Società | Erinnerungskultur

Kein Ruhmesblatt für Südtirol

Um die Erinnerungskultur ist es an Eisack, Etsch und Rienz schlecht bestellt. Unangenehmes wird verdrängt und ein fataler Opfermythos kostet Zukunftsfähigkeit.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
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Foto: free commons/Wikipedia

Nach dem fatalen "Lei net rogln" von Magnago, der damit unter anderem sanktionierte, dass fast alle Dableiber aus wichtigen SVP-Gremien verdrängt worden waren, kam die in Sachen Erinnerungskultur peinliche Durnwalder-Ära, mit den dummdreisten Bemerkungen für sowas keine Zeit zu haben und auch nichts unternehmen zu müssen, weil die Südtiroler selber alle Opfer gewesen seien.

Erst Kompatscher hat - spät aber doch - etwas Format und Anstand mitgebracht, findet angemessene Worte und repräsentiert unser Land bei Gedenkinitiativen in würdiger Weise.

Ich ziehe heute wieder ein Dokument aus dem Archiv, das beispielhaft aufzeigt, dass Südtiroler aktiv und engagiert "für Ordnung" sorgten und sich über den Einmarsch der Wehrmacht im September 1943 freuten, wie dereinst vom Bozner Vizebürgermeister Ellecosta eindrucksvoll bestätigt. Auf den "schlechten Faschismus" - dem italienischen - folgte nun offenkundig der richtige. Und so rückten am 15. September (nach anderen Quellen am 16.) Meraner Bürger aus, um die 25 in Meran verbliebenen Juden und Jüdinnen zu verhaften. Andere MeranerInnen machten sich Zeitzeugen zufolge gleich nach der Verhaftung der Nachbarn auf, um in deren Wohnungen deren Hab und Gut zusammenzuraffen.

Lei net rogeln! Mit dieser feigen Maxime hat sich Magnago - historisch betrachtet - selbst um einen Teil seiner unbestreitbaren Verdienste gebracht.

Hier klicken und Sie finden Sie die Liste der Mitglieder des Meraner SOD-Kommandos vom 16. September 1943

 

Die Historiker haben geliefert – Südtirol hat verdrängt

Die Arbeitsgruppe Regionalgeschichte hat sich in verdienstvoller Weise mit der Südtiroler Zeitgeschichte beschäftigt und in den letzten Jahrzehnten eine Reihe wichtiger Publikationen ermöglicht, z.B. in den ab 1992 erscheinenden "Jahrbüchern der Arbeitsgruppe Regionalgeschichte" die später zur "Geschichte und Region" umfirmierten, einer Fachzeitschrift, die zwei Mal im Jahr in Bozen erscheint.
 

Man kann sagen, dass die Südtiroler HistorikerInnen und Ihre KollegInnen, die zu Südtiroler Themen forschten und forschen, Ihre Arbeit vor allem zu Themen der Zeitgeschichte vorzüglich geleistet haben, ihre Erkenntnisse aber aufgrund des von Silvius Magnago auferlegten "Lei net rogeln"-Gebotes und der ostentativen Ablehnung der Beschäftigung mit Zeitgeschichte in der Durnwalder-Ära in der Südtirol Gesellschaft zu wenig rezipiert oder auch weitgehend verdrängt wurden.

In "Geschichte und Region" 22/2013 ist ein interessanter Aufsatz von Gerald Steinacher über die Rolle von Südtirolern im Sicherheitsdienst des Reichsführers SS in Italien in den Jahren 1943-45 erschienen. Ich füge den Artikel hier ein, so wie ich es mit anderen aus meiner Sicht interessanten Artikeln zur Südtiroler Zeitgeschichte tun werde. Sie sind samt und sonders auf storiaeregione.eu verfügbar.

Den Artikel von Steinacher finden interessierte LeserInnen, wenn sie auf diesen Link klicken.

Die Stolpersteine in Meran – Gut gemeint, schlecht getroffen

Der Bildungsausschuss Auer hat in diesen Tagen einen wichtigen Beitrag zur Dorfgeschichte geleistet und mit der Verlegung von zwei Stolpersteinen ein starkes Zeichen gesetzt. Die Messingwürfel, die in den Boden eingelassen werden und die an der Oberfläche mit dem Namen, den Lebensdaten und Kurzangaben zum Schicksal von Menschen versehen werden, werden am Ort in den Boden eingelassen, an denen die von den Nazis und Faschisten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer "Rasse", zu einer religiösen Gemeinschaft oder zu einer der weiteren von den Nazis verfolgten Gruppen vor ihrer Deportation gelebt haben.

Stolpersteine gibt es in Südtirol seit längerem in Bozen und Meran und die von Günther Demnig konzipierten und mittels der Stolpersteine ausgeführten Kunst- und Kommunikationsaktionen zählen zu den wirkmächtigsten Arbeiten im öffentlichen Raum, die je ausgeführt wurden.

In Meran ist den engagierten InitiatorInnen der Stolpersteinaktion allerdings eine historische Unkorrektheit unterlaufen, die die Opfer doppelt zu Opfern macht: Bei der Festlegung der Namen wurden i fast allen Fällen die von Amts wegen italienisierten Vornamen der in Meran lebenden Juden und Jüdinnen verwendet. Diese Namen wurden ihnen - wie vielen SüdtirolerInnen auch - vom rassistischen und totalitären faschistischen Regime aufgezwungen, das die Listen mit den in Meran lebenden Jüdinnen und Juden akribisch genau führte und somit auch die Vorarbeit für das SOD-Kommando leistete, das die Deportationsaktion am 15./16. September 1943 durchführte.

Meran sollte diese historische Unkorrektheit beseitigen und den ehemaligen MitbürgerInnen auf diese Weise neben der Erinnerung auch historische Gerechtigkeit widerfahren lassen.

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Markus Lobis Gio, 02/10/2022 - 18:11

Dass es auch anders geht, beweisen die Stolpersteine in Bozen und in Auer. Dort wurden die Opfer nicht mit ihrem letzten amtlichen - von den faschistischen Machthabern zwangsweise italienisierten - Namen angeführt, sondern mit den Namen, die sie von ihren Familien bekommen haben und die sie vor den Zwangsmaßnahmen trugen.

Gio, 02/10/2022 - 18:11 Collegamento permanente