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„Krautwalsch“ ohne Worte

Auch gehörlose SüdtirolerInnen verwenden einen Mischmasch aus Tiroler Dialekt und Italienisch. Veronika Wellenzohn gibt Einblicke in die Gebärdensprache.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Gebärdensprache
Foto: Centro Trevi

Frau Wellenzohn, Warum ist es wichtig, dass sich mehr Menschen mit der Kultur und der Sprache von Gehörlosen auseinandersetzen?

Veronika Wellenzohn: Wir Gehörlose leben überall verstreut auf der Welt und sind gefordert uns in einer Welt zurechtzufinden, die unseren speziellen Anforderungen nicht immer gerecht wird. Damit wir teilhaben können ist es sehr wichtig, dass auch Hörende mit uns in der Gebärdensprache kommunizieren können und unsere Gehörlosenkultur kennen. Nur wenige Menschen wissen um unsere Gehörlosenkultur, was den Umgang miteinander vielfach erschwert und Missverständnisse zwischen Hörenden und Gehörlosen aufkommen lässt.

Was für Missverständnisse können zum Beispiel aufkommen?

Im Umgang mit Gehörlosen ist es sehr wichtig, dass in der Kommunikation der Blickkontakt gehalten wird, dass wir nicht von hinten angesprochen oder sogar von hinten an der Schulter angetippt werden, das kann uns erschrecken. Genauso kann es passieren, dass sich Hörende beleidigt fühlen oder es als frech empfinden, wenn Gehörlose mit dem Finger auf Personen und Gegenstände zeigen. Dies ist allerdings ein sehr wichtiges Element in unserer Sprache.

 

 

Welches sind die Schwierigkeiten der Gebärdensprache, besonders für hörende Menschen?

Die Gebärdensprache ist eine visuelle Sprache ohne eigene Schriftzeichen und vorwiegend, ohne die Stimme einzusetzen. Die Gebärde wird unter anderem begleitet durch das Mundbild, Mundgestik, Blick- und Kopfrichtung, Mimik, Körperhaltung. Diese Gleichzeitigkeit und das teilweise Fehlen der Schriftzeichen ist für einen Lautsprachler ungewohnt und braucht sehr viel Übung. Auch die Geschmeidigkeit der Hände und Finger zum Gebärden will geübt sein.

Welche Menschen kommen zu Ihnen in den Kurs?

Die Teilnehmenden sind bunt gemischt. Die meisten kommen aus Interesse an der Sprache. Einige kommen aus dem Sozialbereich oder dem Gesundheitsbereich und einige sind Angehörige von Gehörlosen.

Wie reagieren die Kurseilnehmenden, die sich zum ersten Mal an Gebärden heranwagen?

Viele sagen, es mache ihnen großen Spaß und sie hätten viel gelernt. Sie geben auch an, dass der Kurs Lust auf stille Unterhaltung weckt. Sie kritisieren aber auch, dass es wenige Möglichkeiten gibt, außerhalb des Kurses Gebärden zu üben. Bei uns fehlt es leider an Apps, Gebärdenlexikons oder Videos zum Erlernen und Üben der Gebärdensprache.

Viele glauben es ginge nur um den Einsatz der Hände, das ist ein Irrtum.

Sie geben Kurse in Gebärdensprache für „deutschsprachige Südtiroler“. Worin unterscheidet sich die Südtiroler Gebärdensprache von der „hochdeutschen“ Gebärdensprache?

Die Südtiroler Gebärdensprache, die wir im Alltag verwenden, ist einem Dialekt gleichzusetzen und sozusagen eine Mischung aus Südtiroler-, Italienischen und Tiroler Gebärden. Das Mundbild folgt jedoch immer der Hochdeutschen Sprache. Die “hochdeutsche” bzw. offizielle Gebärdensprache, welche in den Kursen auch unterrichtet wird, ist die Österreichische Gebärdensprache.

Können Sie uns ein Beispiel von einem Unterschied zwischen Deutscher und Südtiroler Gebärdensprache beschreiben?

Die Gebärde für Absicht ist in Deutscher Gebärdensprache in Deutschland ganz anders als hier bei uns und somit für mich eine fremde ungewohnte Gebärde. Noch ein Beispiel: Die deutsche Gebärde Mai und die österreichische Gebärde allein verwenden dieselbe Gebärde. Zumal das Mundbild auch ähnlich ist, kann es dadurch leicht zu einer Verwechslung kommen.

Im Südtiroler Dialekt verwenden wir italienische Wörter wie „Ma dai“ oder „Melanzane.“ Gibt es auch in der Südtiroler Gebärdensprache Einflüsse aus der italienischen Gebärdensprache? 

Ja, aber nicht viele. Beispiele sind alt, kein und sofort. Manche aus dem Italienischen übernommenen Gebärden passen auch gut zum deutschen Mundbild, andere hingegen scheinen mir etwas fremd oder sogar unpassend.

Was macht für Sie Gebärdensprache aus? 
Gebärdensprachen sind generell lebhafte SpraGchen, die Kommunikation läuft über mehrere Kanäle mit viel Körpereinsatz (Gebärdenraum), Mimik und visueller Wahrnehmung. Viele glauben es ginge nur um den Einsatz der Hände, das ist ein Irrtum.

Wie viele Menschen in Südtirol sprechen Gebärdensprache?

Es gibt in Südtirol etwa 150 GebärdensprachbenutzerInnen, davon mehrheitlich Deutschsprachige, die Italienischsprachigen sind in der Minderheit.

 

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