Politica | Schüler

„Ein völliges Unding“

Bildungslandesrat Philipp Achammer über die Green-Pass-Pflicht in den Schulbussen, die Unmöglichkeit einer Kontrolle und die schwierige Suche nach einem Ausweg.
Achammer, Philipp
Foto: LPA
Salto.bz: Herr Achammer, wir wissen nicht wie unser 16jähriger Sohn heute zur Schule kommen soll? So wie uns geht es Tausenden von Südtiroler Eltern. Können Sie als Bildungslandesrat den Menschen eine Antwort auf diese Frage geben?
 
Philipp Achammer: Nein, ich habe leider keine Antwort auf diese Fragen. Denn es wurde eine Regelung gemacht, zu der in den vergangenen Tagen von mehreren Verantwortlichen zurückgemeldet wurde, wir wollen damit ein Zeichen setzen. Auch wenn wir wissen, dass diese Bestimmungen kaum einhaltbar ist und dementsprechend kaum kontrollierbar sein wird.
 
Ein Zustand, der in einem normale Rechtsstaat wohl kaum tragbar ist?
 
Das ist ein völliges Unding. Wenn man Regeln und Vorschriften aufstellt, dann muss man den Bürgerinnen und Bürgerinnen wenigstens die Möglichkeit geben diese einzuhalten. Vor allem aber macht eine solche Regelung, die man weder umsetzen noch kontrollieren kann, alle anderen vernünftigen Bestimmungen obsolet.
Wenn man Regeln und Vorschriften aufstellt, dann muss man den Bürgerinnen und Bürgerinnen wenigstens die Möglichkeit geben diese einzuhalten.
Laut Rundschreiben des Innenministerium sollen die Carabinieri, die Finanzwache, die Staats-, Stadt- oder Gemeindepolizei die Busse und Züge kontrollieren. Wer ohne Green Pass erwischt wird, muss 1.000 Euro Strafe zahlen.
 
Diejenigen, die die Kontrollen durchführen, müssen sich ernsthaft fragen, ob man etwas kontrollieren kann, was faktisch kaum umsetzbar ist. Deshalb werden wir sicher auch nochmals mit dem Regierungskommissar darüber reden. Auch um eine Abstimmung zu finden, was die Kontrollen betrifft.
 
Hat die Landespolitik bisher geschlafen?
 
Nein, keinesfalls. Landeshauptmann Kompatscher und Mobilitätslandesrat Alfreider haben sich in den vergangenen Tagen bemüht, einen Aufschub zu bekommen oder eine Ausnahmeregelung zu finden. Aber es ging einfach nichts. Wir werden morgen in der Landesregierung darüber nochmals ernsthaft diskutieren.
 
 
In der Nachbarprovinz Trient haben sich die Landesregierung und vor allem Landeshauptmann Maurizio Fugatti aber sehr viel deutlicher gegen die Maßnahme zur Wehr gesetzt?
 
Auch hier werden wir genau nachfragen. Trient behauptet jetzt, eine Art „deroga“ gefunden haben. Das hat Landeshauptmann Fugatti jedenfalls gestern Abend kommuniziert. Hier werden wir schauen, in wie weit ein solcher Aufschub überhaupt noch möglich ist. Denn die Aussagen in Rom gingen in eine völlig andere Richtung.
 
Selbst an eine Anmeldung zur Impfung ändern derzeit nichts an dieser absurden Situation. Gibt es für Sie als Schulverantwortlichen einen Ausweg?
 
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass für Südtirol zumindest ein Aufschub dieser Bestimmungen mehr als berechtigt wäre. Dort wo Eltern für ihre Jugendlichen entscheiden, zu impfen, muss man ihnen zumindest eine Möglichkeit geben, die Bestimmungen einzuhalten. Es braucht die Impfungen aber alternativ auch ein Testangebot. Damit stellt sich aber die Frage, wie ein 12jähriger Schüler aus dem hintersten Ultental am Montagfrüh um 6.30 Uhr einen gültigen Test bekommen kann. Das ist nur mit einem Aufwand zu schaffen, der absolut unverhältnismäßig ist. Und auch mit Kosten, die für die Familien kaum tragbar sind. Deshalb werden wir jetzt darüber reden müssen, wie man mit dieser Regelung umgeht und welche Ansätze und Lösungen es geben kann. Denn eine Regelung, die man umsetzt, indem man einfach beide Augen zudrückt, ist ganz sicher nicht unser Stil.
Eine Regelung, die man umsetzt, indem man einfach beide Augen zudrückt, ist ganz sicher nicht unser Stil.
 
Nur reden wird aber auch wenig nützen?
 
Nein, es gibt bereits konkrete Vorschläge. Zuerst muss überprüft werden, ob es diese Ausnahme für Trient wirklich gibt. Existiert diese wirklich, muss sie auch für uns gelten. Zudem gibt es eine andere konkrete Möglichkeit. Die Screening-Nasenflügeltests in den Schulen sollen assistiert gemacht werden. Dann könnten diese Tests für den Green Pass gelten. Das große Problem dabei. Zum einen stellt sich auch hier die Frage: Wie soll das für Montagfrüh gemacht werden? Und vor allem, woher nehmen wir das Gesundheitspersonal, das in den Schulen die Tests macht.
 
Die Screening-Nasenflügeltests in den Schulen sollen assistiert gemacht werden. Dann könnten diese Tests für den Green Pass gelten.
 
Hat Südtirol bei der Umsetzung dieser staatlichen Regelung keine autonomen Spielräume?
 
Wir werden genau das morgen in der Landesregierung besprechen. Der Landeshauptmann hat bisher durchaus berechtigt gesagt, wir tun uns aufgrund des aktuellen Südtiroler Infektionsgeschehens schwer hier eine Ausnahmeregelung zu verlangen. Aber ich hoffe, dass wir eine organisatorische Lösung finden, um aus dieser verfahrenen Situation heraus zu kommen.
Bild
Profile picture for user Ivan Gufler
Ivan Gufler Lun, 12/06/2021 - 18:59

Seit bald einem Jahr gibt es Impfstoffe, freigegeben ab 12 Jahren. Damit könnten sich zumindest alle Oberschüler*innen problemlos impfen lassen.
Der ganze Sinn der Regelung ist ja, dass die Impfquote unter all jenen, die sich impfen lassen können, steigt, und dazu gehören eben alle ab 12 Jahren.
Außerdem, zum Thema „Wie soll ein 12jähriger Schüler aus dem hintersten Ultental am Montagfrüh um 6.30 Uhr einen gültigen Test bekommen“ – ein Test gilt für 48 Stunden, also, eben testen, am Tag vorher.

Lun, 12/06/2021 - 18:59 Collegamento permanente
Bild
Profile picture for user Elisabeth Hammer
Elisabeth Hammer Lun, 12/06/2021 - 21:36

Unabhängig von diesem programmierten Chaos mit den Schülertransporten hat es der Mobilitätslandesrat aber bereits seit Wochen verabsäumt für ausreichend Kapazität zu den Stoßzeiten zu sorgen. Letzten Montag habe ich nicht schlecht gestaunt, als der Regionalzug von Brenner Richtung Brixen um 7.20 Uhr über eine Viertel Stunde ohne ersichtlichen Grund in Franzensfeste gehalten hat. Irgendwann haben wir den Schaffner gesehen, der alle im Gang stehenden Personen (fast ausschließlich SchülerInnen) veranlasste, wieder aus dem Zug auszusteigen. Auf meine Frage, warum man am genau an diesem Montag in der Früh die SchülerInnen, die ja eigentlich pünktlich zur Schule kommen sollten, recht willkürlich aus dem Zug wirft, hat mir der Schaffner lapidar entgegnet, ich möge doch selbst auch aussteigen und so meinen Sitzplatz für einen Schüler frei machen ... Dieser Zug war und ist immer ungefähr so voll wie an dem besagten Tag. Dass ein Schaffner dann mit dem Argument "Siamo in tempi di pandemia" einfach mal Kinder und Jugendliche aus dem Zug bittet ohne jeglichen Hinweis auf Folgeanschlüsse oder allfälligen Schienenersatzverkehr, ist ein hausgemachtes Problem, das die diversen zuständigen Landesräte schon längst hätten angehen können. Dieser Chaos-Montag war für mich nur ein kleiner Vorgeschmack auf die wahrscheinlich genauso willkürliche Umsetzung der 3G-Regel bei den Schülertransporten.
Die Nasenflügeltests allfällig für die Nutzung der Öffis auf dem Weg zur Schule und retour gültig zu machen, wäre eine pragmatische Lösung. Wenn LR Achammer meint: "Die Screening-Nasenflügeltests in den Schulen sollen assistiert gemacht werden.", dann ist das zumindest für den Mittel- und Oberschulbereich lächerlich. Die SchülerInnen machen die Tests unter unserer Aufsicht. Wir teilen die Tests aus, beobachten die richtige Durchführung, füllen die Durchführungslisten aus und sammeln den medizinischen Sondermüll ein. Wenn das Land Geld übrig hat, dann sollen sie doch uns Lehrpersonen diese Tätigkeit, die eigentlich nichts mit unserer Arbeitsplatzbeschreibung zu tun hat, vergüten anstatt Sanitätspersonal zu suchen, das es ohnehin nicht (mehr) gibt.

Lun, 12/06/2021 - 21:36 Collegamento permanente