Società | Gewalt

“Das passiert immer wieder”

Am Wochenende hat es in Lana eine gewalttätige Auseinandersetzung gegeben. Darin verwickelt, “eine Gruppe Neonazis” und ein Disko-Türsteher, berichtet ein Betroffener.

Aus Gründen des Personenschutzes wird der Name des Interviewpartners, der der Redaktion bekannt ist, nicht veröffentlicht.

salto.bz: Was ist in der Nacht von Freitag, 27. Mai, auf Samstag, 28. Mai, passiert?
Im Anschluss an einen Abend, den wir auf einer anderen Veranstaltung verbracht haben, sind wir noch in die Diskothek Exclusiv in Lana gegangen.

Wer ist “wir”?
Wir waren eine Gruppe von ungefähr zehn Leuten, darunter auch zwei Frauen und mehrere Minderjährige. Gegen 4 Uhr haben wir beschlossen, von der Disko nach Hause zu gehen. Als wir das Lokal verlassen haben, wurden wir noch auf dem Disko-Gelände von einer Gruppe Neonazis angepöbelt. Ein Zeuge will gehört haben, dass sich diese Gruppe vorher draußen ausgemacht hat, “diese Scheiß-Linken” abzupassen.

Wie haben Sie und Ihre Begleiter Freitag Nacht auf die Pöbeleien vor der Diskothek reagiert?
Wir sind an der Gruppe vorbei gegangen. Dabei sind einige unschöne Kommentare aus beiden Richtungen gefallen. Wir haben dann aber beschlossen, das Gelände geschlossen zu verlassen. Die Neonazis sind uns nachgegangen, wobei mehrmals Hände zum Hitlergruß gestreckt wurden.

Eine Provokation?
Aber sicher. Mir wurde berichtet, dass es bereits im Lokal selbst zu Anfeindungen gegen einige aus unserer Gruppe gekommen ist, die als Antifaschisten oder “Linke” ausgemacht wurden.

Wie ging es vor der Diskothek weiter?
Es ist dann zu einer Rangelei gekommen und schließlich zur Schlägerei. Dabei wurde einem aus unserer Gruppe derart fest ins Gesicht geschlagen, dass seine Brille kaputt gegangen ist und die Glassplitter die Haut rund um sein Auge aufgeschlitzt hat. Die Wunde musste später mit 14 Stichen genäht werden.

Wurde vonseiten Ihrer Gruppe die Aggressionen geantwortet?
Ich muss sagen, dass beide Seiten nicht zimperlich miteinander umgegangen sind.

Sie sagen, Sie wurden als “Linke” angegriffen. Würden Sie sich als politisch links bezeichnen?
Wir sind keine politische Gruppe, sondern wir sind eine Gruppe von Freunden. Wir haben teils verschiedene politische Meinungen, sehen uns aber alle als Antifaschisten.

Was macht Sie sicher, dass es sich bei den Provokateuren um Neonazis handelte?
Die Gruppe ist bekannt. Es hat schon mehrere Zwischenfälle gegeben, in die sie verwickelt waren. Einige davon in Lana, einige auch in einem anderen Nachtlokal und anderswo. Es handelt sich um eine größere Gruppe, deren Mitglieder in die Vorfälle verwickelt waren. Die meisten kommen aus Völlan, Prissian oder Tisens.

Wer war in der Gruppe, die am Freitag vor dem Exclusiv gewartet hat?
Es waren zwischen 12 und 15 Personen, auch Frauen. Und bei der Gruppe war an diesem Abend auch der H.M., Mitte 30, bekannt als Neonazi, der bereits im Zuge der Aktion Odessa im Jahr 2008 verhaftet wurde.

Woran machen Sie konkret fest, dass es Neonazis sind, wie Sie sagen?
Unter anderem an der Kleidung. Freitag Nacht trugen viele Thor-Steinar-Klamotten. Die Marke ist einschlägig dafür bekannt, in rechtsextremen Kreisen beliebt zu sein.

Hat es auch bereits Zwischenfälle mit Ihrem Freundes- beziehungsweise Bekanntenkreis gegeben?
Wir “kennen” uns, ja. Es hat bereits öfters Streitereien gegeben.

Wenn Sie wissen, dass es auch im Exclusiv zu Auseinandersetzungen kommen kann, warum gehen Sie und Ihre Freunde immer noch dorthin?
Wir werden uns doch nicht verbieten lassen, dorthin zu gehen, wo wir gern hingehen möchten. Das lassen wir uns von niemandem vorschreiben.

Man könnte doch sagen, Schlägereien wie die vom Freitag kommen immer wieder im Nachtleben vor.
Das vom Freitag war eine politisch motivierte Gewalttat, die von einer Seite, nämlich von der Gegenseite, ausgegangen ist. Wir vertreten eine antifaschistische Grundhaltung. Und wenn nationalsozialistisches und rassistisches Gedankengut mit Gewalt verbreitet und Andersdenkende oder vermeintliche “Gegner” mundtot gemacht werden sollen, dann muss man sich wehren.

Hat jemand in die Schlägerei eingegriffen?
Wir waren schon auf der Straße angekommen, als zwei Türsteher vom Exclusiv zu uns gestoßen sind und versucht haben, die Situation zu schlichten. Beide hatten Schlagstöcke in der Hand und anfangs schien es so, als wollten sie für Ruhe sorgen.

Sie sagen, es schien so?
Ziemlich schnell hat sich herausgestellt, dass einer der beiden Türsteher Partei ergreift. Und zwar die der Neonazis. Er hat Leute aus unserer Gruppe gepackt, seinen Schlagstock an den Hals gedrückt und gewürgt und uns immer wieder angeschrien: “Geht jetzt!” Der andere Türsteher hat immer wieder gedroht, er würde die Carabinieri holen. Wir haben ihm geantwortet: “Mach doch!”

Sind die Carabinieri erschienen?
Nein, aus welchem Grund auch immer hat sie der Türsteher nicht verständigt.

Warum haben Sie die Carabinieri nicht gerufen?
Die Situation war zu chaotisch, als dass es noch jemand geschafft hätte zu telefonieren.

Was ist dann passiert?
Wir sind dann weitergegangen, weil wir ein Taxi organisieren und unseren verletzten Kollegen ins Krankenhaus bringen wollten.

War die Auseinandersetzung damit beendet?
Nein. Wir sind ungefähr 350 Meter weiter bis zu einem Kreisverkehr gegangen. Dabei hat uns eine Person aus der Neonazi-Gruppe verfolgt. Etwa fünf Minuten später kam ein Auto angebraust. Darin saß einer der beiden Türsteher, jener, der uns vorher bedroht hatte. Als er ausgestiegen ist, haben wir gesehen, dass er einen Schraubenschlüssel in der Hand hielt. Damit hat er sich uns genähert. Und uns angebrüllt, wir sollten gehen.

Die Szene in der Nähe des Kreisverkehrs wurde auf einem Video festgehalten. Der Schraubenschlüssel ist gut erkennbar.

Ist er auch handgreiflich geworden?
Er hat mit seinen Lederhandschuhen Fausthiebe ausgeteilt, uns herumgeschubst und bedroht. Dann sind plötzlich einige der Neonazis aufgetaucht, in der Hand hielten sie Baseballschläger und Flaschen, mit denen sie uns angegriffen haben. Wir haben uns erfolgreich zur Wehr gesetzt.

Hatten Sie und Ihre Begleiter auch Waffen? Oder wie haben Sie sich gewehrt?
Wir hatten keine Waffen. Wir haben uns nur mit unseren Fäusten verteidigt.

Wie hat der Türsteher reagiert? Hat er eingegriffen?
Ja, er hat einige gepackt, sowohl aus unserer als auch aus der anderen Gruppe. Aber auf der anderen Seite ist das Einschreiten nur sehr halbherzig passiert, hatte ich den Eindruck. Der Türsteher kannte die Neonazis sogar beim Namen und hat sich klar auf ihre Seite geschlagen. Ich finde es erschreckend, dass jemand, der für die Sicherheit der Besucher einer Diskothek sorgen sollte, uns verfolgt und – übrigens außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs – bedroht. Der Mann ist absolut aggressiv aufgetreten, wie eine Furie. Insbesondere als er bemerkt hat, dass er gefilmt wird.

Sie haben die Szenen auf Video festgehalten?
Mit unseren Handys, ja. “Ich finde euch alle!”, “Handys weg!” und “Löscht die Videos!” hat der Türsteher dann gebrüllt. Und dabei mit dem Schraubenschlüssel gedroht.

Wie ist das Ganze ausgegangen?
Wir haben schließlich entschieden zu gehen und sind geschlossen zur nächsten Bushaltestelle weiter. Von dort haben wir die eine Person zum Weißen Kreuz gebracht, der Rest von uns ist mit dem ersten Bus heimgefahren. Dabei meint einer, der den Vorfall miterlebt hat, sogar, den einen aggressiven Türsteher später im Auto erkannt zu haben, mit dem einige der Neonazis an der Bushaltestelle vorbeigefahren sind. Dabei wurde der Mittelfinger herausgestreckt.

Haben Sie oder einer Ihrer Freunde bereits in Erwägung gezogen, Anzeige zu erstatten?
Noch haben wir nicht Anzeige erstattet, weil einige Dinge zu klären sind.

Warum haben Sie beschlossen, nach dem, was vorgefallen ist, an die Öffentlichkeit zu gehen?
Weil solche Vorfälle immer wieder passieren. Die Stimmung dieses aufgeheizten sozialen und politischen Klimas verlagert sich zusehends auf die Straße. Immer wieder tauchen in Lana Aufkleber mit der Aufschrift “Refugees Not Welcome” (Flüchtlinge nicht willkommen, Anm.d.Red.) auf. Ich weiß nicht, ob sie dieser Neonazi-Gruppe zuzuschreiben sind. Ebenso wie es die rassistischen Wandschriften sein könnten. Wobei ich den Eindruck habe, dass die Leute aus dieser Gruppe eher als Schlägertrupps organisiert sind und nicht als politische Organisation öffentlich auftreten.

Bild
Profile picture for user Mensch Ärgerdichnicht
Mensch Ärgerdi… Mar, 05/31/2016 - 12:34

"Noch haben wir nicht Anzeige erstattet, weil einige Dinge zu klären sind."
Hä?! Was soll es da noch zu klären geben? Hier müssen ohne Zweifel sofort Ordnungskräfte und Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden! Türsteher die mit Schraubenschlüssel und Schlagstöcken rumlaufen und prügeln! Unfassbar!
Ich hatte schon mal davon gehört, dass es zwischen den Türstehern rechtsradikale Personen geben sollte, hab das aber immer als unfundiertes Gerücht gehalten. Offensichtlich hab ich mich getäuscht.

Mar, 05/31/2016 - 12:34 Collegamento permanente