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"Es ist bequem, alles so zu lassen"

Zahlt sich Bio-Landwirtschaft aus? Wird sie von der Politik unterstützt? Wie sieht die Zukunft der kleinen Betriebe in Südtirol aus? Eine Bio-Jungbäuerin gibt Einblicke.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Kühe Widmannhof
Foto: @julia tappeiner

Julia Fischer ist Bio-Jungbäuerin auf dem Widmannhof in Klerant bei Brixen und Gruppensprecherin der BIOLAND-Viehwirtschaftsgruppe Mitte. Gemeinsam mit Lorenz Schiner von „Terra Vitae“ spricht sie am 19. Januar ab 20 Uhr im UFO Bruneck über die Zukunft der ökologischen Landwirtschaft in Südtirol.

Wie bist du zur biologischen Landwirtschaft gekommen? War euer Familienbetrieb immer schon Bio?

Julia Fischer: Unser Familienbetrieb war bis 2009 ein konventioneller Milchbetrieb. Zu unseren Spitzenzeiten hat damals eine Kuh im Durchschnitt 10.000 Liter Milch pro Jahr produziert. Danach haben sich meine Eltern entschieden, auf die biologische Milchwirtschaft umzustellen. Zum Vergleich: Die Durchschnittsjahresleistung einer Kuh betrug danach nur mehr die Hälfte. Ab 2020 haben wir dann, auf meinen Wunsch und meine Philosophie von Tierhaltung und Lebensmittelproduktion hin, auf biologische Mutterkuhhaltung umgestellt, sprich der Produktion von Bio-Fleisch.

Immer mehr junge Menschen verwandeln die Höfe Ihrer Eltern in ökologische und biologische Betriebe. Woher, glaubst du, kommt dieser Trend?

Zunächst einmal ist es eine gute Nachricht, dass überhaupt noch elterliche landwirtschaftliche Betriebe weitergeführt werden und die Kultur- und Landschaftspflege weiterhin gewährleistet sind. Dieser Trend, dass junge Bauern und Bäuerinnen mit viel Vision und Engagement Landwirtschat und Lebensmittelerzeugung „neu“ denken kommt von einem Umdenken in Bezug auf Konsum, Umwelt, Klimawandel, Tierwohl, Ressourcenknappheit etc. Wir, die junge Generation, befinden uns in einer Zeit des Umbruchs, und wollen aktiv etwas verändern und in unserem Sinne mitgestalten. Leider ist es immer noch nur ein Trend und kein Massenphänomen, aber immerhin.

Bio steht häufig auch in der Kritik, eine reine Marketing-Strategie zu sein, anstatt wirklich etwas am Tierwohl oder der Umweltbelastung zu ändern.

Die jetzigen Auflagen, die das herkömmliche EU-Biosiegel aber auch Verbände wie Bioland verlangen, sind ganz klar nicht das Ende der Fahnenstange - gerade in Bezug auf das Tierwohl. Es ist ein Anfang mit viel Potenzial nach oben. Klar ist aber auch, dass die biologische Viehwirtschaft dem Tier mehr Tierwohl und artgerechte Haltung zuspricht als die konventionelle. Langfristig gesehen, im Sinne einer nachhaltigen Zukunft, muss es unser aller Ziel sein, den Konsum tierischer Produkte auf ein Minimum zu reduzieren, und die wenigen tierischen Produkte, die produziert werden, müssen nach biologischem Standard und unter der Einhaltung strenger Auflagen zum Tierwohl hergestellt werden.

Es heißt oft: eine bessere Tierhaltung und ökologischere Landwirtschaft sei nicht wirtschaftlich. Widersprechen sich Bio und Wirtschaftlichkeit?

Diese Frage ist sehr komplex und lässt sich nicht so einfach beantworten. Die Südtiroler Berglandwirtschaft befindet sich auf einem sehr schmalen Grad zwischen marktwirtschaftlicher Rentabilität, Querfinanzierung durch Subventionen und der Pflicht den eigenen vorangegangenen Generationen gegenüber den Hof zu erhalten und zu führen. Betrachtet man die Viehwirtschaft, so kleinstrukturiert wie sie bei uns in Südtirol betrieben wird, muss ehrlicherweise gesagt werden, dass es schwierig ist, am Ende des Jahres schwarze Zahlen zu schreiben. Auch fernab von Bio. Einen Hof zu bewirtschaften, scheint sich für die allermeisten nicht nur des Geldes wegen zu lohnen: Bewahrung der eigenen Heimat, Verantwortung der Familie gegenüber, Freude an der landwirtschaftlichen Tätigkeit.

Und wie sieht es bei der biologischen Landwirtschaft aus?

Biologische Landwirtschaft und somit eine artgerechte Tierhaltung kann man nur dann mit Wirtschaftlichkeit vereinen, wenn die KonsumentInnen bereit sind einen entsprechenden Preis zu zahlen. Tierische Produkte müssen auf lange Sicht zur Luxusware werden, nur so können Tiere artgerecht gehalten werden und gleichzeitig Bauer und Bäuerinnen auch tatsächlich wirtschaftlich arbeiten. Auch wenn weniger Leistung und weniger Umsatz erzeugt werden als in der konventionellen Viehwirtschaft, am Ende lohnt sich gerechte Tierhaltung und biologische Viehwirtschaft; denn Tiergesundheit ist unmittelbar in Euros zu spüren, bedenkt man die hohen Futter- und Tierarztkosten in der konventionellen Viehwirtschaft.

Viele Betriebe sind trotzdem gezwungen, immer größer und effizienter zu arbeiten, weil das Geld der EU in die großen Betriebe fließt. Wie sind die Rahmenbedingungen in Südtirol für ökologische Landwirtschaft?

Es gibt in Südtirol einige vermehrte Förderungen im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft und besonders Verbände wie Bioland versuchen immer wieder neu Überzeugungsarbeit zu leisten. Für die Politik, dies ist mein persönliches Empfinden, ist die biologische Landwirtschaft ganz ‚nett‘ und eine gute Sache, wenn es um ein positives Image nach Außen geht. Im Grunde ist die Lobby der konventionellen Landwirtschaft aber viel zu stark und bringt zu viele Wählerstimmen, als dass die Politik sich tatsächlich für den schnellen Ausbau der biologischen Landwirtschaft einsetzen könnte.

Du hast also nicht das Gefühl, dass die Politik die Entwicklung hin zu Bio untersützt?

Die biologische Landwirtschaft wird zwar von politischer Seite unterstützt, man stelle sich vor die Politik spräche sich dagegen aus. Wie stünde sie da? Aber mehr nur als Alibi – eigentlich ist es gut und bequem, alles so zu lassen, wie es ist

Was wünscht du dir von der Politik für die Zukunft der Landwirtschaft in Südtirol?

Ich fordere von der Politik, dass sie einen Teil der Verantwortung übernimmt, anstatt sie auf die KonsumentInnen zu schieben. Die KonsumentInnen sollten sich keine Gedanken darüber machen müssen, ob das Tier Höllenqualen erlitten hat oder nicht – es muss bei uns in Europa aber auch in Südtirol doch möglich sein, einen solchen Standard bei tierischen Produkten zu gewährleisten. Es müssen Vorgaben kommen, welche insbesondere die Nutztiere schützen, nicht nur auf Südtirol bezogen. Die Massentierhaltung muss abgeschafft werden, Fleisch- und Milchprodukte müssen mehr kosten. Ich weiß, dies mag utopisch klingen und ist nicht von heute auf morgen umsetzbar; aber ein struktureller Wandel steht uns bevor! Wenn wir wollen, dass unsere Kinder und Kindeskinder eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten haben, muss Landwirtschaft in all ihren Facetten neu geregelt und gedacht werden. Schlagwörter wie ressourcenschonend, klimaneutral, artgerecht dürfen nicht nur Schlagwörter bleiben.

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Karl Trojer Ven, 01/14/2022 - 10:35

Die kleinen Betriebsstrukturen der südtiroler Berg-Landwirtschaft sind eine optimale Voraussetzung zur biologischen Bewirtschaftung. Ich denke, dass Südtirol, auch im Obst-und Weinbau, über gute Bedingungen für eine allgemeine Biologisierung verfügt. Zur Umsetzung bedarf es sowohl angemessener finanzieller Unterstützung seitens der Politik (EU, Staat und Land), als auch umfassender und gezielter Motivierung der Verbraucher, weniger Fleisch und Milch zu konsumieren, dafür aber hochwertige Bio-Podukte zu kaufen auch wenn diese teurer sind. Davon würde auch der Klimaschutz profitieren, zumal die gängige Landwirtschaft einen beachtlichen Anteil zur Verschutzung der Luft (CO2 und Methangas-Erzeugung. wobei Methan 14x schädlicher ist als dieselbe Menge CO2) und des Grundwassers beiträgt.

Ven, 01/14/2022 - 10:35 Collegamento permanente
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Josef Fulterer Gio, 10/20/2022 - 08:41

In risposta a di Karl Trojer

Es war einer der größten Fehler des Südtiroler-Bauernbundes und der Landesräte für Landwirtschaft, die Bauern "in das Hamsterrad von immer mehr + höher + schneller + größer, 2 / 3 mal arbeiten um einmal zu leben zu treiben."
Es wäre deutlich vernünftiger, "die nicht unbedeutenden Mittel die derzeit für die dirigiestischen Maßnahmen für den Oben genannten Unfug zur Hebung der Wichtigkeit des Landesrates und des Bauernbundes gütigst verteilt / missbraucht werden, den bäuerlichen Familien abnehmend mit der Betriebsgröße direkt zu vergeben" und den Bäuerinnen / Bauern die Entscheidung darüber zu lassen, ob sie das Geld für die Ausbildung der Kinder, die Instanhaltung der Gebäude oder für die Mechanisierung ausgeben.
Das wäre auch im Sinn der in Südtiroler-Bevölkerung und der Gäste, denn die verdrahteten und vernetzten Plantagen, mit den laufend notwendigen Chemie-Duschen, die überdüngten Wiesen, die Mega-Ställe, mit dem Silo... im Umkreis von 50 Meter, geben nicht das Bild einer gesunden heilen Landschaft!

Gio, 10/20/2022 - 08:41 Collegamento permanente