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Kein Platz für Egos

Musik, Illustration, Design – die Welt von Alissa Thaler war noch nie monothematisch. Heute arbeitet sie als Lead Designerin im englischen Brighton.
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Foto: Alissa Thaler

„Vor allzu großen Egos, die es in unserer Branche sehr viele gibt, darf man sich nicht abschrecken lassen“, erzählt Alissa Thaler lachend in unserem Zoom-Gespräch. „Das habe ich auch bei meinen Vorstellungsgesprächen gemerkt – selbst wenn man nicht alle Voraussetzungen für einen Job mitbringt, sollte man sich stets bewerben, denn wer begeistert für eine Sache eintritt, kommt gut an.“ Diese Fokussierung rät die 29-Jährige auch allen Berufseinsteigern, „denn die an der unibz vermittelte Dreisprachigkeit beeindruckt, vor allem hier in Großbritannien.“
Die Boznerin selbst hat nach ihrem Studium an der Fakultät für Design und Künste mehrere Etappen in verschiedenen Ländern durchlaufen. Bereits vor Studienabschluss wurde sie von einem Gründer aus Berlin, der selbst sein Designstudium in Bozen absolviert hatte, über einen Professor kontaktiert und für ein dreimonatiges Praktikum angeworben. „Die Firma ‘Leef’ produziert und vermarktet Einwegteller aus Palmblättern, inhaltlich wie strukturell war diese Erfahrung in der Weltstadt Berlin ein wichtiger erster Einblick in die Arbeitswelt“, erinnert sich Alissa an die Stadt, die junge Designer magisch anzieht. Nach dem Praktikum ging es für sie weiter nach Wien, wo sie ihren ersten Arbeitsvertrag als Designerin bei ’Strukt’ begann. „In der Stellenausschreibung suchte das Studio eigentlich nach einem Junior UI (User Interface) Designer. Doch mein interdisziplinärer Zugang zum Thema Design hat am Ende den Ausschlag dafür gegeben, dass sie mich ins Team geholt haben.“ Aus dieser Erfahrung heraus rät sie allen Berufseinsteigern, sich von fehlenden Qualifikationen nicht abschrecken zu lassen und sich dennoch zu bewerben, denn das Designstudium in Bozen hält dank des interdisziplinären Ansatzes und der Mehrsprachigkeit viele Türen offen in der Arbeitswelt.

Ich kann im Studio, von zu Hause aus oder in einem Café arbeiten. Es gibt keine Artdirektoren und Projektmanager, die Stunde für Stunde über meine Schulter blicken.
[Alissa Thaler]

Dieser ersten Arbeitserfahrung folgte eine weitere bei Virtue (Vice Austria) in einem Team von 120 Leuten. Dort lag ihr Arbeitsfokus vor allem auf Kampagnen, Social Media Content und Food Photography. Diese Vielseitigkeit lag Alissa, hat sie sich doch selbst schon während des Studiums in den verschiedensten kreativen Sparten versucht, von der Musik über erfolgreiche Teilnahmen an Poetry Slams bis hin zu Illustrationen. „Unser Designstudium hat uns zudem ein breites Fundament geboten, und da immer mehr Studios nach Allroundern suchen und die Grenzen der Designbereiche generell mehr verschwimmen, sind wir auf den Markt gut vorbereitet“, befindet Alissa. „Allerdings fehlten im Studium Aspekte, die in der Arbeitswelt unumgänglich sind, wie grundlegende Typographie, Webdesign oder Print-Kenntnisse, zudem Bereiche wie Vermarktung, Budgets oder Projektmanagement“, merkt sie kritisch an.
Vor zwei Jahren dann übersiedelte Alissa Thaler nach Brighton (UK), wo sie seitdem als Lead Designer in einem kleinen Studio arbeitet. In den vergangenen Jahren hat sie nebenher auch Projekte als Freelancerin angenommen, derzeit mit dem Schwerpunkt Illustratotion. „Mein jetziger Aufgabenbereich umfasst so ziemlich alles, von Project Management, zu Kundenmeeting und -updates, Research und Konzeption, Design und finalem Art Working“, umreißt Alissa ihren Arbeitsalltag. „Wir sind ein kleines, selbstorganisiertes Team mit unterschiedlichen Focusbereichen, die sich oft überschneiden.“ Ein wesentlicher Unterschied von England zu Festlandeuropa sei der Zugang zur Arbeitswelt: „Hier liegt der Fokus weniger auf Ausbildungen und Diplomen, es ist ziemlich normal, dass Leute nach dem Studium in einem komplett anderen Bereich eine Arbeit finden und direkt in der Arbeitswelt lernen.“ Das liege in einem Mentalitätsunterschied, denn in Europa neige man eher dazu, eine zweite Ausbildung anzuhängen, sollte man einen neuen Karriereweg einschlagen wollen. 

Was Alissa als Kreative schätzt ist die freie Arbeitseinteilung und das Fehlen hierarchischer Strukturen: „Ich kann im Studio, von zu Hause aus oder in einem Café arbeiten. Es gibt keine Artdirektoren und Projektmanager, die Stunde für Stunde über meine Schulter blicken. Bei uns gibt es keinen Platz für Egos.“ Sie selbst arbeitet vier Tage in der Woche, was es ihr ermöglicht, nebenbei als Freelance zu arbeiten und eigene kreative Projekte zu verfolgen. „Illustrationsprojekte liegen mir, ich mache nebenbei noch Musik und schreibe für eine Produktionsfirma Songs. Ich versuche, vor allem jetzt im Sommer, mehr in der Natur zu sein und zu reisen.“
Und das Meer liegt ihr – vor unserem Gespräch war Alissa schwimmen, den verganenen Sonntag – ihren Geburtstag, verbrachte sie radelnd am Meer. „Natürlich fehlen mir auch manchmal die Berge, aber über das Essen kann ich mich nicht beklagen, auch wenn alle meine Freunde das Schlimmste befürchten“, lacht sie. In Brighton selbst gäbe es allein vier Pizzerias, die von echten neapolitanischen Pizzabäckern geführt würden, weswegen die Vegetarierin gerne dort einkehrt. Und auch ihren besten Kaffee hätte sie im kulinarischen Hub London getrunken. „Wie meine berufliche Zukunft aussehen wird, weiß ich mit Blick auf den Austritts Großbritanniens aus der EU nicht. Derzeit genieße ich den pre-settlement-Status, habe aber keinerlei Auskunft, wo der Weg von Seiten der Behörden hingeht.“ Mit ihrem vielfältigen Portfolio in der Tasche bereitet der Desginerin ihre die berufliche Zukunft jedoch keinerlei Kopfzerbrechen.