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Sind Teile deines Körpers fabriziert?

Die Wienerinnen, Sabina Holzer und Katrin Hornek, starten am Samstag ein Projekt in der Montecatini-Fabrik in Sinich. Es soll für alle eine körperliche Erfahrung werden.
FW
Foto: Pexels

 

Der Factory Walk, ein Projekt, das von zwei Wienerinnen, Sabina Holzer und Katrin Hornek, ins Leben gerufen wurde, findet am Samstag, den 4. Februar statt. Ort der Austragung ist die Ex-Montecatini Fabrik in Sinich bei Meran – ein großer Ort mit starker Geschichte. 

Die Idee für das Projekt stammt von Katrin Hornek. Das ganze Projekt ist nämlich Teil einer Ausstellung namens Plant Plant, kuratiert von Emanuele Guidi (ar/ge kunst) und BAU. Durch die Arbeit an diesem Projekt stieß Hornek auf die zweitgrößte Kunstdüngerfabrik der Welt, die Ex-Montecatini-Fabrik in Sinich. Davon ausgehend beschäftigte sich Hornek tiefer mit der Firma. Eng mit Kunstdünger verbunden sind Stickstoffkreisläufe. Hornek erklärt: „Die Veränderung des Stickstoffkreislaufs ist eigentlich die nachhaltigste Veränderung des Erdmetabolismus. Dünger wird in die Erde gebracht und hat die Funktion, Stickstoff für Pflanzen nutzbar zu machen.“ 
 


Der Rundgang in der alten Kunstdünger-Fabrik soll für BesucherInnen eine körperliche Erfahrung werden. Eine Frage wird zu Beginn ganz bewusst gestellt: Wie verarbeitet der menschliche Körper Stickstoff? Sabina Holzer, Choreographin und Bewegungspädagogin, erklärt: „Der Stickstoff ist ein Protein, das auch Teil der DNA ist. Dabei gibt es bestimmte Bewegungsabläufe, die den körpereignen Stickstoff, der in den Gelenken abgelagert ist, freigeben. Denn der menschliche Körper verarbeitet Stickstoff über Sonnenlicht, Bewegung und Nahrung.“ Viele dieser Verbindungen können wir nur extern aufnehmen. 
 

Das Wichtigste dabei ist zu erfahren, dass man ein Teil von etwas Ganzem ist. 


Der Stickstoff, der den Pflanzen zur Verfügung gestellt wird, ist industriell synthetisiert und wird direkt als Material in die Pflanzen eingebaut. Die Schlussfolgerung daraus: dieses Material wird auch in unsere Körper eingebaut und dann durch verschiedenste Umwandlungsprozesse durch Proteine, Hormone usw. weiterverarbeitet. Sind wir also auch fabriziert? 
 


Hornek beschreibt die Ausgangslage für das Projekt folgendermaßen: „Was heißt es für unseren menschlichen Körper, wenn 50% unseres körpereigenen Stickstoffs, der Grundbaustein der Zellen schon einmal, bevor wir ihn in unsere Körper aufgenommen haben, durch technische Prozesse gelaufen ist?“ 

Das Ziel des Factory Walks ist schwierig zu fassen, meint Holzer. „Aber das, was ich will, ist, dass den Menschen – auch wenn diese Prozesse, die im Körper ablaufen, sehr komplex und schwierig zu verstehen sind – trotzdem einen Bezug zu ihrem eigenen Körper kriegen.“ Das Wichtigste dabei ist zu erfahren, dass man ein Teil von etwas Ganzem ist. 
 

Großer Ort mit starker Geschichte 

Der Ort, an dem dieIntervention ausgetragen wird, wird von den beiden Wienerinnen als ein „imposantes Stück Architektur“ beschrieben. In den 1920er Jahren begann die MontecatiniSocietà Generale per l’Industria Mineraria e Chimica – verstärkt mit der Herstellung von Kunstdüngern. Der Konzern profitierte dabei von der stetig wachsenden Nachfrage nach Düngemitteln, ausgelöst durch die massive Förderung der Landwirtschaft durch das faschistische Regime, das Italien von Getreideimporten unabhängig zu machen versuchte. Aus einer wirtschaftlichen Überlegung heraus wurde der Bau einer Stickstofffabrik in Südtirol errichtet und wuchs in den Jahren zu der zweitgrößten Düngemittel-Fabrik der Welt heran. Nach und nach entstand in Sinich eine autarke Siedlung, mit einer Arbeiterküche, einen werkseigenen Laden und einem medizinischen Versorgungszentrum. Ende der 1930er Jahren lebten und arbeiteten bis zu 1.000 Arbeiter und Angestellte in der Montecatini-Fabrik. 1966 übernahm die Edison den Montecatini-Konzern und fusionierte zur Montedison AG (heute Edison). Anstelle des alten Werks stehen heute in Sinich die Produktionsanlagen der Firma MEMC.