Ambiente | Olympia 2026

"Überdenken und verkleinern"

Die internationale Alpenschutzkommission CIPRA stellt sich hinter die Proteste lokaler Bevölkerungsgruppen und verurteilt die geplanten Maßnahmen für Olympia 2026 scharf.
Manifestazione Cortina
Foto: Privat

Die Alpenschutzkommission CIPRA vertritt seit Jahren eine klare Position zu sportlichen Großveranstaltungen im Alpenraum: "Der Alpenraum als hochsensibles Gebiet für sportliche Grossveranstaltungen nicht geeignet".

In einem kürzlich veröffentlichten offenen Brief an das internationale olympische Komitee (IOC) und einer den Brief begleitenden Presseaussendung, teilt die CIPRA die Sorge lokaler Verbände und Komitees, die durch den Bau von Sportstätten und anderen Infrastrukturen für Olympia 2026 eine mögliche Zerstörung der Dolomiten anprangern. Sie fordert, dass die geplanten Projekte für die Olympischen Winterspiele 2026 überdacht und verkleinert werden.

Bereits in den Jahren 2014 und 2016 hat die CIPRA sehr klar Stellung zu sportlichen Großveranstaltungen bezogen und die Gemeinden und Regionen der Alpen ausdrücklich aufgefordert, auf ihre Kandidatur für die Olympischen Winterspiele zu verzichten. An dieser Meinung hat sich nichts geändert: "Die Veranstaltungen in den betroffenen Berggebieten erfordern für einige wenige Wettkampftage Infrastrukturen, die weder umwelt- noch sozialverträglich sind. Notwendig wäre ein grundsätzliches Umdenken im Bewerbungs- und Durchführungsprozess auf der Grundlage bereits bestehender dezentraler Austragungsorte und unter Beachtung der lokalen Gegebenheiten sowie der wirtschaftlichen und ökologischen Grenzen", so die Position der CIPRA.

 

Zu teuer und zu viel Schaden

 

Laut der CIPRA hätten die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gezeigt, dass die Alpen als Austragungsort für diese umweltschädlichen und für die Bevölkerung folgenschweren Grossveranstaltungen ungeeignet sind. "Selbst bei den letzten Olympischen Winterspielen in den Alpen, 2006 in Turin, blieben die Berggebiete mit hohen Schulden und Investitionsruinen wie Bobbahnen und Skisprunganlagen zurück", heißt es in der Presseaussendung.

Dabei sei sich die lokale Bevölkerung des Ausmaßes der negativen Auswirkungen bewusst: Volksbefragungen in den Schweizer Kantonen Wallis (2018) und Graubünden (2013 und 2017), im österreichischen Tirol (2017) sowie in Salzburg (2005) und in München (2013) hätten gezeigt, dass grosse Teile der Alpenbevölkerung nicht mehr bereit sind, die negativen Folgen der Olympischen Winterspiele einfach so hinzunehmen. "Dennoch hat Italien den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 2026 in den Alpen erhalten, allerdings ohne ein Referendum durchzuführen", so die CIPRA.

 

Nachhaltigkeit: kaum mehr als schöne Worte

 

Das Tourismusprotokoll der Alpenkonvention verlangt, dass die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus, insbesondere die sozioökonomischen Auswirkungen auf die ansässige Bevölkerung, die Auswirkungen auf Boden, Wasser, Luft, Naturhaushalt und Landschaftsbild sowie die Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen berücksichtigt werden. Die Vertragsparteien, darunter auch Italien, sind dazu verpflichtet "möglichst nur landschafts- und umweltschonende Projekte zu fördern". "Dies sind Bedingungen, die erfüllt werden müssen", so die CIPRA.

Und weiter: "Die Tatsache, dass die Spiele an mehreren Orten stattfinden werden sowie die große Anzahl an bestehenden Einrichtungen für Sport, Transport und Unterkunft sollten die betroffenen Bergregionen entlasten und ein wirtschaftlich verantwortungsvolles Konzept für die Organisation der Spiele aufrechterhalten. In der Realität wird dies jedoch nicht der Fall sein. Während einige Aspekte der Organisation der Spiele durch die "Fondazione Milano Cortina 2026" die Absicht erkennen lassen, die Olympischen Spiele nachhaltiger zu gestalten, wird den Wettkampfanlagen, die von der Gesellschaft "Infrastrutture Milano Cortina 2026" gebaut werden sollen, keine ähnliche Aufmerksamkeit geschenkt", erklärt die Alpenschutzkommission CIPRA.

"Zumindest zwei der vierzehn Wettkampfstätten lassen ernsthafte Zweifel an ihrer wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit aufkommen: der Neubau der Bobbahn "Eugenio Monti" in Cortina und das Stadion für den Eisschnelllauf in Baselga di Piné im Trentino. Die neue Bobbahn in Cortina, die von der Region Venetien und dem Italienischen Olympischen Komitee in Auftrag gegeben wurde, ist nur das deutlichste Beispiel für die mangelnde Nachhaltigkeit der Veranstaltung. Lokale und andere politische Entscheidungsträger:innen zeigen einen zunehmenden Mangel an Bereitschaft, das Modell der Olympischen Spiele tatsächlich im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren."

 

Neben den wesentlichen Infrastrukturen gäbe es zahlreiche zugehörige und kontextbezogene Infrastrukturen, die Auswirkungen haben werden. Als Beispiele dafür werden die Straßen und Umfahrungsstraßen in Dörfern wie San Vito di Cadore, wo Hektar von Grünland geopfert würden, genannt oder die drei geplanten neuen Skiverbindungen für Cortina-Badia, Cortina-Arabba und Cortina-Alleghe Civetta im Herzen der Dolomiten. Hinzu kommen die durch die Olympischen Spiele ausgelösten spekulativen Neubauten, wie das am Passo Giau geplante Projekt für den Bau eines Hotels mit einem Volumen von 40.000 Kubikmetern auf über 2.000 Metern Höhe – "und das alles in einer einzigartigen Landschaft, in der es bereits ein Berghotel gibt, das vor zehn Jahren geschlossen wurde", so die CIPRA empört.

Aus diesem Grund hat CIPRA International zusammen mit all ihren nationalen und regionalen Mitgliedsorganisationen folgende Position eingenommen:

Die Fehler der Vergangenheit sollten nicht wiederholt werden. Die Bedürfnisse der betroffenen Gebiete und die Anliegen ihrer Bewohner:innen sollten ernst genommen und gefördert werden, insbesondere im Hinblick auf eine echte ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit.

  • Die CIPRA teilt die Besorgnis der lokalen Verbände und Komitees, die am 24. Oktober 2021 in Cortina demonstrierten, um die mögliche Zerstörung der Dolomiten zu verurteilen.

  • Sie fordert, dass die für die Olympischen Winterspiele 2026 geplanten Projekte überdacht und die Kosten und Maßnahmen, die nicht unbedingt notwendig sind, reduziert werden.

  • Auf der Grundlage der Agenda 2020 des IOC sollten die Punkte zur Nutzung bestehender Sportanlagen und -infrastrukturen, den Bau entfernbarer Anlagen, die Genehmigung Sportanlagen im benachbarten Ausland und andere umwelt- und arbeitsrechtliche Belange tatsächlich umgesetzt werden.

Die CIPRA bekräftigt ihre Forderung, dass der Alpenraum niemals als Austragungsort für derartige Veranstaltungen genutzt werden darf, wenn nicht ein drastisches Umdenken in Bezug auf den Ressourceneinsatz bei der Vorbereitung und Durchführung erfolgt. Nachhaltige Olympische Winterspiele sollten weitaus weniger Disziplinen und Personen direkt vor Ort einbeziehen (vor allem in Bezug auf Begleitpersonen und Zuschauer:innen) und regelmäßig nur in klimatisch geeigneten Gebieten der Welt in bestehenden Anlagen stattfinden. Dennoch könnten sie über die elektronischen Medien erfolgreich ein weltweites Publikum erreichen. Zudem sei die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte in den Kandidaten- oder Durchführungsstaaten eine Grundvoraussetzung.

Das Positionspapier der CIPRA ist der x-te Versuch auf die Umweltprobleme, die die Arbeiten zu den Olympischen Spielen mit sich ziehen, aufmerksam zu machen. Bis dato wurde den kritischen Stimmen der Bevölkerung und verschiedenen Umweltgruppen nicht stattgegeben.

 

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Josef Fulterer Sab, 01/29/2022 - 06:01

Seit dem Missbruch der Hitlerregierung für ihre Propaganda im Jahr 1936, haben die austragenden Staaten bei den Olympischen Spielen, jeweils eine dicke Scheibe zugelegt. Das wird sich trotz der gewaltigen Klimaschäden die eine solche Veranstaltung verursacht, auch 2026 nicht ändern.

Sab, 01/29/2022 - 06:01 Collegamento permanente