Cultura | Salto Afternoon

Der andere Giorgio

Der Musiker Hilmar Gamper absolvierte vor kurzem den ersten Auftritt seiner Kunstfigur Giorgio Merano in Meran. Ein Gespräch abseits der Tanzfläche.
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Foto: Hillberg and D-Tex

salto.bz: Herr Gamper, warum nennen Sie sich Giorgio Merano?

Giorgio Merano: Das hat sich in den letzten Jahren so ergeben. Nachdem ich mehrere Jahre meines Lebens in Meran verbracht habe, was lag näher, als mich irgendwann "Giorgio Merano" zu nennen. Es ist dies aber auch ein eindeutiges Statement, um mich von dem anderen Giorgio  jenem aus St. Ulrich/Gröden  zu unterscheiden.


Seit wann spielt Musik bei Ihnen eine ähnlich wichtige Rolle wie beim anderen Giorgio?

Ich mache seit den 1980er Jahren Musik. Angefangen hat alles mit Experimental-Elektronik, im oberösterreichischen Linz. Dort gibt es seit nunmehr 40 Jahren die Ars Electronica und ich und meine Freunde haben uns bei der zweiten Ausgabe mit gefälschten Journalistenausweisen auf das Festivalgelände geschmuggelt. Dort haben wir Klaus Schulze und Conrad Schnitzler – er ist der Vater der elektronischen Musik – kennengelernt. Diese Begegnungen haben uns inspiriert erste Elektronikbands zu gründen. Sicher war auch Giorgio Moroder damals interessant für uns, weil er ebenfalls einer der ersten war, der elektronische Musikinstrumente wie Synthesizer und Sequenzer, in seine Songs eingebaute.

 

Wie erinnern Sie sich an die ersten Schritte auf Ihrem musikalischen Lebensweg?

Die Inspiration kam von Cluster, eben von Conny Schnitzler – dem ersten Punk, lange vor Punk. Während ich in den 1980ern im Fach Musik beinahe durchgefallen wäre, sagte mir Schnitzler: "Wenn du in klassischer Musik durchgefallen bist, dann sind das die besten Voraussetzungen für elektronische Musik, denn dann bist du endlich unvorbelastet." 


Unsere erste Band hieß Omicron. Ich erinnere mich an einen Auftritt in einem Kindergarten, wo wir sphärische elektronische Musik spielten. Die Kinder begannen zu weinen und baten uns aufzuhören. Wesentlich erfolgreicher und bis heute relativ bekannt ist hingegen das Bandprojekt Mojique – auch wegen des Sängers Julius Zechner. Es folgte dann um 1985/86 noch The Waltz und ein Acid-House Projekt um 1990. Zu uns kamen Bands wie Attwenger und ließen sich die Drums produzieren. Wurden wir am Anfang eher verlacht, zählten wir später zu den Pionieren in der Szene.

Sie sind in Linz aufgewachsen. Einige Jahre Ihrer Kindheit haben Sie auch in Meran verbracht…

Mein Vater stammte aus dem Ultental, meine Mutter aus Linz. Ich bin in Wien geboren und wuchs dann die ersten sechs Jahre in Linz auf. Später lebte ich einige Jahre in Meran – in der Piavestraße, später im Rennstallweg. Mit 12 Jahren zog ich wieder nach Linz.

 


Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre frühen Merano-Jahre?

Ich habe gemischte Erinnerungen an meine Meraner Zeit. Es waren die 1970er und es war die Zeit in welcher die Spannungen zwischen deutsch- und italienischsprachigen Südtirolern sehr groß waren. Mich hat das damals dahingehend sehr geprägt, dass ich eben sehr jung war und jeden Blödsinn mitgemacht habe. Ich war beispielsweise immer ganz vorn dabei, wenn es um Schlägereien ging – was ich mittlerweile wirklich sehr bereue.

Sie sagen Sie wären als Kunstfigur Giorgio Merano mit Donna Summer rund dreißig Jahre im Eis festgefroren gewesen und erst vor wenigen Jahren wieder aufgetaut. Wie nahm die doch unverkennbar auf Giorgio Moroder zugespitzte Geschichte ihren Anfang?

Bei unserer Band Hillberg and D-Tex sind wir 2011 – mit unserem zweiten Track – auf die Giorgio Moroder-Geschichte gestoßen und dann hat sich daraus die io-sono-il-vero-Giorgio-Geschichte entwickelt. Der wahre Giorgio, der bereits vor dem Grödner-Giorgio Disco, Electronic Disco und Italo Disco gemacht hat, war nur eben dreißig Jahre im Gletschereis festgesteckt. Dieser Spin hat sich im Laufe des Projekts weiterentwickelt und immer mehr Spaß gemacht. Mittlerweile stehen wir da, mit unserer Story und diesem Narrativ. Der echte Giorgio lebt, wie auch die echte Donna Summer, die ja eigentlich Bart trägt... Unsere Geschichte gab es bereits vor dem Hype um Giorgio Moroder und Daft Punkt. 

 


Wie haben Sie Ihren ersten Auftritt in Südtirol vor wenigen Wochen erlebt?

Das Schöne ist ja, dass die Kunstfigur Giorgio Merano sich eigentlich weit weg von Südtirol bewegt, aber durch meine Vergangenheit ist sie auch ganz nah. Sie hat etwas Therapeutisches. Ich war überrascht, wie positiv sich Meran über die gesamten letzten Jahrzehnte hinweg verändert hat. Heute gibt es hier eine lebendige und offene Kulturszene.

Und wie sieht es in Linz aus?

In Linz ist leider viel kulturelle Lebensqualität verloren gegangen, da sich die Kultur aus nicht nachvollziehbaren Gründen seit 2009 auf Hochkultur fokussieren möchte – was bekanntlich bereits von den Nachbarstädten Wien und Salzburg bestens besetzt wird. Leider wird in Linz seit 2009 eine Kulturpolitik betrieben, um es in einem Vergleich zu sagen: als würden Bozen und Meran mit Rimini um den schönsten Meeres-Sandstrand rittern.

Hillberg and D-Tex - That Giorgio Track