„In den 1980er Jahren war Bozen eine multikulturelle Hoffnung in Europa,“ erzählt Bartolomeo Sailer (Bart, Wang Inc.), „ich war damals sehr gerne in Bozen, Radio Tandem ermöglichte mir meine eigene Sendung und ich kam erstmals mit alternativer Musik in Kontakt. Ich muss gestehen, ohne die Zeit in Bozen hätte ich nie Musik gemacht.“
Nach seinen musikalischen Lehrjahren, sowie ersten Gehversuchen am Drum-Computer während der Oberschulzeit, verschlug es den 1971 in Sterzing geborenen Musiker, Komponisten und Videokünstler Anfang der 1990er Jahre nach Bologna, damals „Treffpunkt für die elektronische Musikszene.“
In der Hauptstadt der Emilia-Romagna, wo der Künstler heute noch lebt, absolvierte er ab 1993 erste Auftritte. 1999 machte er sich – mit dem Künstlernamen Wang Inc. – erstmals in der internationalen Musikszene einen Namen. Seine erste Scheibe erschien auf dem legendären Label Sonig von Mouse on Mars und Wang Inc. präsentierte seine Musik in ganz Europa. Sein Rezept: er verfeinerte gesammelte und zerstückelte Geräusche in angenehme, tanzbare Rhythmen zu neu komponierten Melodien. „Es ist eine Mischung aus Musique concrète  und echtem Popgefühl“ kommentiert er sein Debüt.

Mit dem ersten und auch den beiden nachfolgenden Alben Risotto 4/4 und Woods Roads bezog Wang Inc. auch politisch Stellung. „Für Risotto 4/4 hatte ich 30g Rock, 20g Jazz, 50g Punk, 5g klassische Musik, 5g Pop, 70g Glitch und 100g elektronische Musik, 20g Erinnerungen meiner Kindheit, 20g 9/11-Schock, 7g CS-Gas aus Genua und 400g Reis im Viervierteltakt in meinen Computer gespeist“ erinnert er sich, „Woods Roads hingegen gibt eine komplette Beschreibung einer musikalischen Reise wieder. Die entstandene Musik ist eine Flucht aus der Stadt, der globalen Metropole, die die menschlichen Wesen durch die Vielzahl an Gebäuden, Kaufhallen und Geschäftstempel überwältigt.“
Wang Inc.`s zeitlos gestaltetes "Reisgericht" und sein "Baum-Planet" – den er bei Live-Acts gemeinsam mit dem Video-Künstler Saul Saguatti umsetzte –, haben als prophetisches und politisches Statement weiterhin Aktualität.

Kurz vor den Ausgangsbeschränkungen der Corona-Pandemie hat Wang Inc. sein jüngstes Album vorgestellt, in der Folge allerdings sämtliche Live-Termine absagen müssen. Seine neuen Tracks, die unter dem Albumtitel Mediterraneo erschienen sind, beschreiben die Hoffnung und Verzweiflung von Flüchtlingen bei der Überquerung nach Sizilien. Es ist elektronische Musik mit lebendigen Bildern, viel Spannung und düsterer Atmosphäre.

Es sind Tage der Gerechtigkeit und des Kampfes, der Erinnerung und der Perspektive...

Von sehr großer Bedeutung ist für den Künstler der Feiertag der Arbeiter am 1. Mai, denn es schließt sich ein Reigen an Feierlichkeiten, die jährlich mit dem Gedenktag 21. April beginnen, an welchem Bologna 1945 von den faschistischen Nazis befreit wurde: „Es sind Tage der Gerechtigkeit und des Kampfes, der Erinnerung und der Perspektive. Insbesondere in den Zeiten von Covid-19 erfährt das Thema Arbeit und soziale Gerechtigkeit, aus kapitalismuskritischer Sicht, eine Neuauflage. Auch in Sachen Umweltpolitik.“
Das „neoliberale Wirtschaftsmodell, der Ressourcenverbrauch, die Luftverschmutzung und Ausbeutung von Arbeitskräften zielen nur darauf ab, Gewinne zu erzielen“, bedauert er. „Man muss das neoliberale Modell überarbeiten, ein antikapitalistisches Wachstum einzuführen, da sonst Rechte und das Wohlergehen der Menschen auf dem Spiel stehen, ähnlich wie 1886, als am 1. Mai in Chicago Geschichte geschrieben wurde.“
Bartolomeo Sailer ist überzeugt, „dass es notwendig ist, gesellschaftliche Modelle neu zu überdenken, anstatt nach dem ungezügelten Hedonismus der Präpandemie zu suchen.“

Für seinen Home-Auftritt bei Salto.bz hat Wang Inc. Umgebungsgeräusche und Polyrhythmen vorbereitet. Und vielleicht die eine oder andere Überraschung. Am 1. Mai 2020, ab 20 Uhr.