PD
Foto: Partito Democratico
Politica | Partei ohne Visionen

Die Dauerkrise des Partito Democratico

Der PD scheint unfähig, einen Ausweg aus seiner Krise zu finden. Ein neuer Parteichef soll wieder Schwung in den verfahrenen Karren bringen. Ob das gelingt, ist fraglich

Die vom Tagblatt La stampa  gewählte Schlagzeile PD - cercasi traghettatore beleuchtet anschaulich die tiefe Krise des Partito Democratico. Dringend gesucht: ein Lotse, der die Partei in ruhigere Gewässer führen kann. Es darf allerdings bezweifelt werden, ob die Wahl eines neuen Steuermanns genügt, um das angeschlagene PD-Schiff von Enrico Letta wieder aufzurichten und seetüchtig zu machen.

Zu lang hat der Vorsitzende der wichtigsten Linkspartei der Halbinsel versucht, die Krise auszusitzen und die wesentlichen und wachsenden Probleme seiner Partei zu verdrängen. Nun wurde die ursprünglich für 12. März geplante Wahl der neuen Parteiführung auf 19. Februar vorverlegt. 

15 Jahre nach der Gründung der Partei durch Romano Prodi, Walter Veltroni und Arturo Parisi gleicht der PD einem orientierungslosen Schiff  in stürmischen Gewässern. Und jeder der Anwärter auf die Parteiführung weiss, dass die Führungsposition der angeschlagenen Partei einem Schleudersitz gleicht.  Zu den favorisierten Kandidaten für den Vorsitz gehört der Präsident der Region Emilia-Romagna, Stefano Bonaccini, der die Richtung vorgibt: "Torniamo ad essere un partito di combattimento.  Dobbiamo essere un punto di riferimento per la famiglia socialista e democratica europea". Doch das jüngste Wahlergebnis wiegt schwer, noch drastischer sind die aktuellen Umfragen: während der PD mit 17 Prozent deutlich unter die kritische Marke  von 20 abgerutscht ist, wurden Melonis Fratelli d´Italia mit 29 Prozent zur stärksten Partei der Halbinsel. Bonaccini legt den Finger in die Wunde: "Ci vorrà un' identità, innanzitutto. Un' opposizione che non è solo contro e sventola solamente lo spauracchio del fascismo contro il governo Meloni senza raccontare l'Italia che vorrebbe conta molto poco. Ci vogliono coraggio, energia e qualche idea in testa."  

 

 

Die Schriftstellerin Michela Murgia hatte sich am 18. September mit einem eindringlichen Aufruf an den PD-Chef gewandt: "Caro Letta, dicci qualcosa di sinistra. Non state facendo il vostro lavoro e noi ci ritroviamo nostro malgrado a farlo al posto vostro." Als weiterer Kandidat für den Parteivorsitz gilt der Bürgermeister von Florenz, Dario Nardella, der jedoch am Wochenende erklärte, er ziehe es vor, sein Amt in der toskanischen Hauptstadt weiterzuführen Auch Bonaccini Stellvertrerterrin Elly Schlein bewirbt sich um den Vorsitz.  Die Wahl einer Frau wäre zweifellos ein positives Signal. Die 35-jährige aus Lugano gehört dem Regionalrat an und war vorher bereits im EU-Parlament.

Ein untrügliches Alarmsignal waren letzthin jene Umfragen, in denen die Fünf Sterne-Bewegung den PD mit 17,3 Prozent überholt hat. Bonaccini: "Dobbiamo metterci in cammino, costruire una grande forza più radicata, più popolare e progressista e poi costruire un nuovo piano di alleanze. "

Der Partito Democratico hat sich politisch weitgehend isoliert. Eine Partei ohne Konturen und mit ungewisser Zukunft, die auf Wähler alles andere als anziehend wirkt.

In zwei der wichtigsten Regionen Italiens stehen in Kürze Wahlen an: in der Hauptstadtregion Latium und in der wirtschaftlich bedeutendsten Region Lombardei. In beiden scheint die Lage für Lettas Partei aussichtslos. In Latium kommen die Fratelli d´Italia nach Umfragen allein auf ein Drittel der Stimmen und in der  Lombardei liegt das Rechtsbündnis gar bei über 50 Prozent.

Der Partito Democratico hat sich politisch weitgehend isoliert. Mit der Fünf Sterne-Bewegung halten die fast täglichen Auseinandersetzungen an, auch mit Azione scheint ein sinnvoller Dialog kaum möglich. Eine Partei ohne Konturen und mit ungewisser Zukunft, die auf Wähler alles andere als anziehend wirkt. Das bestätigen die am Samstag vom Corriere veröffentlichten Umfragen. Bei der Frage nach den beliebtesten Parteiführern kommt Fünf-Sterne-Chef Giuseppe Conte mit 56 Prozent fast auf den doppelten Wert von Enrico Letta mit 28.