Società | Gesetzentwurf

Soziale Ader am Hof

Die Landesregierung sagt Ja zur Sozialen Landwirtschaft. Maria Hochgruber Kuenzer freut sich, sagt aber: “Grundstein ist gelegt, doch das Haus noch nicht beziehbar.”

Maria Hochgruber Kuenzer freut sich – trägt der Gesetzentwurf, den die Landesregierung am Dienstag gutgeheißen hat, doch maßgeblich ihre Handschrift. Noch seien nicht alle Details geklärt, noch bestehe Gesprächsbedarf, aber “ja, grundsätzlich kann ich sagen, ich freue mich”, sagt Hochgruber Kuenzer zu salto.bz. Es geht um ein Herzensanliegen der SVP-Landtagsabgeordneten: die Soziale Landwirtschaft.
“Soziale Landwirtschaft ist eine große Chance”, weiß auch Landesbäuerin Hiltraud Erschbamer. Gerade deshalb will Hochgruber Kuenzer ein waches Auge auf den Gesetzentwurf haben. Immerhin stecken zwei Jahre Arbeit dahinter – und soll vielen Menschen im Land zugute kommen.

 

Möglichkeiten eröffnen

Tiere werten und bewerten einen Menschen nicht und können damit oft mehr bewegen als ein Mensch.” Diese Erfahrung hat Nadia Schieder Ruggeri gemacht. Die Sozialpädagogin und begeisterte Reiterin macht mit ihren Pferden tiergestützte Aktivitäten. Auf ihrem Hof am Dorfrand von Seis am Schlern bietet sie außerdem heilpädagogisches Reiten, Reitprojekte für Kindergarten- und Grundschulkinder und auch Schule am Bauernhof an.
Nur ein Beispiel, wie der Gedanke der Sozialen Landwirtschaft in Südtirol bereits Fuß gefasst hat.
Vor zehn Jahren hat die Südtiroler Bäuerinnenorganisation das Thema aufgegriffen. Inzwischen werden auch Kinderbetreuung und Tagesmutterdienste am Bauernhof oder Mittagstische für Senioren erfolgreich angeboten. Unter anderem von Sozialgenossenschaften wie “Mit Bäuerinnen lernen – wachsen – leben”, deren Präsidentin Maria Hochgruber Kuenzer ist.

Die Zielgruppen von Angeboten und Dienstleistungen der Sozialen Landwirtschaft sind insbesondere Kinder, ältere Menschen, aber auch Menschen mit physischer oder psychischer Beeinträchtigung oder jene, die nur schwer einen Platz in der Gesellschaft finden. Das Potential ist groß: Natur erleben, in der Nähe von Tieren, bei der Arbeit im Garten, Wissen erfahren, aber auch Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen die Initiatliven. “All das in einem Umfeld, das sich nachweislich positiv auf Menschen auswirkt und helfen kann, den Sinn und Zweck des Daseins wiederzuentdecken”, unterstreicht Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler.

 

Lücke schließen

Was bislang fehlte war ein gesetzlicher Rahmen für die sozialen Initiativen am Bauernhof. Diese Lücke soll nun geschlossen werden. Es war eine Arbeitsgruppe, die den Gesetzentwurf für Soziale Landwirtschaft ausarbeitete und im Juli 2017 präsentierte. Federführend daran beteiligt waren neben Hochgruber Kuenzer und den Südtiroler Bäuerinnen die Landesfachschulen für Hauswirtschaft und Ernährung, der Südtiroler Bauernbund, die Freie Universität Bozen und die EURAC. Um den Entwurf rasch voranzubringen, wurde Landesrat Arnold Schuler gewonnen, der ihn gemeinsam mit Hochgruber Kuenzer einreichte. Nach einer Prüfung durch die Anwaltschaft des Landes konnte die Landesregierung am Dienstag grünes Licht geben.

Inhaltlich baut der Gesetzentwurf auf dem Staatsgesetz zur Sozialen Landwirtschaft Nr. 141 aus dem Jahr 2015 (“Disposizioni in materia di agricoltura sociale”) auf, beinhaltet aber eigene und neue Bestimmungen. Festgelegt werden Qualitäts- und Qualifikationsstandards, die für die Akkreditierung von Betrieben nötig sind, die im Bereich Soziale Landwirtschaft tätig werden wollen. Jene Betriebe, die die Voraussetzungen erfüllen, sollen dann Förderungen erhalten.

Zunächst soll aber eine Bedarfserhebung erfolgen: Welche Angebote braucht es für wen und wo? “Die Nachfrage steigt”, kann Landeshauptmann Arno Kompatscher heute schon berichten. Zugleich betont er, dass das Vorhaben in keinem Fall in Konkurrenz zu genossenschaftlichen Initiativen steht, sondern diese vielmehr ergänzen soll.

 

Fragen klären

“Es ist für mich eine klassische Win-Win-Situation”, so der Landeshauptmann. Hochgruber Kuenzer pflichtet bei: “Das Tolle an der Sozialen Landwirtschaft ist, dass neben der bäuerlichen Welt alle Bürgerinnen und Bürger damit eine Bereicherung erfahren.” Auf der einen Seite werden Angebote im pädagogisch-didaktischen sowie im therapeutischen und rehabilitativen Bereich geschaffen. Auf der anderen Seite ergeben sich Zu- und Nebenerwerbsmöglichkeiten für landwirtschaftliche Betriebe und jene, die sie bewirtschaften. “Vor allem den Bäuerinnen, die eine soziale Ader haben, bietet die soziale Landwirtschaft eine gute Möglichkeit sich am Hof eine Arbeitsmöglichkeit aufzubauen und sich ein Einkommen zu erwirtschaften”, bestätigt Landesbäuerin Hiltraud Erschbamer. Und Landesrat Schuler denkt noch weiter: “Wenn Höfe erhalten werden, bedeutet dies Qualität für die dort arbeitenden Menschen, für die Menschen, die eine Dienstleistung in Anspruch nehmen und für den ländlichen Raum insgesamt.”

So weit, so gut. Für Maria Hochgruber Kuenzer ist das Ziel aber noch nicht erreicht. Im Gesetzentwurf vermisst die Landtagsabgeordnete einige Detailregelungen und warnt davor, “vorschnell etwas anzukündigen”, das “noch nicht ausgereift ist”. Der Grundstein sei zwar gelegt, “doch das Haus ist noch nicht beziehbar”, bringt sie es auf den Punkt.
Nun gelangt der Gesetzentwurf zunächst in die zuständige Gesetzgebungskommission. Und wird dann im Landtag behandelt und verabschiedet. Bis dahin will Hochgruber Kuenzer nicht untätig bleiben, die fehlenden Punkte und die offenen Fragen klären und den Entwurf entsprechend ergänzen: “Ich werde mich darum kümmern, dass wir den Beschluss noch so maßschneidern, dass mit den Durchführungsbestimmungen ein guter Start der Sozialen Landwirtschaft gelingen kann.”