Cultura | Salto Weekend

BROT

Der Dokumentarfilmer Harald Friedl hat sich dem Brot angenommen. Es folgen die Gedanken eines neu denkenden Menschen.
Brot
Foto: Filmladen

Brot. Ein Wort mit vier Buchstaben, scheinbar willkürlich aneinandergereiht. In ihrer Einfachheit so langweilig und gewöhnlich, dass wohl kaum jemand über die Bedeutung nachdenkt. So unscheinbar tief in den Alltag integriert, dass jeder Gedanke daran ein verschwendeter wäre. Oder ist das nicht so? Denn Hand aufs Herz – wann haben Sie zuletzt über Brot nachgedacht? Über dessen Beschaffenheit, den Geschmack, den Geruch, die Konsistenz, und nicht zu vergessen, den Preis? Brot ist alltäglich und Brot ist eine Konstante, die in unserer meisten Leben wohl schon immer existierte. Man isst es am Morgen beim Frühstück, in der Schul-oder Arbeitspause am Vormittag, vielleicht am Mittagstisch als Beilage, oder auch am Abend. Wo kaufen Sie Ihr Brot? Im Supermarkt? Bei einem teuren oder eher beim Discounter? Oder gehören Sie gar zu der Gruppe an Menschen, die noch die Bäckereien aufsuchen, da Sie denken, dort Qualität und einzeln mit viel Liebe zum Detail geschaffenes Brot erstehen zu können? Dass nicht jede Bäckerei diesen Standard erfüllt, ist in Zeiten von Filialbäckereien kein Wunder. Das schöne Bild vom traditionellen Bäcker, der jeden Morgen das Brot frisch zubereitet, noch dazu im eigenen Haus und dann unmittelbar verkauft, ist ein langsam schwindendes. Harald Friedls neuer Dokumentarfilm beschäftigt sich genau mit diesen Bildern, und es sind so einige, die er beleuchtet. Zunächst wird aufgerollt, was es überhaupt gibt. Da wäre die industrielle Herstellung von Brot, das, wenn man ehrlich ist, mehr mit Gummi als mit tatsächlichem Teig zu tun hat. Die Massenproduktion, in deren Rezepten vieles, aber keine Liebe steckt. Zu den Grundzutaten eines jeden Brotprodukts, nämlich Wasser, Mehl und Salz gesellen sich Wirkstoffe, die die Haltbarkeit und das optische Erscheinungsbild verbessern sollen. Diese Art von Brot kennen wir aus den Supermärkten dieser Welt, stellvertretend repräsentiert von zu Türmen gestappelten Toastscheiben. Besser schaut es da schon bei einigen Familienbetrieben aus, die im Film ebenso gezeigt werden. Auch hier zeigt die Kamera industrielle Vorgänge, doch die Menschen dahinter scheinen was von ihrem Handwerk zu verstehen und erzählen begeistert von der Qualität ihres Brotes. Das eint alle Protagonisten dieses Dokumentarfilms. Jeder ist von der eigenen Methode überzeugt und spricht in höchsten Tönen von der eigenen Philosophie – egal ob unverblühmt kalkulierender Industriebäcker oder französischer Brot-Purist. Der kommt auch zu Wort und stellt sich als der Besitzer einer alten Pariser Bäckerei vor. Hier wird noch vor Ort gebacken, jeden Tag frisch und dabei achtet der Meister selbst darauf, dass seine hohen Ansprüche eingehalten werden. Über die Konkurrenz, die ihm zahlenmäßig weit überlegen ist, kann er nur spöttisch lachen. Für sie hat er vor allem Hohn übrig. Dass seine Qualität auch seinen Preis hat, ist kein Geheimnis, dennoch sieht man im Film Bilder langer Menschenschlangen, die sich vor dem Lokal bilden. Man hat alle Hände voll zu tun. Anders als an vielen anderen Orten hat die Traditionsbäckerei in Paris noch ihre Kundschaft. Man schätzt die Möglichkeit, Brot aus erster Hand zu kaufen. Solches das duftet und sich gut anfühlt, wenn man reinbeißt. In vielen anderen Großstädten gibt es kaum noch solche Bäckereien, und gibt es sie, sind sie zahlenmäßig häufig einstellig.

Trailer 


Harald Friedls Film zeigt in erster Linie und kommentiert dabei nicht. Es gibt keine Erzählerstimme, denn erzählen tun hier nur die Bäckerinnen und Bäcker. So wertet der Film an sich nicht – seine Protagonisten tun es aber sehr wohl. Es scheint fast so, als würde jeder einzelne für sich werben wollen, mal authentischer, mal scheinheiliger. Jeder Zuschauer muss für sich entscheiden, was er essen möchte, wenn er Brot isst. Die Möglichkeiten in Qualität, Form, Geschmack, Geruch sind vielfältig. Lernt man etwas wirklich Neues aus diesem Film? Nein.

 

Denn all das, was die Bäcker hier erzählen, dürfte kaum überraschen. Es sind Dinge, die jeder Mensch in sich trägt und von denen er zumindest in seinem Unterbewusstsein weiß. Bloß ob er oder sie die Tür zum Unbewussten öffnen möchte, ist fraglich. Im besten Falle schafft es der Film mit diesem so einfachen aber prägnanten Titel „Brot”, Denkprozesse anzuregen. Vielleicht überdenkt so manch einer das eigene Kaufverhalten und darauf folgend: Das eigene Essverhalten. Denn WIE essen wir Brot, nachdem wir es gekauft haben. Realisieren wir überhaupt, dass dort ein Geschmack ist, ein Geruch, ein langsames Zerfallen im Mundinnenraum? Oder beißen wir einfach ab und würgen wir es hinunter, nur um gegessen zu haben. Es ist ja bloß Brot, oder nicht?, wird manch einer sagen. Nein, würden die Bäcker aus diesem Film empört schreien und jedem, der so töricht ist, dies anzunehmen, ihr Baguette in den Rachen stopfen. Du sollst in den Genuss unseres Brotes kommen. Egal ob aus der Klonmaschine für Toast oder den kreativen Neuschöpfungen des Parisers. Egal wie teuer oder billig, du sollst es wirklich schmecken und dir dann dein Urteil bilden. Du sollst dir die Frage stellen: Will ich das wirklich essen? Oder ist mir meine Ernährung mehr wert? Wenn Harald Friedls Film die Auseinandersetzung mit diesen Fragen hervorzurufen schafft, hat er seinen Zweck erfüllt.