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Rechtlicher Graubereich

Meinungsumfragen müssen in Italien dem Ministerratspräsidium gemeldet werden. Der Athesia-Verlag kümmert sich darum nicht. Er glaubt eine Gesetzeslücke gefunden zu haben.
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Foto: upi
Die Gesetzeslage ist klar.
Am 22. Februar 2000 verabschiedete das Parlament das Gesetz Nr. 28, das die Veröffentlichung von Meinungsumfragen in Italien regelt. Laut dem Gesetz sind politische Meinungsumfragen 15 Tage vor den Wahlen grundsätzlich verboten.
Das Gesetz verpflichtet jedes Medium, das die Ergebnisse von Meinungsumfragen publiziert, seinen Lesern und Leserinnen Auskunft über Auftraggeber, durchführendes Institut und ein paar Eckdaten zur Methode zu geben.
Dazu aber muss jede Umfrage vorab bei einer eigenen Behörde angemeldet werden, die beim Ministerratspräsidium angesiedelt ist. Genauer gesagt beim „Dipartimento per l´Informazione e l´Editoria“. Jenes Amt, das über die Förderung der Minderheitenzeitungen der „Athesia Druck GmbH“ für die Dolomiten jährlich rund 1,3 Millionen Euro überweist. Auch die Neue Südtiroler Tageszeitung bekommt rund 700.000 Euro im Jahr aus diesem Topf, was zumindest für einen gewissen Pluralismus in Südtirol sorgt.
 
Das Staatsgesetz sieht vor, dass das Massenmedium, das die Umfrage veröffentlicht, das durchführende Institut darauf hinweist, dass genaue Angaben zur Methodik auf der entsprechenden Internet-Seite des Ministerratspräsidiums (http://www.sondaggipoliticoelettorali.it) zu hinterlegen sind. Dabei sind Auftraggeber, Methodik, die Anzahl der befragten Personen, die genaue Beschaffenheit der Stichprobe, die genaue Zeitspanne, wann die Umfrage durchgeführt wurde und auch das Publikationsdatum. Doch dem nicht genug. Es muss auch der genaue Wortlaut der Fragen hinterlegt werden.
Alle diese Daten werden auf der Internetseite der Behörde publiziert, so dass jeder User auf sie zugreifen kann.
Es ist eine Bestimmung, die für größtmögliche Transparenz sorgen soll.
 

Südtirol ist nicht Italien?

 
Dieses Staatsgesetz gilt natürlich auch für Südtirol.
So etwa hat das Meinungsforschungsinstitut „G. Gruber & Partner“ 2012 im eigenen Auftrag und 2014 im Auftrag der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“ eine politische Meinungsumfrage durchgeführt. Beide Umfragen findet man auf der Internetseite des Ministerratspräsidiums. Auch die genauen Fragen. Schön übersetzt ins Italienische.
Im Jänner 2016 hat das Bozner Meinungsforschungsinstitut „apollis“ im Auftrag des Südtiroler Heimatbundes eine Umfrage zur Südtirolautonomie gemacht, deren Ergebnisse dann auf der Onlineplattform „unsertirol24.com“ veröffentlicht wurden. Auch diese Umfrage findet man genauso detailliert, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, auf der Internetseite. Ebenso drei Meinungsumfragen, die „apollis“ für die Südtiroler Wochenzeitung FF zu den Landtagswahlen 2013 gemacht hatte.
Doch das Gesetz ist anscheinend nicht für alle gleich.
Denn von der großen Meinungsumfrage zu den Landtagswahlen 2018, die das Linzer Meinungsforschungsinstitut „Market“ vor einigen Wochen im Auftrag der „Athesia AG“ gemacht hat und deren Ergebnisse tagelang die Titelseiten der „Dolomiten“ und des „Alto Adige“ füllten, findet sich auf der Internetseite des Ministerratspräsidiums keine Spur.
Ein klarer Gesetzesverstoß? Mit größter Wahrscheinlichkeit.
Auch die Argumentation, dass die staatliche Regelung für ausländische Umfrageinstitute nicht gelte könne, dürfte ins Leere laufen. Denn das Gesetz richtet sich nicht an die Meinungsforschungs-Institute, sondern an ihre Auftraggeber und die Medien, die die Ergebnisse der Umfragen publizieren. Diese aber unterliegen im Fall von Athesia und Dolomiten bzw. Alto Adige ganz sicher der italienischen Gesetzgebung.
 
Zudem würde eine solche Auslegung auch gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Ausländische Umfrageinstitute hätten gegenüber ihren inländischen Kollegen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil, weil für sie der Aufwand deutlich geringer wäre.
Ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung.
 
 

Die Vorgeschichte

 
Zuständig für die Überwachung wäre eigentlich der Landesbeirat für Kommunikationswesen. Doch dort hat man anscheinend von alledem nichts mitbekommen. Wie es meistens in Südtirol ist, wenn der mächtige Medienkoloss Athesia im Spiel ist.
Dass es durchaus anders geht, zeigt eine bisher kaum bekannte Vorgeschichte. Kurz vor den Landtagswahlen 2008 befragte die „Neue Südtiroler Tageszeitung“ 20 prominente Südtiroler und Südtirolerinnen, was sie wählen werden. Das Ergebnis war durchaus ausgeglichen.
Wenig später landete im „Dipartimento per l´Informazione e l´Editoria“ aber eine Anzeige aus Südtirol. Die Schlagrichtung: Bei diesen Stellungnahmen handle es sich um eine Meinungsumfrage. Eine solche sei aber laut dem genannten Gesetz 15 Tage vor den Wahlen verboten.
Es wurde ein Ermittlungsverfahren gegen die Tageszeitung eingeleitet, bei dem es um einen Strafbescheid in sechsstelliger Höhe ging. Am Ende wurde das Verfahren archiviert.
Aber auch das gehört nicht nur zu Südtirol: Bei den Kleinen ist man stark und bei den Großen meistens schwach.

 

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rotaderga Ven, 08/31/2018 - 07:30

Wie hoch ist der Beitrag für Salto, wie hoch für Rai Südtirol. Nur die obengenannten €uronen betragen für jeden Einwohner 4 € pro Jahr aus dem Steuertopf, nicht wenig meine ich für die gelieferte… Qualität.

Ven, 08/31/2018 - 07:30 Collegamento permanente
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Renate Holzeisen Ven, 08/31/2018 - 10:16

Echte Demokratie setzt vielfältige von Machtkonzentrationen unabhängige Medien voraus. Kein Zufall also, dass es in Südtirol Beides nicht gibt. Der Wähler hat nächstens die Möglichkeit, dies nachhaltig zu ändern.

Ven, 08/31/2018 - 10:16 Collegamento permanente