Economia | Tourismus

Tourismuskonzept im Kreuzfeuer

Das Tourismuskonzept gerät immer mehr unter Beschuss – zunehmend auch aus den eigenen SVP-Reihen. Einsicht in die Details fordern Bauern- wie Tourismusvertreter.
Massentourismus in den Bergen
Foto: (c) pixabay
Der Ton wird aggressiver. Seit Wochen tourt Landesrat Arnold Schuler durch das Land, um das Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK) vorzustellen und den Zuhörern Rede und Antwort zu stehen. Die Rahmenbedingungen scheinen klar, viele Detailfragen sind jedoch noch offen. Trotzdem soll bereits in der Juni-Sitzung des Landtages darüber abgestimmt und beispielsweise die Bettenobergrenze festgeschrieben werden. Weitere Maßnahmen sollen per Durchführungsverordnungen, welche von der Landesregierung erlassen werden, geregelt werden.
 
 
 
Dagegen machen Bauern- wie Tourismusvertreter mobil und fordern Aufklärung über den Inhalt – lautstark und über die Medien. Kritisiert wird unter anderem auch die mangelnde Absprache. Einem Außenstehenden mag sich aufgrund der Medienberichte und Pressemitteilungen die (rhetorische) Frage aufdrängen, weshalb es beim Infromationsaustausch zwischen den SVP-Regierungsvertretern und -Abgeordneten hapert. Verwundert hebt man beispielsweise die Augenbrauen, wenn der Landtagsabgeordnete Helmut Tauber dem für Tourismus zuständigen Landesrat über den Vahrner Bürgermeister Andreas Schatzer ausrichten lässt: Kleine Betriebe brauchen Perspektiven, Rechtssicherheit und vernünftige Übergangslösungen.
Natürlich sprechen Tourismuslandesrat Arnold Schuler und die verschiedenen Interessensvertreter über das Konzept und dessen Inhalte, allerdings bevor es an das Eingemachte geht, wird noch einmal ordentlich auf den Busch geklopft und Druck erzeugt. Die Bauernvertreter sagen: „Keine weiteren Einschränkungen mehr!“, die Tourismusvertreter fordern klare Regeln. Und beide Seiten wollen beim Inhalt zu den geplanten Durchführungsbestimmungen ein Wörtchen mitreden.
 
 

„Vorgaben sind streng genug!“

 

Auf Antrag des SVP-Landwirtschaftsausschusses wird im Rahmen der am kommenden Montag stattfindenden Sitzung der Parteileitung auch das LTEK behandelt. Wie SVP- Landtagsabgeordneter Manfred Vallazza auf Anfrage von Salto.bz mitteilte, wolle man Klarheit zu den Durchführungsbestimmungen haben. „Leider ist mit uns im Vorfeld nicht über den Inhalt gesprochen worden“, kritisiert Vallazza und erklärt, dass man erst über die Medien erfahren habe, dass eine Einschränkung bzgl. des Viehbestandes, welcher auf fünf Großvieheinheiten festgelegt werden soll, geplant ist. „Das können wir nicht verantworten, weil dann genau jene kleinen Betriebe, die auf UaB-Betrieb im Nebenerwerb angewiesen wären, davon ausgeschlossen sind. Das kann es nicht sein!“, betont der SVP-Bauernvertreter.
 
Das kann es nicht sein!
 
Denn gerade diese kleinen Betriebe würden sich um den Erhalt der Kulturlandschaft bemühen und die Bergwiesen bewirtschaften. „Wir hoffen, dass wir vor der Abstimmung im Landtag eine Lösung finden und wenn wir keine Lösung finden, werden wir die Konsequenzen daraus ziehen!“, so Vallazza, der die Beschränkungsversuche mit der Begründung zurückweist, dass die Hürden für eine touristische Nutzung auf den Bauernhöfen ohnehin bereits streng genug seien. Es gebe bereits eine Vorschrift zur Mindestgröße, welche besagt, dass 1,0 Hektar Wiesen, Ackerfutterbauflächen oder Sonderkulturen und mindestens 1,5 Großvieheinheiten (GVE) gehalten werden müssen plus 0,5 GVE pro Hektar Grund. Auch bei den Obst- und Weinbetriebe wurde die Mindestgröße auf 0,5 Ha angehoben. „Diese Bestimmungen reichen vollkommen aus und sind vor einem Jahr, genau am 21.02.2021, verschärft worden“, betont der Landtagsabgeordnete. Wenn ein Grünlandbetrieb keine Tiere hält, dürfe er keinen UaB anbieten, auch sind Esel und Lamas davon ausgenommen. Eine Ausnahme von der Ausnahme gilt für Reitbetriebe mit mindestens fünf Pferden und Ponys.
 
Wenn wir keine Lösung finden, werden wir die Konsequenzen daraus ziehen!
 
Die Kritik seitens der Tourismustreibenden, welche eine Gleichbehandlung aller Betriebe fordern, könne er nicht nachvollziehen. Die Tourismusvereine und IDM würden schließlich auch mit der schönen Südtiroler Landschaft werben, welche von den kleinen Bauernhöfen gepflegt wird. „Wenn genau diesen kleinstrukturierten Betrieben ein Riegel vorgeschoben wird, werden die jungen Bauern und Bäuerinnen nicht mehr mitspielen“, ist Vallazza überzeugt. In der Folge würden diese aufgeben und jene Betriebe, die noch übrig bleiben, würden es nicht schaffen, alle Flächen so zu pflegen wie bisher. „Nach fünf bis zehn Jahren wachsen die Almflächen zu und wenn das im Sinne des Tourismus ist, dann weiß ich auch nicht mehr“, so der Bauernvertreter, der die Tourismustreibenden ermutigt, langfristig zu denken und die Tragweite des Problems vorauszusehen.   
 
 

„Konzept hat Schwachstellen!“

 
Auch für Helmut Tauber, SVP-Landtagsabgeordneter und HGV-Bezirksobamnn des Eisacktales, sind viele Fragen noch offen. Mit seiner Presseaussendung unter dem Titel „Stillstand im Tourismus“ wandte sich der SVP-Politiker kürzlich an die Öffentlichkeit. „Ich glaube, es ist mittlerweile großteils gelungen, der Landesregierung und dem zuständigen Landesrat die Gefahren, die einige Ansätze des LTEK bergen, bewusst zu machen“, so Tauber und verweist dabei auf die „Schwachstellen des Konzepts“, die bei der Ausarbeitung der Durchführungsbestimmungen berücksichtigt werden müssten. Weiters müssten schnellstmöglich alle offenen Fragen und Unklarheiten aus dem Weg geräumt werden. In erster Linie gehe es um die Frage, welche Entwicklungsmöglichkeiten bestehende Betriebe in Zukunft tatsächlich noch haben werden.
 
Eine gewisse Qualität, um die es im LTEK schließlich geht, ist nicht ohne eine bestimmte Quantität möglich.
 
Der Landtagsabgeordnete fordert dabei vor allem Entwicklungsspielräume für kleinere Familienbetriebe und für jene, die von einem Generationswechsel betroffen sind. „Klar ist auch, dass eine gewisse Qualität, um die es im LTEK schließlich geht, nicht ohne eine bestimmte Quantität möglich ist“, erklärt Tauber. Ein gewisses Entgegenkommen sei jüngst von Landesrat Schuler zugesichert worden. So wolle man einen Vorschuss an Betten vorsehen und den bestehenden Betrieben damit gewisse Erweiterungspotenziale einräumen. Geht es nach Tauber, muss sichergestellt werden, dass diese Zusicherung auch tatsächlich Eingang in die Durchführungsbestimmungen findet. „Auch in puncto qualitative Erweiterung muss die Landesregierung auf das Gaspedal drücken“, fordert der Landtagsabgeordnete und verweist auf die seit September 2021 bestehende Blockade im Bereich der qualitativen Erweiterung von gastgewerblichen Betrieben in Natur- und Agrargebieten.
 
Gleicher Markt – gleiche Regeln.
 
Ein Problem für den SVP-Politiker und Tourismusfachmann ist die Ungleichbehandlung zwischen gastgewerblichen Betrieben und anderen Betriebsformen. „Obschon der Urlaub auf dem Bauernhof seit Jahren mit den Nächtigungszahlen in die Höhe schießt, soll diese Beherbergungsform von einer Regulierung weitgehend ausgenommen werden. Dies ist völlig unverständlich. Gleicher Markt – gleiche Regeln”, fordert Tauber und weist auf ein weiteres Problem hin: die Vermietung von Wohnungen, die über Plattformen wie Airbnb von Privatpersonen angeboten werden. Diese müssten unterbunden bzw. streng kontrolliert werden. „Dass eine gewisse Regulierung notwendig und auch richtig ist, davon bin ich überzeugt. Ebenso, dass das LTEK einige gute Ansätze bereithält, um den Sektor nachhaltig und in Einklang mit Natur und Bevölkerung auszurichten. Jedoch braucht auch das Gastgewerbe – wie jeder andere Sektor in Südtirol auch – Planungssicherheit und Spielräume, um sich neuen Bedürfnissen anzupassen und sich wettbewerbsfähig aufzustellen“, betont Tauber – mit Hinweis auf den Tourismus als wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes und Garanten des Wohlstandes.
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Josef Fulterer Dom, 05/29/2022 - 15:56

Der Fachkräftemangel ist gerade dabei, "dem immer höher schneller luxuriöser und abgehobener," die Grenzen aufzuzeigen, denn inzwischen trocknen auch die umliegenden Entwicklungsländer für die Saisonsarbeitsplätze aus.
Die Betriebe werden den Mitarbeitern Jahresarbeitsstellen anbieten müssen, von denen eine Familie leben kann und deswegen auch versuchen müssen, mindestens 10 Monate im Jahr offen zu halten und versuchen dafür Gäste zu gewinnen.

Dom, 05/29/2022 - 15:56 Collegamento permanente