Politica | Wohnbau

Kampf der Armen verhindern

Für die Grünen geht der Wobi-Gesetzesentwurf nicht weit genug. Bleibe der Wobi-Bestand gleich, nehme man einen Konkurrenzkampf zwischen benachteiligten Menschen in Kauf.
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Foto: Salto.bz

Das Kernstück der schon mehrmals angekündigten Wohnbaureform, die das Südtiroler Institut für den sozialen Wohnbau (Wobi) betrifft, ist die Öffnung für neue Zielgruppen. Denn Landesrätin Waltraud Deeg will das Institut modernisieren, um neue und inklusive Wohnformen für eine breite Bevölkerungsschicht zu öffnen.

Was gut klingt, habe aber einen Haken, wenn die Grundmenge an verfügbaren Wohnungen des Wobi gleich bleibt, ist die Einschätzung der Grünen Fraktion im Landtag. „Damit würde es zu einer großen Konkurrenz in einer Bevölkerungsschicht kommen, die sich bereits schwertut“, erklärt Grünen-Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa. Ihre Fraktion fordert die Wiederbelebung der öffentlichen Bauprogramme unter Einhaltung nachhaltiger Kriterien, um neuen Wobi-Wohnraum zu schaffen.

 

 

Zudem werde mit der Befristung der Mietverträge den Mieter:innen eine Sicherheit genommen. Über die Höchstdauer des Vertrages und die Bedingungen für eine eventuelle Verlängerung wird die Landesregierung entscheiden. Sobald allerdings die Einkommensgrenze überschritten wird, soll der Vertrag widerrufen werden. Damit gehe die Landesrätin Deeg davon aus, „dass Armut ein zeitlich begrenztes Phänomen ist“. Dem widerspricht Foppa, da es auch sein kann, dass Menschen über einen längeren Zeitraum in Armut leben.

 

Befugnisse der Landesregierung groß

 

Der Kern der Gesetzesänderung von LGE 104/21 – „Öffentlicher und sozialer Wohnbau“ und der Änderung des Landesgesetzes vom 17. Dezember 1998 ist der Artikel 13, Abs. 1, der besagt: „Mit Durchführungsverordnung werden die Voraussetzungen und die Vorzugskriterien für die Zuweisung von Mietwohnungen zum sozialen und zu bezahlbaren Mietzins sowie für die Aufnahme in Wohnheimen festgelegt (…)“.

Für die Grüne Fraktion ist damit der Spielraum, den sich die Landesregierung bei der Zuweisung von Mietwohnungen des Wobi freihält, sehr groß. Deshalb fordert sie in ihren Änderungsanträgen unter anderem die Einbindung der Sozialpartner. Da es absehbar sei, dass es beim Gesetzesentwurf zu keinen großen Änderungen mehr kommen wird, sei es umso wichtiger, dass die Durchführungsverordnungen in Absprache und mit Zustimmung der Sozialpartner erlassen werden.

 

Wir sind die Ersten, die sich für den Erhalt von Grünflächen aussprechen. Wir sind aber überzeugt, dass bei den derzeitigen Wohnbauflächen noch Einiges zu tun ist - Riccardo Dello Sbarba

 

Wobi-Bestand

 

Zurzeit befinden sich 13.426 Wohnungen im Besitz des Wobi, das sind sechs Prozent des gesamten Wohnungsbestandes in Südtirol. Durch das neue Wobi-Gesetz sollen diese Wohnungen nicht mehr nur an sozial Bedürftigen vergeben werden, sondern auch an andere Menschen mit Wohnungsbedarf. Die Zuweisung soll dann über zwei Schienen erfolgen, zum Einen wie gehabt über den sozialen Mietzins, zum Anderen über den bezahlbaren Mietzins. Letzterer wird wie der Landesmietzins, der zurzeit überarbeitet wird, berechnet.  

Die Grünen befürchten, dass durch die Einführung einer Quote für den bezahlbaren Mietzins bei Wobi-Wohnungen, sich benachteiligte Menschen untereinander den Platz streitig machen und ein Kampf zwischen „Bedürftigen“ und „Etwas-weniger-Bedürftigen“ entsteht. Deshalb brauche es eine Wiederbelebung der öffentlichen Bauprogramme. Stattdessen habe das Gesetz „Raum und Landschaft“ diese Flächen bei der Zuteilung neuer Bauzonen eingeschränkt und mehr Platz für private Bauten eingeräumt.

 

Neue Bauprogramme

 

Die Grüne Fraktion fordert neue Bauprogramme, die umwelt-, klima- und landschaftsschutzkonform sind. Denn auch durch die geplante Erhöhung der Gemeindeimmobiliensteuer (GIS) würde der leistbare Wohnraum nicht wesentlich größer werden, erklärt Grünen-Landtagsabgeordneter Hanspeter Staffler. In Südtirol gibt es insgesamt 239.000 Wohnungen. Laut den Analysen der Grünen Fraktion würden von den 29.000 zurzeit als leerstehend geltenden Wohnungen nur rund 3.000 für den Wohnungsmarkt frei werden. Der Rest würde weiter als Zweitwohnung für touristische Zwecke genutzt, über Airbnb vergeben, von Pendler:innen verwendet werden oder sich in Renovierung befinden. Staffler bezweifelt, dass sich diese Art der Nutzung durch die GIS-Erhöhung ändert.  

 

 

Deshalb seien neue Bauprogramme notwendig, da durch die Wohnbaupolitik eine künstlich geschaffene Knappheit geschaffen wurde und die Kosten für das Wohnen in den letzten 20 Jahren um 11 Prozent gestiegen sind. Zurzeit geben Familien in Südtirol 41 Prozent ihrer Ausgaben für die Wohnkosten aus.

 

 

Allerdings würden neue Bauprogramme für die Grünen nicht heißen, dass unversiegelte Flächen bebaut werden sollen, führt Grünen-Landtagsabgeordneter Riccardo Dello Sbarba aus: „Wir sind die Ersten, die sich für den Erhalt von Grünflächen aussprechen. Wir sind aber überzeugt, dass bei den derzeitigen Wohnbauflächen noch Einiges zu tun ist. Die genaue Ausarbeitung obliegt dann den Verantwortlichen, wie beispielsweise dem Stadtplaner von Bozen.“

Diese Woche befasst sich der vierte Gesetzgebungsausschuss, zu dem Brigitte Foppa gehört, mit dem Gesetzesentwurf zur Reform des Wobi. Die Sitzungen der Gesetzgebungsausschüsse sind nicht öffentlich.