Società | Gesundheit

Italien als Cannabisproduzent?

Die Gesetzeslage zu Medizinischem Cannabis ist ein Abbild seines schlechten Rufs. Nun will das Gesundheitsministerium den Anbau im privaten Sektor erlauben.
Cannabis
Foto: Unsplash
Immer mehr Menschen greifen in Italien auf Mediznisches Cannabis zurück, etwa um chronische Schmerzen zu lindern oder Übelkeit und Erbrechen zu verhindern. Laut der Tageszeitung „La Repubblica“ vervierfachte sich der Konsum im Zeitraum von 2017 bis 2021. Waren es 2017 noch 351 Kilo Medizinisches Cannabis, verbrauchten italienische Patient:innen letztes Jahr bereits 1.271 Kilo.
Im Vergleich zu anderen Medikamenten weist Cannabis bei der Einnahme kaum Nebenwirkungen auf, sofern keine unsachgemäße Verwendung stattfindet – die Patientin sollte sich also an die vom Arzt verschriebene Einnahmemenge halten. Bei anderen Medikamenten wie beispielsweise Opiaten oder Arzneimitteln gegen Alzheimer sind weitaus stärkere Nebenwirkungen bekannt. „Wer sich allerdings für therapeutisches Cannabis interessiert, ist mit mehreren Hürden konfrontiert“, bestätigt Peter Grünfelder vom Cannabis Social Club in Bozen.
 

Cannabis als alternative Behandlungsmethode

 
Im Grunde kann in Italien jeder Arzt und jede Ärztin Cannabis für Beschwerden verschreiben. Soll die Krankenkasse die Kosten bei bestimmten Krankheiten dafür übernehmen, muss der Patient vor der Verschreibung zuerst angeben, dass andere Medikamente für seine Beschwerden nicht hilfreich waren. Die sogenannte Pharmakoresistenz tritt dann auf, wenn ein Arzneimittel zu starke Nebenwirkungen oder gar keine Wirkung verursacht. Erst dann kann Medizinisches Cannabis kostenlos verschrieben werden. Noch ist es außerdem keine Selbstverständlichkeit, dass sich Ärzt:innen mit Cannabis zu medizinischen Zwecken auskennen und es auch verschreiben.
 
 
 
Ist die Hürde der Rezeptverschreibung geschafft, muss eine Apotheke gefunden werden, die Medizinisches Cannabis auf Lager hat. Wenige Apotheken verkaufen es und diese sind häufig mit Lieferengpässen konfrontiert. Wer aufgrund seiner Beschwerden auf dieses pflanzenbasierte Medikament angewiesen ist, muss daher monatlich darauf hoffen, das Cannabis aus der Apotheke zu erhalten. Gelingt das nicht, ist der Schwarzmarkt eine Alternative.
 

Überbordende Regelungen

 
Grund für die komplizierte Bereitstellung von Medizinischem Cannabis ist wenig überraschend die gesetzliche Regelung auf nationaler Ebene. Die Furcht vor Missbrauch des Medikaments führte zu überbordenden Dekreten und Beschlüssen. Das Gesundheitsministerium reguliert die Produktion und Einfuhr dieses Medikaments. Während einzig die militärische Einrichtung „Stabilimento Chimico Farmaceutico Militare di Firenze“ (SCFM) Medizinisches Cannabis produzieren darf, erlaubt das Gesundheitsministerium nur den Import aus den Niederlanden. Zudem vernachlässigen die regionalen Sanitätsbetriebe die Bestellung dieses Medikaments.
 

Gesprächsrunden mit Interessenvertretern

 
Der Unterstaatssekretär des Gesundheitsministeriums, Andrea Costa, erkannte die Schieflage letztes Jahr und lud Vereine wie den Cannabis Social Club und Fachleute zu Gesprächsrunden ein. Zudem kündigte er eine Ausschreibung für die Produktion von Medizinischem Cannabis in Italien an. Diese soll es privaten Unternehmen ermöglichen, Hanf für medizinische Zwecke anzubauen.
 
 
Im Protokoll der ersten Gesprächsrunde des Gesundheitsministeriums, die Anfang Februar stattgefunden hat, wird festgehalten, dass der Bedarf an therapeutischem Cannabis ungefähr 1.400 Kilo beträgt. Dabei kann das SCFM lediglich 500 Kilo Cannabis pro Jahr anbauen. Wie das Gesundheitsministerium nun augenscheinlich erkannt hat, könnte der Hanfanbau zu medizinischen Zwecken zu einer wohlstandsfördernden Wirtschaftsleistung werden.
Für die Interessensvertreter der Patient:innen steht bei den Gesprächsrunden hingegen im Vordergrund, auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen, um ihren Alltag zu erleichtern. „Denn die aktuelle Gesetzeslage zu Medizinischem Cannabis ist teilweise absurd“, sagt Peter Grünfelder.