jpg
Foto: edition raetia

Die Namen vieler bekannter Persönlichkeiten sind mit dem der Raetia verbunden: Von A wie wie Heinrich Abraham bis Z wie Joseph Zoderer haben weit über 200 Autorinnen und Autoren ihre Bücher im Raetia-Verlag herausgebracht. Ein Name jedoch ist unwiderruflich in die Geschichte des Verlagshauses eingebrannt. Ohne Gottfried Solderer würde es die “Edition Raetia”, wie der Verlag offiziell heißt, gar nicht geben – und vieles in der Südtiroler Literatur- und Kulturszene wäre nicht bewegt worden. Vor inzwischen 25 Jahren hat der gebürtige Lajener, langjährige Journalist und ehemalige Chefredakteur den Verlag gegründet. Heute, Freitag, steigt im Wasserkraftwerk Mühlbach die große Geburtstagsfeier. Unter dem Motto “Gegen den Strom – Controcorrente” werden ab 17.30 Uhr “25+5” Jahre gefeiert: 25 Jahre Edition Raetia und 5 Jahre Exlibris, jene Genossenschaft, die 2011 als Text- und Lektoratsbüro aus dem Verlag hervorging.
Im Interview spricht Gottfried Solderer über die Höhen und Tiefen des Verlagswesens, die Herausforderungen, denen sich die Raetia im vergangenen Vierteljahrhundert stellen musste und die Gegenwart, die die Arbeit des “grande editore”, wie Bozens Ex-Bürgermeister Luigi Spagnolli Solderer – “aufgrund meiner Körpergröße”, wie der Mittsechziger schmunzelnd gesteht – nennt, auch nicht immer einfach macht.

Herr Solderer, haben Sie 1991 damit gerechnet, dass Sie einmal 25 Jahre Raetia feiern werden?
Gottfried Solderer: Ich habe überhaupt nie daran gedacht, wie lange es gehen könnte. Sondern immer nur daran, dass es geht.

Einen Grund zum Feiern gibt es heute aber doch?
Sicher. In einem so kleinen Land wie Südtirol einen Verlag mit Qualitätsanspruch zu gründen, war eine große Herausforderung. Dass wir diese Gratwanderung 25 Jahre durchgehalten haben, war keine Selbstverständlichkeit. Und zu einem großen Teil den ehemaligen und heutigen Mitarbeitern zu verdanken, die mit großer Kompetenz und Freude den Laden am Laufen halten. Ohne sie wären wir nicht da, wo wir sind.

Was hat Sie damals dazu bewogen, einen Verlag aus der Taufe zu heben?
Ich war längere Zeit Journalist bei der RAI und dann 10 Jahre bei der ff, die ich mit gegründet hatte. Diese Lokalgeschichten wurden mir dann irgendwann zu eng und fad. Ich war damals 40 Jahre alt, und die ff nach 10 Jahren selbstständig, als ich gespürt habe, dass es etwas Neues braucht. Einen größeren Horizont und auch ein bisschen mehr Kontakt zur Kulturszene im Ausland. Deshalb die Verlagsgründung, die mir auch vom damaligen ff-Hauptgesellschafter Christoph Amonn nahegelegt wurde.

Mit unseren Büchern sind wir auch Botschafter im Ausland. Es gibt ja nicht nur Speck, Wein und Äpfel, die exportiert werden. Leider Gottes wird das oft zu wenig wahrgenommen.

Wie hat die Konkurrenz auf die Gründung der Raetia reagiert? Hat man sie als Bedrohung wahrgenommen?
Das müssen Sie die Konkurrenz fragen (lacht). Die Stimmung am Anfang war sehr verhalten, man hat uns sicher nicht gern gesehen. Das war schon bei der Gründung der ff so, doch bei der Raetia war es noch massiver. Es gab Startschwierigkeiten, ja. Aber: Der Buchhandel – und der liegt ja zu 80 Prozent in den Händen der Athesia – hat relativ schnell gemerkt, dass wir Titel hatten, mit denen er auch Geld verdient.

Welche Sorte Bücher waren das?
Es war ganz klar, dass Athesia gewisse Themen nicht besetzt hatte, zum Teil aus privaten, zum Teil aus ideologischen Gründen. Da gab es jede Menge Themen, vor allem im Bereich der Regionalgeschichte.

Wie ist es mit Raetia nach den “Startschwierigkeiten” weiter gegangen?
Am Anfang waren wir personell komplett unterbesetzt – wir waren zwei Leute. Aber bald schon haben wir 20 Titel oder mehr pro Jahr herausgegeben. Zum Glück hatten wir gute freie Mitarbeiter, die uns zum Teil auch unentgeltlich unterstützt haben. Langsam, langsam sind wir gewachsen, aber es war immer wieder notwendig, neue Gesellschafter an Land zu ziehen. Heute haben wir derer 70 – Freiberufler, Unternehmer, Künstler aus dem ganzen Land. Sie haben uns immer die Stange gehalten und trotz schwieriger Wirtschaftssituation in Südtirol haben wir auch stets neue Unterstützer gefunden. Andererseits konnten wir auf Autoren zählen, die zu uns gestanden sind – auch wenn es im Hinblick auf die Auszahlung der Honorarnoten nicht immer ganz einfach war.

Hat es neben finanziellen Sorgen auch andere Widrigkeiten gegeben?
Schwierig war von Anfang an auch die Lage – in Südtirol sind wir von vornherein geografisch benachteiligt. Das hat jetzt mit dem Heimatbund nichts zu tun, aber wir sind in dem Fall nicht Italien. Aber auch nicht Österreich oder Deutschland. Wir sind eine kleine Provinz mit 500.000 Einwohnern, vergleichbar mit einer Vorstadt von München. Wenn man ein Buch in deutscher Sprache herausgibt, dann kann man mit einem potentiellen Kundenstamm von 300.000 Personen rechnen. Davon lesen nur ein paar Prozent.

Deutschsprachige Leser gibt es nicht nur in Südtirol.
Aber der Standortnachteil wirkt sich aus. Das Auslandsgeschäft ist von hier aus enorm schwierig zu händeln. In Deutschland sind wir zwar als “kleiner, feiner Verlag im Süden der Alpen”, wie es einmal geheißen hat, bekannt. Aber die Wahrnehmung ist dann doch nicht so berauschend. Es ist heute ganz schwierig, in die Buchhandlungen großer Ketten hineinzukommen, wenn man nicht Autoren hat, die sehr gefragt sind. Zum Beispiel habe ich einmal bei Hubendubel in München nachgefragt, ob sie vom Frühwerk von Joseph Zoderer, das im Raetia-Verlag erschienen ist, ein Buch haben. Da hat es geheißen: “Wer ist das?” – und sie haben natürlich nichts eingekauft. Die Vertreter unseres Verlags in Deutschland werden zum Teil gar nicht zum Buchhandel vorgelassen. Also es ist doch sehr schwer, dort Fuß zu fassen. Wir generieren vielleicht 20 Prozent unseres Umsatzes im Ausland, nicht mehr. Der Markt beschränkt eher auf Südtirol und hier sind die Leser eben jene, die sie sind.

Den Namen Raetia habe ich gewählt, weil ich einen Begriff suchte, der für alle drei Sprachgruppen einigermaßen gut geht und der das Territorium beschreibt. Die Vorläufer in Südtirol waren ja die Räter.

Auch die Konkurrenz ist in Südtirol jene, die sie ist – wie einfach ist die Verlagstätigkeit in einem Umfeld, das mit Athesia von einem großen lokalen Verlagshaus dominiert wird?
Sicher, es gibt ein dominantes Verlagshaus in Südtirol. Da war von vornherein klar, dass man nicht gegen diesen Koloss – wenn man ihn so nennen will – ankämpfen soll, sondern sich Nischen suchen würde…

… und Themen, für die Anfang der 1990er die Zeit gekommen war, sie aufzugreifen, aufzuarbeiten und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen?
In jenen Jahren herrschte in Südtirol in allen Bereichen eine kulturelle Aufbruchsstimmung: Kunst, Literatur, Geschichtsforschung. Es war die Zeit, in der junge Historiker heranwuchsen und immer mehr auch heikle Themen untersuchten und erforschten. Da waren wir die ideale Plattform für ihre Veröffentlichungen. Wer schreibt, forscht und künstlerisch tätig ist braucht eine Plattform, damit er veröffentlicht wird und sich auch der Kritik stellen kann. Die haben wir geboten und an diesem Auftrag hat sich bis heute nichts geändert.

Welche Rolle spielte und spielt in dem Ganzen die Politik? Sowohl was den finanziellen Aspekt angeht, aber auch was die Anerkennung der Raetia in Südtirol betrifft?
Als Verlag wurden wir durch die Bank anerkannt. Alle Landesräte und -rätinnen, die es in der Zeit gegeben hat, haben unsere Arbeit geschätzt. Die finanziellen Mittel waren allerdings relativ beschränkt. Etwas, was uns als Verlag immer am Herzen lag, war, dass wir eine Direktförderung bekommen.

Ab 2017 ist es damit soweit – mit dem neuen Kulturgesetz wurde auch die Direktförderung für Verlage eingeführt. Was wird sich für Raetia dadurch ändern?
Bisher haben wir immer über Umwege für jedes einzelne Projekt ansuchen müssen, denn als GmbH durften wir nicht direkt ansuchen. Bis heute mussten wir jedes Mal einen Kulturverein finden und betteln, dass er für uns ansucht. Das bedeutete großen bürokratischen Aufwand und oft viel Überzeugungsarbeit, weil die Ansuchenden natürlich nicht mit jedem Titel einverstanden waren, den wir vorgeschlagen haben. Was einer Art indirekter Zensur gleichkam. Über die Kulturlandesräte – Zelger, Hosp, Kasslatter Mur und jetzt Achammer – haben wir versucht, ein Gesetz für die Direktförderung zu bekommen. Nur wäre es darüber hinaus wünschenswert, dass auch der Betrag entsprechend erhöht wird.

Wozu?
Es geht ja nicht um Raetia, sondern um die Kultur. Wir erfüllen einen Kulturauftrag im Sinne der Allgemeinheit. Ich vergleiche unsere Arbeit sehr oft mit der Arbeit von Architekten: Die Architekten bauen ein Haus für Menschen und wir bauen ein Haus für kulturelle Werte. Ohne diese kulturelle Arbeit würde vieles gar nicht passieren. Gerade in einem Land wie Südtirol, wo die Sprache eigentlich eine enorme Rolle spielen sollte, wäre eine Förderung der Kultur auch vonseiten der Privaten wirklich sinnvoll.

Und jene der öffentlichen Hand?
In den vergangen Jahren hat es relativ viele Beiträge von der Region gegeben, die jetzt aber fast völlig ausbleiben. Bei vier Gesuchen, die wir im heurigen April eingereicht haben, haben wir ganze 1.000 Euro bekommen. Früher waren es einmal 10.000 oder 15.000 Euro pro Titel. Bei der Stiftung Südtiroler Sparkasse suchen wir schon gar nicht mehr an. Beim letzten Ansuchen dort haben wir 350 Euro bekommen. Davon mussten wir dem für uns ansuchenden Südtiroler Kulturinstitut 150 Euro Bearbeitungsgebühr bezahlen. Der Betrag vom Land hingegen ist aufgestockt worden.

Die Stimmung am Anfang war sehr verhalten, man hat uns sicher nicht gern gesehen.

Trotzdem sind Sie skeptisch, dass es kleine Verlage wie der Ihre in Zukunft leichter haben wird?
Unser Wunsch ist, dass wir in Würde arbeiten können. Dieses Versprechen hat mir Landeshauptmann Kompatscher bei unserem letzten Gespräch gegeben und ich hoffe, dass er es auch einhält. Denn ohne Unterstützung der öffentlichen Hand sind unsere Kulturtitel nicht finanzierbar. Auch, weil die Gelder von privaten Sponsoren mehr oder weniger beim Wegbrechen sind. Ich habe zum Beispiel bei Alperia um ein Gespräch gebeten, wofür ich nicht einmal einen Termin bekommen habe. Und dann sehe ich, dass der Hockeyclub Bozen von ihnen gesponsert wird. Während das Sportsponsoring funktioniert – es ist natürlich auch öffentlichkeitswirksamer –, ist das Kultursponsoring für viele immer noch ein Tabu-Thema.

Abgesehen von der schwindenden finanziellen Unterstützung gibt es weitere Herausforderungen, denen sich Verlage in der heutigen Zeit stellen müssen. Man denke an die rasante Digitalisierung, den technologischen Fortschritt und das Internet. Bekommen Sie diese Entwicklungen zu spüren?
Die neuen Medien zum Beispiel haben dem Buch bisher nicht sehr geschadet. Der Trend zum E-Book hat eine Zeit lang angehalten, aber es gibt wieder sehr viele Leute, die “zurück” wollen oder beides benutzen. Der Tod des Buches ist bereits häufiger heraufbeschworen worden, etwa als das Taschenbuch auf den Markt und später das Fernsehen kam. Aber das Gegenteil ist passiert: Es werden immer mehr Bücher produziert.

…und dann kam Internet.
Natürlich bricht dadurch ein kleiner Prozentsatz weg, aber in Europa machen die digitalen Werke nicht mehr als 3 bis 4 Prozent aus. Raetia hat inzwischen selbst 50 E-Books und der Umsatz im Vergleich zum Buchhandel macht etwa 2 Prozent aus. Das Buch als solches wird nicht sterben. Den Zeitungen droht da mehr Gefahr.

Glauben Sie, dass der Siegeszug des Digitalen über das Papier – angesichts der einbrechenden Verkaufszahlen bei den Printmedien – anhalten wird?
Zeitungen werden ja heute schon zum Teil nur mehr digital produziert. Selbst bei der weltweit anerkannten großen New York Times wird überlegt, vollkommen auf das Papier zu verzichten. Ich glaube schon, dass man in diesem Bereich mit großen Problemen rechnen werden muss. Im Buchbereich ist die Gefahr nicht so groß.

Traditionelle Medien werden zunehmend auch an einer anderen Front infrage gestellt. Inzwischen versuchen sich viele Menschen selbst als Journalisten und eröffnen zum Beispiel Blogs. Werden die Medien, wie wir sie lange Zeit kannten, überflüssig?
Das ist eine Frage der Qualität. Ähnlich wie bei den Verlagen: Ein Verlag mit qualifiziertem Personal und einem qualifizierten Lektorat garantiert von vornherein Qualität. Wenn jemand privat veröffentlicht, dann sieht man ja oft, was passiert. Da findet zum Teil eine regelrechte Verluderung der Sprache statt. Ganz schlimm, was da teilweise veröffentlicht wird. Man sieht ja auch, was im Netz so alles an Kommentaren landet.

Welche Entwicklungen haben Sie als langjähriger Journalist und aufmerksamer Beobachter der Südtiroler Medienwelt im hiesigen Journalismus festgestellt?
Im Journalismus gelten für mich zwei Ansprüche: Vielfalt statt Einfalt und die Qualität sollte natürlich passen. Was wiederum ein sehr heikles Thema ist. Die Südtiroler Redaktionen sind durchwegs unterbesetzt, weil die finanziellen Mittel fehlen. Wenn der SPIEGEL zum Beispiel für eine Seite drei Redakteure beschäftigen kann, und die ff mit fünf Redakteuren jede Woche die ganze Zeitung machen, dann ist es ganz klar, dass man hier vor einer großen Herausforderung steht. Unter der die Qualität mitunter leiden muss. Aber anderseits: An Vielfalt ist in Südtirol schon was dazugekommen in den letzten zwei, drei Jahrzehnten. Insofern – das Monopol ist nicht gebrochen, aber es hat nicht mehr allein das Sagen.

Ich bin zwar seit fünf Jahren in Pension, weiß aber nicht, in welcher.

Eine für Sie bereichernde Vielfalt?
Ich bin der Meinung, dass man zumindest das, was bis jetzt entstanden ist, auf keinen Fall mehr in Frage stellen darf. Auch was salto anbelangt – ein aus meiner Sicht ganz wichtiges Medium, wie es die Tageszeitung und die ff sind. In unserer Sparte ist Folio, der kurz nach der Raetia gegründet wurde, ein ganz wichtiger Verlag für die lokale Kultur.

Wodurch zeichnen sich regionale Verlage aus?
Wenn man in der Provinz einen Verlag hat, kann das nichts anderes sein als eine Art Gemischtwarenhandlung. Man muss in praktisch allen Bereichen tätig sein, denn wenn man sich spezialisiert, wird das zu einseitig und unverkäuflich. Trotzdem hat Raetia eine Hauptschiene: die Zeitgeschichte. Das erste Buch, das wir herausgegeben waren, war ein Mountainbike-Führer von Oliver Renzler. Aber schon das zweite war 1992 “Feuernacht” – ein wichtiges Thema, das andere Verlage scheinbar nicht machen wollten. Zum ersten Mal haben die Beteiligten der Feuernacht damals geredet, in einer Sendung der RAI. Gerhard Mumelter, Elisabeth Baumgartner und Hans Mayr hatten für den Sender Bozen Interviews gemacht und im Radio ausgestrahlt. Ich habe dann gesagt, das wäre eigentlich tolles Material für ein Buch. Herausgekommen ist ein wirklich interessantes Projekt und mit 10.000 verkauften Exemplaren war das Buch sicherlich ein Bestseller in Südtirol.

Auf welche weiteren Werke sind Sie stolz?
Wir haben verschiedene Bücher zur Option herausgebracht. Auch da waren wir die einzigen, die das heiße Eisen angepackt haben. Ganz wichtig war für uns auch Franz Thaler, dessen Memoiren wir wieder aufgegriffen haben. Sein Buch war beinahe vergessen, wir haben dann zehn neue Auflagen herausgebracht. Im Bereich der Literatur war das Frühwerk in drei Bänden von Joseph Zoderer eines der wichtigsten. Wir versuchen in allen Bereichen nicht die “normale” Schiene zu fahren, auch wenn da zum Beispiel bei den Kochbüchern nicht mehr viel übrig bleibt, weil die Athesia fast alles abdeckt. Wir haben mit den Südtiroler Bäuerinnen ein Buch über Krapfen herausgebracht, ebenso wie eine Sammlung der besten Rezepte aus Südtirols Dorfkochbüchern. Wichtig ist auch der investigative Teil, wo “SELfservice” und “Bankomat” von Christoph Franceschini zu erwähnen sind. Beide Bücher sind bei vielen Lesern sehr gut angekommen. Wobei es auch dort eine Gratwanderung war, weil es sehr genauer Recherchen bedurfte und die Bücher gewisse Teile der öffentlichen Hand beziehungsweise der Bank angegriffen haben.

Davon haben Sie sich als Verlag nicht abschrecken lassen, die Bücher zu publizieren?
Nein, wir lassen uns prinzipiell nicht abschrecken. Wir versuchen stets so seriös als möglich zu arbeiten und sind uns der Verantwortung bewusst, die wir uns mit der Veröffentlichung solcher Bücher aufladen. Daher haben wir Kontrollinstanzen eingebaut. Bei beiden Büchern von Franceschini haben wir Rechtsanwälte konsultiert, die sie gelesen haben, Fachleute zu Rate gezogen.

Für ihre Arbeit ist die Raetia auch ausgezeichnet worden…
Preise haben wir im Lauf der Jahre mehrere bekommen, literarische, aber auch fachbezogene Preise wie im Themenbereich Berg. Und auch für Grafik und sonstiges. Einige Werke wurden auch in verschiedene Sprachen übersetzt.

Raetia hat sich ebenso die Förderung junger Autoren auf die Fahnen geschrieben.
Das haben wir im Bereich Literatur versucht. Zum Beispiel über die “Raetia club”-Reihe, die im Taschenbuchformat erschienen ist. Autoren, die noch nicht den hundertprozentigen Schliff hatten, bekamen die Möglichkeit, sich zu präsentieren und sich damit auch der Kritik zu stellen. Wenn ihre Sachen in der Schublade bleiben, dann nützen sie wenig. Eine unserer Entdeckungen ist Selma Mahlknecht, von der in Kürze ein neuer Roman erscheinen wird.

Wer schreibt, forscht und künstlerisch tätig ist braucht eine Plattform, damit er veröffentlicht wird und sich auch der Kritik stellen kann.

Es bleibt viel zu tun?
Es wird immer mehr. Ich bin zwar seit fünf Jahren in Pension, weiß aber nicht, in welcher (lacht).

Ihren Sinn für Humor haben Sie nicht zuletzt im Witzebüchlein “Hosch den schun keart?” bewiesen.
Dazu hat mich mein Freund, der berühmte und mittlerweile leider verstorbene Literaturkritiker Hellmuth Karasek inspiriert. Eines Tages hat er ein dickes Witzebuch herausgegeben. Da habe ich mir gedacht, wenn der große Literaturkritiker ein Witzebuch herausgibt, dann kann ich, kleiner Provinzverleger, mir das auch erlauben (lacht).

Wie sind Sie da vorgegangen?
Ich habe mich mit einem Tonband auf den Weg in die Gasthäuser gemacht, wo die Witze ja allesamt entstehen, und die Leute einfach reden lassen. Wobei in jedem Witz immer ein Körnchen Wahrheit steckt. Der Witz ist die Waffe des kleinen Mannes, auch in Diktaturen, wo nichts mehr gefürchtet wird als der Witz. Man merkt ja, wie Erdogan oder andere reagieren, wenn sie verhohnepipelt werden. Jemand, der wunderbar Witze erzählen kann, ist übrigens Arnold Schuler.

Welcher ist Ihr Lieblingswitz?
Ein netter: Als Josef Ratzinger als Papst in Pension geht, hat Gänswein, sein Sekretär, plötzlich viel Zeit. Eines Tages spaziert er durch den Vatikan und trifft auf einen Kardinalskollegen. Der sagt: “Jetzt, wo du viel Zeit hast, könnten wir wieder einmal in die Sauna.” Gänswein antwortet: “Klar! Wie schauts mit nächstem Mittwoch aus?” “Mittwoch geht nicht”, entgegnet der Kardinal, “da ist gemischte Sauna”. Daraufhin Gänswein: “Ach, wegen der paar Protestanten…” (lacht) Ah, da fällt mir noch einer ein…

Ja?
Die Nonsberger gelten gemeinhin als sehr sparsam. Eines Tages wird ein Mann beim Alto Adige vorstellig. Seine Ehefrau ist gestorben und er möchte eine Todesanzeige aufgeben. Ihm wird ein Formular ausgehändigt, auf das er den Text der Anzeige schreiben soll. Er schreibt: “Morta Marta.” Er bekommt zur Antwort: “Wir schalten keine Todesanzeige mit zwei Worten, es müssen mindestens fünf sein.” Der Mann überlegt, greift erneut zum Stift und schreibt: “Morta Marta. Vendo Panda blu.” (lacht)

Bild
Profile picture for user Oliver Renzler
Oliver Renzler Lun, 08/29/2016 - 18:52

He Gottfried! Von mir das erste Buch in deinem Verlag, aber keine Einladung zum 25jährigen!? Wie geht des? ;) Dazu fällt mir dieser ein:
Gottfried: „Oliver, sorry, aber irgendwie bin ich in letzter Zeit so vergesslich.“
Oliver: „Wie äußert sich das denn?“
Gottfried: „Was?“
Also! Bis zum 30er! :)

Lun, 08/29/2016 - 18:52 Collegamento permanente
Bild
Profile picture for user F. T.
F. T. Gio, 09/01/2016 - 19:02

Na ja, der Nonsberger Witz ist nicht mehr so frisch, aber da, wie man mir sagt, die Juden beim Konzil von Trient aus der Stadt verbannt wurden, und in den
Nonsberg flüchteten, passt er sicher gut. Aber als der Bepi, mit seinen 80 Jahren, aus dem Krankenhaus Trient wieder in sein Heimatdorf zurückkehrte, sass er aufder Bank vor dem Haus, und sein Freund der Giovanni fragte ihn aus. Wie geht es denn ? Ja, nicht ganz schlecht, aber ich bekomme nichts zu
essen. "Mittag ein Brodino mit Reis, abends ein brodino mit Nudel" "So che devo morire, ma mica affamato". Das ist kein Witz, ich habe es vernommen.

Gio, 09/01/2016 - 19:02 Collegamento permanente