Politica | Landwirtschaft

Mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft?

Das „Strategiepapier „LandWIRtschaft 2030“ zeigt Ziele und Wege auf, wie sich Südtirols Landwirtschaft bis 2030 entwickeln soll. Wie passt es zu konsequentem Klimaschutz?
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Milchkuh
Foto: (c) unsplash

Das am 17.3.2022 präsentierte „Strategiepapier für die Landwirtschaft 2030“ zeigt Ziele und Wege auf, wie sich Südtirols Landwirtschaft in den kommenden acht Jahren entwickeln soll. Da 18 Prozent der CO2-Emissionen Südtirols aus diesem Sektor stammen und der Klimaplan 2050 – Update die CO2-Emissionen pro Kopf bis 2030 auf drei Tonnen senken will, kann man gespannt sein, welchen Beitrag die Landwirtschaft dazu zu leisten gewillt ist.

Nun führt das Strategiepapier des Landwirtschaftsressorts den Klimawandel und die CO2-Reduktion als wichtiges Anliegen an (S.11) und anerkennt, dass die Viehwirtschaft eine schlechtere Bilanz als der Pflanzenanbau (vor allem der Obst- und Weinbau) aufweist. Der durchschnittliche Viehbesatz sei zu hoch, so das Papier ohne Angaben von Zahlen, der Zukauf von Futtermitteln verschlechtere die Klimabilanz. „Eine besserre Klimabilanz ist vor allem durch die Anpassung des Viehbestands an die eigene bewirtschaftete Fläche zu erreichen“, steht im Papier. Dadurch wird der Anteil an eigenem Grundfutter erhöht, was das Strategiepapier eine „flächenbezogene Milchwirtschaft“ nennt (S.11). Bei den angepeilten Zielen zur Emissionssenkung bleibt das Strategiepapier so vage wie bei der Beschreibung der Ausgangslage.

„Die Berglandwirtschaft hat bereits 2018 klare Regeln für eine flächenbezogene Milchwirtschaft festgelegt. Indem das Ausmaß der bearbeiteten Futterfläche als zentrales Kriterium für die Anzahl von Großvieheinheiten und die Vergabe von Förderungen gilt, wird eine nachhaltigere Produktion sichergestellt. Damit ist eine bewusste und ressourceneffiziente Milchproduktion eng an den bearbeiteten Boden gekoppelt“, schreiben die Autoren der Strategie (S.13). Dennoch sucht man vergeblich nach einer quantitativen Orientierung. Welche konkreten Maßnahmen zur Reduzierung des Tierbestands und damit der durch die Viehzucht produzierten CO2-Emissionen anstehen, lässt das Papier einfach offen.

Ein präziseres Bild zur Klimabelastung durch die Milch- und Fleischproduktion in Südtirol liefert dagegen der EURAC-Forscher Georg Niedrist im Abschnitt „Luftschadstoffe und Klimabilanz“ (S.48-49) des EURAC Landwirtschaftsreports 2020. Dabei bezieht der Forscher auch die durch die Vorleistungen an die Landwirtschaft (z.B. Futtermittelanbau) entstehenden Treibhausgasemissionen ein. Demgemäß entstehen in Südtirol allein durch die Jahresproduktion von 408 Mio. kg Milch (2018) 565 kt CO2eq, was den in Südtirol jährlich fürs Heizen erzeugten Emissionen entspricht (Niedrist, 49). Rund die Hälfte des für die Milch- und Fleischproduktion benötigten Futters wird in Südtirol zugekauft.

„Deutlich schlechter fällt nach diesem Ansatz die Klimabilanz für importierte Fleisch- und Milchprodukte aus. Allein aus dem Ausland importiert Südtirol jährlich etwa 70.000 t Fleisch, knapp 60.000 t davon Schweinefleisch für die Speck- und Wurstproduktion“ (Niedrist, 49). Das deutsche Umweltbundesamt hat errechnet, dass allein Südtirols Fleischimporte etwa 330.000 t CO2eq an extraterritorialen Emissionen erzeugen (Niedrist, 49). Wenn das Schweinefutter (Soja, Mais usw.) aus Überseeländern stammt, verschlechtert sich die Bilanz noch einmal um 50 bis 100 Prozent. Demzufolge „entsprechen allein die Emissionen aus Fleischimporten je nach Herkunft des Mastfutters zwischen 10 und 20 Prozent der gesamten Südtiroler THG-Emissionen“ (Niedrist, 49). Diese Emissionen werden dann aber der lebensmittelverarbeitenden Industrie zugerechnet. Aus dem EURAC-Landwirtschaftsreport wird ersichtlich, dass die heutige Milch- und Fleischproduktion in Südtirol mit konsequentem Klimaschutz nicht vereinbar ist. Da helfen keine bloß kosmetischen Eingriffe.

Wenn Südtirol für 2030 das Ziel der Reduktion der THG-Emissionen pro Kopf im Jahr von 4,4 t (2020) auf 3,0 t CO2eq (2030) tatsächlich erreichen will, müssten zum einen auch die bisher ausgeklammerten realen Emissionen der Landwirtschaft in die Gesamtberechnung einfließen, zum anderen eine Strategie zur raschen und dauerhaften Senkung der THG-Emissionen aus der Landwirtschaft erstellt werden. Das geht nicht ohne deutliche Senkung des Tierbestands in den Ställen. Landesrat Schuler erinnerte bei der Vorstellung der Strategie für die Landwirtschaft 2030 daran, dass „in Zukunft nicht immer das quantitative Wachstum im Vordergrund stehen, sondern verstärkt auf qualitatives Wachstum gesetzt werden soll.“ Wohlklingende Worte, doch die Schlussfolgerungen zur Frage, was nun „qualitatives Wachstum“ für die Milchwirtschaft bedeutet, blieb er schuldig. Aus der relativ eindeutigen Datenlage geht hervor, dass es nicht nur um einige Kühe, sondern um einen richtig großen Anteil geht, um die Emissionen deutlich zu senken (vor allem von Methan und Lachgas). Eine klimaschonende Milchwirtschaft muss mit geringerem Tierbesatz auskommen und gleichzeitig die Existenz der Bergbauern gewährleisten. Diese Quadratur des Kreises sollte ein Strategiepapier auch ansprechen.

Bild
Profile picture for user Sepp.Bacher
Sepp.Bacher Sab, 04/16/2022 - 09:19

Was mir in diesem Artikel fehlt ist, dass in der Viehwirtschaft viel Methangas emmitiert wird und dieses x-mal klimaschädlicher ist. Es ist aber immer nur von CO2 die Rede.
Diese Strategie vom Land, das Wesentliche nicht anzusprechen und keine Mengen zu benennen, ist strengstens zu verturteilen. Ohn Transparenz ist Klimaschutz nicht möglich!

Sab, 04/16/2022 - 09:19 Collegamento permanente