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In jedem Buch steckt eine ganze Welt

Sein neuer Krimi "Das Leuchten über dem Gipfel" ist sein zweites Buch auf der Spiegel-Bestsellerliste. Ein Interview mit Autor Lenz Koppelstätter aus Tramin.
Lenz Koppelstätter
Foto: © Gene Glover

salto.bz: Herr Koppelstätter, Ihr neuester Krimi „Das Leuchten über dem Gipfel“ ist jetzt auf der Spiegel-Beststellerliste. Was heißt das für Sie?

Lenz Koppelstätter: Ich freue mich darüber, denn es bedeutet ja, dass viele Leute die Bücher gerne lesen und dass man eine kleine Fangemeinde hat. „Das Tal im Nebel“ war letztes Jahr ebenfalls auf der Liste, die Reihe läuft. Das ist klasse.

Wann haben Sie gemerkt, dass das Schreiben Ihr Beruf sein wird?

Das fing schon früh in der Schule mit den Deutschaufsätzen an. An Mathematik war ich wenig interessiert, ich war und bin darin auch nicht begabt, und hatte schlechte Noten. Aber meine Deutschlehrerin hat immer besonders gute Aufsätze der Schüler in der Klasse laut vorgelesen. Meinen immer. Da habe ich mir gedacht: „Aha, das Schreiben kannst du also ganz gut“ und bin diesem Weg gefolgt.

Haben Sie als Kind viel gelesen?

Ja, es hat mich fasziniert. In Büchern stecken ja ganze Welten und viel mehr! Ich war so lesebegeistert, dass ich manche der Bücher, die ich aus der Schulbibliothek ausgeliehen habe, gar nicht zurückgeben wollte. Ich kann mich auch an einen Moment während des Studiums erinnern: Am nächsten Tag hatte ich eine Prüfung, hätte lernen müssen, aber ich konnte Günther Grass‘ „Blechtrommel“ einfach nicht beiseite legen und habe mich irgendwann am späteren Nachmittag einfach dazu entschlossen, die Prüfung sausen zu lassen. Welche Prüfung das war, weiß ich heute nicht mehr. Aber an den schönen Nachmittag mit der Blechtrommel denke ich heute noch gerne zurück.

Ich war so lesebegeistert, dass ich manche der Bücher, die ich aus der Schulbibliothek ausgeliehen habe, gar nicht zurückgeben wollte.

Sie sind Journalist, wie kam die Idee, sich auch an Büchern zu versuchen?

Ich hatte immer schon mit dem Gedanken gespielt, einmal eine längere Textform auszuprobieren. Die konkrete Idee zum ersten Buch „Der Tote am Gletscher“ kam, als ich vor einigen Jahren vom Geschäft mit der Antikenhehlerei des IS las und mir gleichzeitig überlegte, dass unter dem schmelzenden Eis der Südtiroler Gletscher noch viel mehr Antikes liegen muss als nur Ötzi, seine Waffe und sein Schmuck.

Warum haben Sie sich für Südtirol und für Krimis entschieden? 

Südtirol, weil ich mich hier auskenne, weil das Land in mir drinsteckt. Krimi, weil die Struktur einem Halt gibt, weil viele Menschen gerne Krimis lesen und weil ich Bücher schreiben will, die gelesen werden.

Hatten Sie von Anfang an schon die komplette „Lebensgeschichte“ von Commissario Grauner & Co. vor Augen und erzählen sie diese nur den Lesern stückweise, oder entwickeln sich deren Schicksale erst während Sie schreiben?

Die „Vergangenheit“ von Grauner und Saltapepe hatte ich schon von Anfang an vor Augen und auch die Konflikte zwischen den beiden. Die weitere Entwicklung der beiden passiert beim Schreiben. Gerade schreibe ich an Band 6 und denke mir: Warum darf sich Saltapepe nicht endlich mal verlieben?  Ich weiß also bevor ich schreibe selbst noch nicht genau, wohin die Reise geht, das wär ja auch langweilig.

Setzen die Figuren sich aus wirklichen Personen zusammen, sind sie ein Mosaik aus den Menschen, die sie im Laufe Ihres Lebens getroffen und beobachtet haben?

Ja, das denke ich schon. Ich war immer schon ein bisschen menschenscheu aber ein leidenschaftlicher Beobachter. Aber meine Figuren sind natürlich nicht 1:1 Personen, die ich kenne. Sie sind sicherlich eher ein Mosaik aus vielen Beobachtungen, oft auch ein Teil von mir selbst.

In welcher Reihenfolge entstehen die Geschichten in Ihrem Kopf, zuerst die Figuren, dann die Handlung und dann der passende Südtiroler Ort?

Zuerst die Geschichte hinter der Geschichte. In „Der Tote am Gletscher“ die Antikenhehlerei und Ötzi, in „Die Stille der Lärchen“ Thomas Mann im Ultental, in „Das Leuchten über dem Gipfel“ der Wettbetrug im Fußball; damit zusammenhängend komme ich auf die Orte der Handlung, dann, oft erst während des Schreibens, kommen mir die Protagonisten in den Sinn.

Ich weiß also bevor ich schreibe selbst noch nicht genau, wohin die Reise geht, das wär ja auch langweilig.

Sie haben in fünf Jahren fünf Bücher veröffentlicht. Wie lange sitzen Sie an einem Buch von der Idee bis zum fertigen Manuskript?

Die genaue Stundenanzahl kann ich nicht sagen. Es ist ja bei jeder kreativen Arbeit so, dass die Idee im Kopf entsteht, dort auch während anderen Aktivitäten weiterrumort und nicht nur in dem Moment da ist, in dem man wirklich vor dem Computer sitzt. Die erste Niederschrift verändert sich im Laufe der Monate noch sehr. Ich bastele immer wieder daran und bis ganze Geschichte stimmt, von der ersten Zeile bis zum Zeitpunkt, an dem das fertige Buch in den Buchhandlungen liegt, vergeht ziemlich genau ein Jahr. 

Wie kann man sich Ihren Schreibprozess vorstellen? Schreiben Sie die grobe Geschichte in einem Stück runter und arbeiten es später aus oder setzen Sie sich jeden Tag dran und schreiben ein Stückchen weiter?

Die grobe Storyline habe ich vorab schon im Kopf, aber es passiert mir oft, dass sich die Details der Geschichte während des Schreibens in eine ganz andere Richtung entwickeln.

Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann Genre zu wechseln? Oder Handlungsort?

Ja, ich habe gerade zusammen mit Hubert Messner, dem ehemaligen Primar der Neonatologie in Bozen und Bruder von Reinhold Messner, ein Buch geschrieben: „Der schmale Grat“. Es erscheint im März und beschäftigt sich mit der Lebensgeschichte von Hubert Messner und mit den spannenden Themen: Geburt, Kinder, Leben und Tod.
Und dann arbeite ich gerade an einem anderen Buch, einem Roman ohne Toten und ohne Kommissar, aber darüber will ich noch nicht mehr verraten.