Politica | Interview

“Nicht das Evangelium”

Dieter Steger über die Strategie der SVP Bozen für die Gemeinderatswahlen, die Motivierungsmission und die Beschäftigung der SVP mit sich selbst.
Dieter Steger
Foto: Hannes Prousch

salto.bz: Herr Steger, als Stadtobmann der SVP in Bozen haben Sie den Vorschlag vorgebracht, dass Ihre Partei bei den heurigen Gemeinderatswahlen nicht mit einer Liste, sondern drei “Kleinen Edelweiß” antritt. Was erhoffen Sie sich davon?

Dieter Steger: Traditionelles Edelweiß oder kleine Edelweiß – das ist für uns die zweite Frage. Die erste Frage ist: Wie schaffen wir es am besten, der Bevölkerung unsere Stärke zu vermitteln?

Die da wäre?

Unsere Stärke ist, dass wir in der Stadt Bozen wohl die einzige Gruppierung sind, die mit ihren neun Ortsgruppen überall präsent ist, in allen Stadtvierteln und allen Teilen der Stadtviertel. Entsprechend stellen wir uns die Frage, wie wir es schaffen, unsere Mitglieder und Freunde der Volkspartei, die sich um die Stadt kümmern, auf eine Liste zu bringen, zu mobilisieren, zu signalisieren, es ist wichtig, dass ihr mitmacht. Im Gegensatz zu den Italienern, bei denen schnell mal einer sagt, ok, setz mich auf die Liste und somit entsprechend viele Kandidaten zusammenkommen, ist es bei den Deutschen in Bozen anders. Da gibt es eine andere Kultur.

Inwiefern?

Die Deutschen kandidieren, wenn sie von einer Sache überzeugt sind und auch gewählt werden wollen. Daher muss man einen Weg finden, um eine Kandidatur interessant zu machen.

Natürlich können wir nicht neun Edelweiß machen, für jede Ortsgruppe eins.

Ist das mit einer einzigen SVP-Liste, wie sie es bisher immer in Bozen gegeben hat, nicht mehr möglich?

In anderen Gemeinden haben mehrere Edelweiß-Listen Tradition, zum Beispiel in Deutschnofen. Für Bozen wäre es etwas Neues. In den vergangenen 20 Jahren haben wir nie mehr als 20-25 Kandidaten zusammenbekommen und gemeinsam mit Luis Walcher habe ich überlegt, wie wir am besten sicherstellen können, dass uns mögliche Kandidaten nicht gleich Nein sagen. Im Gespräch mit den Leuten habe ich festgestellt, dass man sich mit der Suche leichter tut, wenn ich sagen kann, dass es für uns ist ganz wichtig, dass wir uns fester um die Probleme in Gries, in Bozen-Zentrum kümmern und deshalb Leute auf einer möglichen Liste für Gries oder Bozen-Zentrum brauchen. Denn dann kandidieren die Leute für ihr Stadtviertel und wissen, dass sie etwas für ihr Stadtviertel machen kann. Das ist der Grund, warum wir gesagt haben, fassen wir die Möglichkeit, mehrerer Edelweiß-Listen ins Auge.

Mit Ihnen als SVP-Stadtobmann und dem amtierenden Vizebürgermeister und – wahrscheinlichem – Bürgermeisterkandidaten Luis Walcher haben die kleinen Edelweiß zwei mächtige Fürsprecher. Ziehen auch die neun Ortsgruppen mit?

Uns ist allen bewusst, dass ein Risiko dabei ist, etwa, dass die Wähler das nicht verstehen. Und ich sage auch nicht, dass mehrere Listen kommen werden. Als Stadtobmann sage ich nur, ich möchte Kandidaten auf die Liste bringen. Das habe ich auch den Ortsausschüssen so kommuniziert: Vergesst ein oder drei Edelweiß – wenn wir gemeinsam 30, 40, 50 Kandidaten auf die Liste bringen, dann können wir es so oder anders machen. Es ist nicht das System, das entscheidet. Entscheidend ist, wie schaffen wir es, die Leute zu motivieren, zu kandidieren. Die nächsten zehn Jahre sind entscheidende Jahre für Bozen. Es stehen sehr viele Sachen an und es ist wichtig, dass die Bürgerschaft aktiv teilnimmt. Das möchten wir ein wenig erleichtern und unterstützen. Natürlich können wir nicht neun Edelweiß machen, für jede Ortsgruppe eins. Aber wir können zum Beispiel sagen, Gries-Guntschna, Zentrum-Rentsch und Haslach sind drei Stadtviertel, wo die Volkspartei in den letzten Jahren gut Stimmen geholt hat und dass die Leute, die auf einer Liste dort in den Gemeinderat gewählt werden. Deshalb tun sich natürlich auch Chancen auf. Kandidaten, die zwar in den Stadtvierteln bekannt sind, in der ganzen Stadt aber vielleicht weniger, haben eine Möglichkeit, eher gewählt zu werden als auf einer einzigen Liste, wo es stadtbekannte, arrivierte Kandidaten noch viel leichter haben.

In der Vergangenheit hatten wir selten jemanden, der nach außen im Wesentlichen ähnliche Positionen vertritt.

Von drei Edelweiß-Listen erhoffen Sie sich mehr Mobilisierung – salopp gesagt also mehr Stimmen?

Ja, logisch. Aber ich sage es noch einmal: Ausgehen müssen Sie bitte von meiner Eingangsüberlegung: Wie schaffe ich es in einer Stadt, wo die Volkspartei seit jeher wohl die einzige Gruppierung ist, die in nahezu jedem Straßenzug ein Gesicht hat, diese Gesichter dazu zu bringen, auf eine Liste zu bringen.

Also doch nur eine Liste?

Es ist für uns nicht das Evangelium, zu sagen, wir müssen mit einer oder mit drei Listen antreten. Entscheidend wird sein, in den nächsten Wochen zu schauen, wie wir es schaffen, die Leute zu motivieren. Wenn es mit einer Liste geht, kein Problem. Mit drei Listen glaube ich, dass es leichter gelingt. Aber das wird sich ergeben.

Wie schlägt sich eine mögliche Aufsplitterung der Kandidaten auf drei Listen im Wahlprogramm nieder?

Wir sind seit Monaten dabei, mit dem Programmkomitee innerhalb des Koordinierungsausschusses das Wahlprogramm für die Stadt zu erstellen. Die Arbeiten sind fast abgeschlossen und wir werden die Ergebnisse bald präsentieren. Das Programm ist die Klammer. Denn man muss natürlich die gesamte Stadt denken – manifestiert wird das durch den Spitzenkandidaten, der für die Stadt steht. Natürlich werden die Gewählten Politik für die gesamte Stadt machen. Aber darüber hinaus möchten wir ganz klare Signale für die einzelnen Stadtviertel geben, sodass wir keinen weißen Fleck in der Stadt haben.

Wir werden uns natürlich bemühen, weiterhin den zweiten Mann bzw. die zweite Frau stellen zu können.

Wie groß oder gefährlich sehen Sie die politische Konkurrenz, die Team K der SVP heuer erstmals in Bozen macht?

Wir hatten immer politische Konkurrenz. Früher hat man sich vielleicht leichter abgrenzen können – da waren die Grünen mit einer gewissen Ideologie, die Blauen mit einer gewissen Ideologie, die sich nicht im Kern der Volkspartei befindet. In der Vergangenheit hatten wir allerdings selten jemanden, der nach außen im Wesentlichen ähnliche Positionen vertritt. Darauf muss man sich natürlich vorbereiten. Wenn eine neue Partei dazukommt, ist es immer ein Mitbewerber mehr, das ist klar. Aber wir befassen uns jetzt weniger mit den anderen, sondern konzentrieren uns auf unser Mobilisierungspotential, auf unsere Stärken. Wenn jetzt auch viele auf die Volkspartei schimpfen – auf der anderen Seite ist sie jene politische Gruppe, die überall präsent ist. Diese große Stärke gilt es zu valorisieren.

Welches konkrete Ziel hat sich die SVP Bozen für die Gemeinderatswahlen am 3. Mai gesteckt?

Das Ziel ist, dass wir als Südtiroler Volkspartei weiterhin für politische Stabilität sorgen können, wie wir es in den letzten sieben Jahrzehnten getan haben – indem wir in der Stadtpolitik mitarbeiten können. Unser Ziel ist es, einen Bürgermeisterkandidaten oder einen Spitzenkandidaten zu haben, der dann im Stadtrat eine wesentliche Rolle spielt.

Als Vizebürgermeister?

Wahrscheinlich. In Bozen gibt es knapp 80 Prozent italienische und etwas über 20 Prozent deutsche Wähler. Insofern ist es wahrscheinlich – auch wenn es andere Möglichkeiten nicht ausgeschlossen sind –, dass ein Italiener Bürgermeister wird. Und in dieser Konstellation werden wir uns natürlich bemühen, weiterhin den zweiten Mann bzw. die zweite Frau stellen zu können. Damit wir nach wie vor in Bozen eine wichtige Rolle einnehmen und eine Stabilität, die wir politisch immer gebracht haben, weiter garantieren können. Wenn der Vizebürgermeister von der SVP gestellt wird, ist das sicher sinnvoll, denn der hat gute Möglichkeiten, sich in der SVP auf Landesebene für die Bozner Interessen durchzusetzen. Das ist eine Zielsetzung, die wir auch haben: mitreden für unsere Stadt.

Wie schaffe ich es, einen Menschen, der politisch interessiert ist, zu motivieren, für die Volkspartei zu kandidieren? Diese Überlegung steht über allem.

Der offizielle Beschluss ist noch nicht gefallen. Aber es wird einen Bürgermeisterkandidaten Luis Walcher geben?

Die Entscheidung, ob wir alleine gehen oder mit einer Koalition antreten, sprich, ob wir einen eigenen Bürgermeisterkandidaten aufstellen oder nicht, haben wir noch nicht getroffen. Ich glaube, dass es eher der Fall sein wird, aber es ist noch nicht beschlossen.

Es könnte anders kommen?

Mein Gefühl ist, dass wir alleine gehen werden, weil wir einen starken Kandidaten haben, den wir in der Öffentlichkeit auch zeigen wollen. Und ich glaube es ist wichtig, dass man in einem Wahlgang die Ambition hat, die Führung der Stadt zu übernehmen. Mir ist ebenso wie dem Luis bewusst, dass bei 20 Prozent deutscher Wähler es recht schwer sein wird, dass er sich gegen einen anderen durchsetzt.

Am 17. Mai wird es höchstwahrscheinlich zur Stichwahl für das Bürgermeisteramt kommen, in der – Sie haben es angedeutet – traditionell zwei italienische Kandidaten gegenüberstehen. Wen wird die SVP im zweiten Wahlgang unterstützen?

Das ist nicht in dieser Phase zu entscheiden. In dieser Phase ist erst einmal selbst zu beschließen, wie man selbst auftritt. Danach ist zu schauen, wer als Bürgermeister für andere Parteien kandidiert und mit welchem Programm. Und dann kann die Volkspartei überlegen. Aber das ist eine Entscheidung, die wir – rechtzeitig – treffen sobald der erste Wahlgang vorbei ist. Das heute zu tun, ist nicht ok. Heute müssen wir erst einmal entscheiden, ob wir alleine gehen oder nicht. Alle anderen Entscheidungen kommen danach.

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Hermann Trebo Sab, 02/01/2020 - 11:14

Was sollen Wir in Bozen und speziefisch im Bozen Zentrum noch wählen ? Wenn Herr Benko seit geraumer Zeit und offensichtlich noch mit politischer Unterstützung , seit damals bereits jetzt das Feld dort beherrscht ?

Sab, 02/01/2020 - 11:14 Collegamento permanente