Politica | Landtag

„40 Gefallen für die Lobbys“

Der Grüne Riccardo Dello Sbarba über das neue Gesetz zu Natur und Raum, den Einfluss der Baulobby, den Schaden für die Gemeinden und den Grundsatzfehler an dieser Reform.
Riccardo Dello Sbarba
Foto: Grüne Verdi Verc
Salto.bz: Herr Dello Sbarba, der Landtag behandelt gerade die Reform des Gesetzes für Natur und Umwelt. Wurde das Gesetz vom Südtiroler Bauernbund gemacht?
 
Riccardo Dello Sbarba: Nein, diesmal nicht. Bei der ursprünglichen Reform der Raumordnung von Richard Theiner haben die Bauern und die Hoteliers alle ihre Wünsche untergebracht. Mit diesem Gesetz sollten jetzt die Baufirmen, die Immobilienhaie und Spekulanten ihre Schäfchen ins Trockene bringen.
 
Die sogenannte Baulobby?
 
Ja, die Baulobby. So sind in diesem Gesetz einige Bestimmungen enthalten, die auf die Begehrlichkeiten gewisser Interessensgruppen zugeschnitten sind.
 
Was zum Beispiel?
 
Nehmen wir die Bestimmung, die festlegen sollte, dass in gewissen Gemeinden nur mehr konventionierte Wohnungen für Ansässige gebaut werden dürfen. Es sind 25 Gemeinden und 26 Fraktionen, in denen es bereits mehr als 10 Prozent an Zweitwohnungen von Auswärtigen gibt. Mit dieser Norm wollte man das Recht auf eine Wohnung für jene Menschen sichern, die nicht zu den Tourismustreibenden oder Wohlhabenden gehörten....
In diesem Gesetz sind einige Bestimmungen enthalten, die auf die Begehrlichkeiten gewisser Interessensgruppen zugeschnitten sind.
 
Man wollte der Spekulation einen Riegel vorschieben?
 
Es war eine Bestimmung gegen die Spekulation. Jetzt wollte man mit diesem Gesetz genau diese Bestimmung aber völlig aushöhlen. Man wollte mit einem Abänderungsantrag festlegen, dass diese neue Kubatur zwar für Ansässige konventioniert werden muss, dass sie aber gleichzeitig an Touristen vermietet werden kann. Die ganze Sache ist völlig absurd. Denn hier sagt man in einem Satz das eine und im nächsten das völlige Gegenteil davon. Doch Teile der SVP wollten das...
 
Warum reden Sie in der Vergangenheit?
 
Weil die Landesregierung auch aufgrund des Drucks, den die gesamte Opposition im Landtag gegen diese Aufweichung gemacht hat, hier teilweise einen Rückzieher gemacht hat. Man hat die 25 Gemeinden und 26 Fraktionen noch einmal unterteilt, in strukturstarke und strukturschwache Gemeinden. Jetzt will man diese Ausnahmebestimmung nur mehr für jene Gemeinden gelten lassen, die touristisch schwach entwickelt sind. Damit wird der Schaden deutlich eingedämmt. Was aber bleibt, ist die völlige Konzeptlosigkeit innerhalb der SVP in diesen Dingen.
Was aber bleibt, ist die völlige Konzeptlosigkeit innerhalb der SVP in diesen Dingen.
Sie haben in Ihrer Rede vehement die Tatsache kritisiert, dass man mit dem Raumordnungsgesetz nicht auch das Wohnbaugesetz organisch überarbeitet hat.
 
Das ist für mich eine Todsünde. Man hätte gleichzeitig mit dem neuen Gesetz für Natur und Raum auch das Gesetz über den geförderten Wohnbau überarbeiten müssen. Doch das ist nie geschehen. Der Grund dafür ist klar: Innerhalb der Mehrheit gibt es eine Gruppe, der der geförderte Wohnbau ein Dorn im Auge ist und die den geförderten Wohnbau abschaffen will. Indem man sagt, diese Art des Bauens hat ihren Zweck inzwischen erfüllt, jeder hat eine Wohnung oder ein Haus und deshalb soll der Markt entscheiden....

 
 
Die Grünen sind hier dagegen?
 
Natürlich. Denn wir stellen das Recht auf eine Wohnung über das Recht Geschäfte und Profit im Wohnungsbau zu machen. Viele Artikel waren und sind immer noch genau darauf zugeschnitten: dem Recht, mehr Profit aus der Bautätigkeit zu scheffeln. Man muss nur daran erinnern, dass mit dieser Reform auch den Gemeinden wichtige Gelder entzogen werden.
Innerhalb der Mehrheit gibt es eine Gruppe, der der geförderte Wohnbau ein Dorn im Auge ist und die den geförderten Wohnbau abschaffen will.
Sie meinen die Kürzung der Baukostenabgabe?
 
Ja. Hier und auch bei den Erschließungskosten gibt es eine ganze Reihe von Bestimmungen, die die Kosten für die Bauherren deutlich senken. Das heißt ganz einfach: Man nimmt den Gemeinden Einnahmen und Geld und lässt es dafür bei den privaten Unternehmern und Spekulanten.
 
Sie sagen: Die Gemeinden kommen durch diese Mindereinnahmen in Schwierigkeiten?
 
Sicher. Die Gemeinden werden finanzielle Probleme bekommen. Denn durch die Theiner-Reform wurden den Gemeinden eine ganze Reihe neuer Kompetenzen und Aufgaben in der Raumordnung übertragen. Gleichzeitig aber reduziert man mit diesen Bestimmungen die Einnahmen der Gemeinden deutlich.
 
Die SVP-Lega-Mehrheit im Landtag stimmt alle Abänderungsanträge der Opposition systematisch nieder.
 
Leider. Wenigstens haben wir bisher die Bestimmung zu den Frauen in den Baukommissionen durchgebracht. Hier haben wir die Formulierung in das Gesetz gebracht, dass eine angemessene Vertretung in diesen Gremien gegeben sein muss. Das heißt 30 Prozent Frauen. Das ist sicher ein Schritt nach vorne. Aber alles andere hat man niedergestimmt.
 
Eine nutzlose Arbeit im Landtag?
 
Nein. Denn wir haben es durch unsere Kämpfe geschafft, dass die SVP in einigen Punkten noch einmal umgedacht hat. Und es kam und kommt SVP-intern zu Konflikten. Natürlich macht man es dann so, dass die SVP selbst einen Abänderungsantrag vorlegt, um ja nicht im Landtag einen Antrag der Opposition annehmen zu müssen. Aber wir haben es wenigstens geschafft, die zwei skandalösesten Punkte in diesem Gesetz abzuändern.
Wir stellen das Recht auf eine Wohnung über das Recht Geschäfte und Profit im Wohnungsbau zu machen.
Auch innerhalb der SVP gibt es zu einigen Punkten eine kontroverse Diskussion?
 
Das wurde im Landtag mehr als deutlich. Bei manchen Punkten hat man große Schwierigkeiten. Etwa bei dieser geplanten Verlegung des Termins, an dem dieses Verbot konventionierte Wohnungen an Nicht-Ansässige zu vergeben in Kraft treten soll. Im Theiner-Gesetz war der 13. Juli 2018 dafür vorgesehen. Mit diesem Gesetz will man die Frist jetzt rückwirkend bis zum 5. Oktober 2018 verlängern. Hier geht es ausschließlich um eine handvoll privater Projekte und darum, einigen Spekulanten den Profit nicht zu verderben.

Auch zu diesem Punkt gibt es von der SVP drei verschiedene Abänderungsanträge, die sich teilweise widersprechen?
 
Hier gibt es innerhalb der SVP verschiedene Meinungen und eine kontroverse Diskussion. Wir werden sehen, was in dieser Nacht noch passiert (das Interview wurden am Freitagabend geführt – Anm. d. Autors). Derzeit schaut es so aus, dass jene Abänderung eine Mehrheit hat, die den Schaden zumindest etwas begrenzt. Aber trotzdem ist diese Sache für uns untragbar. Es gab 2018 einen klaren Termin, den alle bereits fast ein Jahr vorher kannten. Jene, die sich daran gehalten haben, sind jetzt plötzlich die Blöden. Denn mit diesen Bestimmungen werden jene belohnt, die den Termin versäumt haben. An dieser Ungerechtigkeit ändert sich auch nichts, wenn man die Anzahl der möglichen Begünstigten jetzt etwas einschränkt. Das ist ein klarer Artikel ad personam, den es einfach nicht braucht.
 
Wie werden Sie und Ihre Partei sich bei der Schlussabstimmung zur diesem Gesetz verhalten?
 
Wir werden natürlich gegen diese Reform stimmen. Denn dieses Gesetz sollte eigentlich nur aus einem Artikel bestehen, in dem steht, dass die ursprüngliche Theiner-Reform für weitere sechs Monate aufgeschoben wird. Herausgekommen sind aber 40 neue Artikel und Änderungen. Und jeder Artikel ist ein Gefallen für eine Lobby.
 
Nachtrag: Das neue Gesetz für Raum und Landschaft wurde am Freitag kurz vor 20 Uhr mit 18 zu 16 Stimmen vom Landtag genehmigt. 
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Hans Hanser Sab, 11/30/2019 - 14:54

Die Partei ist fragwürdig, aber Dello Sbarba ist mitunter der beste Politiker, den Südtirol vorzuweisen hat. Die Machenschaften der Lobbies im Wohnungsbau sind wahrlich eklatant, Südtirol schaufelt sich hier sein eigenes Grab.
P.S. wie hat sich eigentlich Jasmin Ladurner bei der Abstimmung verhalten? Hatte sie doch im Wahlkampf groß "leistbares Wohnen" angekündigt.

Sab, 11/30/2019 - 14:54 Collegamento permanente
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Eva Ormos Mar, 12/03/2019 - 19:05

Es ist ein Jammer und eine fatale Fehlentwicklung in der Politik der SVP, sich den Lobbyisten zu beugen .....! Denn, dass die nur die Vorteile ihrer Brotgeber (und nicht der Allgemeinheit) im Augen haben ist mehr als auffällig.

Mar, 12/03/2019 - 19:05 Collegamento permanente