Cronaca | Taschler-Prozess

Der Königsbeweis

Am kommenden Montag fällt im Prozess gegen Gottlieb und Daniel Taschler das Urteil. Salto.bz bringt einen Überblick über das Verfahren.
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Foto: upi
Am vergangenen Freitag sitzen Richter Carlo Busato vier Männer und eine Frau gegenüber, die vieles trennt.
Da ist auf der einen Seite Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante und der Mailänder Anwalt der Welt-Dopingagentur (Wada) Stefano Borella. Und auf der anderen Seite der Bozner Strafverteidiger Flavio Moccia, dessen Kanzleikollegin Annalisa Esposito und Sandro Mason, Anwalt aus Padua.
Ihre Rollen in diesem Prozess sind genauso verschieden, wie ihre Ansichten zum Fall. Doch an einem Punkt treffen sich die Überzeugungen des ungleichen Quintetts. Entscheidend für den Ausgang dieses Verfahrens ist ein Beweisstück: Das abgehörte Gespräch in Michele Ferraris Camper.

Bei keinem der drei Angeklagten, weder bei Michele Ferrari, noch bei Daniel oder Gottlieb Taschler wurden unerlaubte Dopingmittel oder andere eindeutige Beweise für Doping gefunden. Deshalb steht und fällt der gesamte „Fall Taschler“ mit diesem Gespräch und seiner Interpretation.
 

Camper in Ferrara

 
Die Ermittler aus Padua zeichnen zwischen Juli und Dezember 2010 insgesamt fünf Treffen zwischen dem Sportarzt Michele Ferrari, sowie Daniel und Gottlieb Taschler nach. Zwei in Antholz und drei in Ferrara, wo der Dopingpapst wohnhaft ist.
Weil sich Ferrari zu diesem Zeitpunkt längst im Visier der Carabinieri befindet und wahrscheinlich weiß, dass er abgehört wird, greift der Arzt zu einem Trick. Er verlegt seine Gespräche und Behandlungsmethoden größtenteils in einen Camper. „Das war sein rollendes Labor“, beschreiben Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante und Wada-Anwalt Stefano Borella im Prozess unisono diesen Wohnwagen.
Am 17. Oktober 2010 registrieren die Ermittler kurz vor 15 Uhr anhand der Mautdaten, wie ein BMW, der auf Gottlieb Taschler zugelassen ist, bei der Ausfahrt Ferrara Nord die Autobahn verlässt. Am Steuer Daniel Taschler.
Auf einem Parkplatz an der Ausfahrt steht Michele Ferraris Camper. Um 14.58 Uhr betritt Daniel Taschler das Fahrzeug. Die Carabinieri lauschen mit Wanzen und Richtmikrofonen mit.
 
 

„In der Spritze“

 

Michele Ferrari und Daniel Taschler begrüßen sich. Dann redet man kurz über den Verlauf von Taschlers Training in Österreich. Wegen der Umgebungsgeräusche gibt es in dem abgehörten Gespräch immer wieder unverständliche Stellen. Dennoch dürften Sinn und Inhalt des Gespräches gut nachvollziehbar sein.
Relativ schnell kommt man an diesen Nachmittag zur Sache.
 
Michele Ferrari: Gut .... dann hast du dort alles gefunden.
Daniel Taschler: Ja, aber ich haben die zu 2000 bekommen.
Ferrari: Sehr gut, besser, besser ...diese hier sind....
Taschler: ...ja...
Ferrari: Gut, die Niedrigeren. Du hast noch nicht damit begonnen?
Taschler: Nein.
Ferrari: Du bestätigst mir, dass es im gesamten Monat November keine Neuigkeiten gibt?
Taschler: Nein.
Ferrari: Gibt es Neuigkeiten zu diesen hier oder noch nicht?
Taschler: Nein...noch nichts.
Ferrari: Gut, dann machen wir eine kleines Programm. Heute haben wir den 17....bist du hier zuhause?
Taschler: Ja, ...hier ich bin daheim.
Ferrari: Wie lange?
Taschler: Bis... Noch den ganzen Monat.
Ferrari: Ah, du bist immer daheim. Gut. Nimm sie, wenn du daheim bist, nimm sie immer daheim.
Taschler: Ja.
Ferrari: Einen Tag ja, einen Tag Nein, so wie wir ausgemacht haben.
Taschler: In die Vene?
Ferrari: In die Vene.
Taschler: 1000 immer?
Ferrari: Immer 1000.
Taschler: Und danach?
Ferrari: Die Hälfte.
Taschler: Die Hälfte?
Ferrari: Die andere Hälfte kannst du in der Spritze lassen. So bleibt es dir eine Weile besser erhalten...und dann tust du es weg.
Taschler: Ah...in der Spritze.
Ferrari: ...in der Spritze und du machst dir nur die Hälfte.
Taschler: ja, ..man kann das ...man kann das....ansonsten kaufst du dir zusätzliche Spritzen, die man bekommt und die zweite Hälfte....und mit dem Kolben schiebst du jene Hälfte weg, die fehlt....
 
Ferrari:....ansonsten kannst du die hier auch zweimal benutzen. Also: (Ferrari dürfte die Tage auf einen Kalender zählen) Ein, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht.....und hier müssen wir uns sehen, um zu schauen, wie es dir geht...gut so...du beginnst heute Abend..einen Tag ja, eine Tag Nein...ist 254...der Eisengehalt...du brauchst kein Eisen zu machen...iss normal und gut...um den 10. dann, welchen Tag haben wir....
Taschler: Nehme ich auch die anderen...ich habe noch zwei?
Ferrari: Ja.
Taschler: ...denn es waren vier Abtrennungen und wir waren nicht sicher, ob dies....
Ferrari...ja...dieses hier (Ferrari zeigt Daniel Taschler etwas)
Taschler: ...es ist ein...
Ferrari: Ja, das hier.
Taschler...ja...
Ferrari: also, eine haben wir...eventuell nimm auch das hier..wir sehen uns....vor dem Weltcup-Rennen und den ganzen Block...wenn es soweit sind wird....ist es genug...Aber diese hier sind sicher die Schwierigsten...ich weiß nicht...
Taschler: ...ah, diese hier...
Ferrari:..und diese hier, wo machst du sie dir? Zuhause?
Taschler:...ja zuhause...aber der sie mir gemacht hat...die Person, die sie mir vergangene Woche gemacht hat....er aber ….könnte reden.....das Rezept.
Ferrari: Ja, ja...ich habe verstanden.
Taschler: jetzt lasse ich sie mir aber machen von.....
Ferrari: ...aber kennt er dich?
Taschler:...ja er kennt mich.
 

Das Versteck

 


Dass Daniel Taschler und Michele Ferrari dabei nicht von Traubenzucker oder legalen Medikamenten sprechen, geht aus dem weiterem Gespräch klar hervor.
 
Michele Ferrari:Occhio hey, Du weißt, dass das ….. besser nicht im Haus zu behalten ist. Es ist eine Straftat. Hast du nicht einen anderen Platz?.....Jetzt wird es draußen ja schön frisch, deshalb kannst du....wichtig ist aber, dass es nicht gefriert. Ich weiß nicht, verstecke es unter der Erde oder unter Blättern. Aufgepasst, lass es nicht im Haus. Habt ihr nicht einen anderen Platz, wo....
Daniel Taschler: Nein, ich behalte es im Haus, dass macht nichts...
Ferrari: Gibt es nicht einen Platz, der nicht der Eischrank ist und wo die Temperatur zwischen Null und zehn Grad ist....
Taschler: Nein, ich behalte es im Haus und gut...
Ferrari: Jetzt, wo es kalt ist.....wichtig ist, dass es nicht gefriert, dass es nicht auf zehn Grad unter Null geht, dann passt es nicht...Aber wenn es zwischen null und zehn Grad bleibt, dann geht es gut. Das Beste wäre unter Blättern, ich weiß nicht, ob du einen Keller oder eine Holzlege hast...wenn du eine Holzlege (legnaia) hast, geht es auch gut, dann kannst du es dort lassen.....“
 
Zudem gibt Michele Ferrari dem jungen Antholzer Biathleten auch Anweisungen wie er sich bei einer unangekündigten Kontrolle verhalten soll.
 
Michele Ferrari: ...und wenn du dann nach 24 Stunden eine Kontrolle machen musst....uriniere zuerst...dann ziehst du dir die Schuhe aus...und warte dann so lange wie nur möglich...
Daniel Taschler: ….ich warte bis zum Schluss?
Ferrari...solange bis....
Taschler: Ah.
 

Schweizer Telefon

 
Michele Ferrari war bereits acht Jahre zuvor in einen Doping-Prozess verwickelt. Der umstrittene Sportarzt weiß, dass er im Herbst 2010 immer noch im Fokus der Dopingermittler steht.
Deshalb ist Michele Ferrari auch sehr vorsichtig. An diesem Nachmittag macht er mit Daniel Taschler ein neues Treffen aus. „Diesmal aber treffen wir uns in Ferrara Süd“, erklärt Ferrari.
Gleichzeitig gibt der Arzt aber auch klare Anweisungen, wie man in Verbindung bleiben soll:
 
Michele Ferrari: Ich gebe dir auch noch eine andere Telefonnummer, die du aber nicht über dein Telefon anrufen darfst.
Daniel Taschler:....immer...
Ferrari: Du musst ein anderes Telefon verwenden, das nicht registriert ist..
Taschler: Ah.
 
Ferrari: ...das du nur für diese Gespräche benutzt. Du besorgst dir ein anderes Telefon über eine dritte Person, die nicht du und auch nicht Gottlieb ist. Jemand, der ein Telefon und eine Sim-Karte kauft.
Taschler: Umh!
Ferrari: Du darfst diese aber nicht benutzen... Denn wenn du sein Telefon mit dieser Simkarte benutzen, denn kann man das zu dir zurückverfolgen.
Taschler: Umh!
Ferrari: Also, ich gebe dir jetzt meine andere Nummer, es ist eine Schweizer Rufnummer, die du aber nur für diese Sache gebrauchst. Aber ist auf jeden Fall besser, wenn du überhaupt nicht anrufst.....es ist immer besser vorsichtig zu sein.
Taschler: Kann ich mir das aufschrieben?
Ferrari: Sicher....wenn du auch diese Nummer abschreiben willst...
 
Diese Stellen nahmen in den Schlussplädoyers der Anklage, wie auch der Verteidigung vor dem Bozner Landesgericht eine zentrale Rolle ein. An ihrer Interpretation dürfte sich dieses Verfahren letztlich entscheiden.
 

Lesen Sie morgen: Die Taktik der Verteidiger.