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Kampf um den Stadtobmann

Eine Gruppe um die Familie Rizzolli will in der Bozner SVP die Macht übernehmen. Auf der entscheidenden Sitzung kommt es zum Eklat. Am Ende gewinnt Dieter Steger.
Lauben
Foto: Othmar Seehauser
Es war eine Szene, die man selbst am Parteisitz der SVP kaum einmal erlebt hat.
Am Montagabend um 19 Uhr trifft sich im großen Sitzungssaal in der Brennerstraße der Koordinierungsausschuss der Bozner SVP zur Wahl des Obmannes und der Gremien. Es sind an diesem Abend 26 Personen anwesend.
Die Sitzung ist keine halbe Stunde alt, da kommt es zum Eklat. Plötzlich packt eine Gruppe von Personen ihre Sachen zusammen und zieht aus dem Sitzungssaal aus. Unter denjenigen, die aus Protest die Sitzung verlassen, sind die Vize-Obfrau der Bozner SVP Paula Aspmair, ihr Schwiegervater Helmuth Rizzolli sowie die langjährige SVP-Gemeinderätin Silvia Hofer. Dazu noch einige Mitglieder, die neu in den Bozner Koordinierungsausschuss gewählt wurden. Wie die Geschäftsführerin des Bozner Kaufleutevereins „BZHeartbeat“, Angelika Huber, oder Jessika Pernthaler.
 
 
Es ist Stefan Konder, der am schnellsten reagiert. Während alle Anwesenden völlig konsterniert diese Szene beobachten, macht der ehemalige Bozner Stadtrat einen Vorschlag. Er ersucht um eine kurze Unterbrechung der Sitzung, um mit den Ausgezogenen reden zu können. Es ist ein Vorschlag, der angenommen wird und Erfolg hat.
Nach einer kurzen Pause kehrt das halbe Dutzend ProtestiererInnen wieder in den Saal zurück, und man kann mit der Wahl der Bozner SVP-Spitze endlich beginnen.
Was aber ist passiert?
 

Der Familienbetrieb

 
Um diese absurde Aktion zu verstehen, bedarf es eines kurzen Rückblicks.
Seit Jahren führt Dieter Steger die Bozner SVP als Obmann des Koordinierungsausschusses an. Der SVP-Parlamentarier war auch maßgeblich an der Zusammenstellung der Bozner Stadtregierung und der Nominierung von Luis Walcher und Johanna Ramoser als Stadträte beteiligt.
Eine Gruppe rund um die Familie Rizzolli strebt aber mehr Macht innerhalb der Bozner SVP an. Die Kaufleutefamilie hat großen Einfluss innerhalb der Stadtpartei, und sie hat sich dazu ein kapillares Netzwerk aufgebaut. Man versucht - durchaus legitim - die politischen Gleichgewichte in Richtung Lauben zu verschieben. Deutlich wird das bei den Wahlen in den SVP-Ortsgruppen.
 
 
Dieter Steger war rund 10 Jahr lang Obmann der SVP-Ortsgruppe Bozen Dorf. Bis er vor drei Jahren Paula Aspmair als seine Nachfolgerin vorgeschlagen hat. Steger wurde damals von seiner Ortsgruppe als Delegierter in den Koordinierungsausschuss entsandt, wo er dann zum Vorsitzendes dieses Gremiums und damit zum SVP-Stadtobmann gewählt wurde.
Bei der Neubestellung der SVP-Gremien im Jahr 2022 sollte diese Konstellation eigentlich fortgeführt werden. Doch es kam anders. Bei der Wahl in der Ortsgruppe vor einigen Wochen wurde Paula Aspmair als Ortsobfrau zwar bestätigt, Dieter Steger aber völlig überraschend als Delegierter abgewählt. Für den SVP-Senator wurde ausgerechnet Aspmairs Schwiegervater Helmuth Rizzolli als Delegierter der Ortsgruppe in den Koordinierungsausschuss gewählt. Eine Art Familienbetrieb.
Auch diese Entscheidung dürfte kein Zufall sein. Denn nach Informationen von Salto.bz haben sich unmittelbar vor der Wahl des Ortsausschusses rund zwei Dutzend Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der Belegschaft der Rizzolli-Unternehmen in die SVP eingeschrieben und bei der Online-Wahl auch abgestimmt.
 

Der Stadtobmann

 
Die Steger-Abwahl sollte aber nur ein erster Schritt sein, um den SVP-Senator auch als Bozner Stadtobmann zu entsorgen. Das wurde spätestens am Montag deutlich.
Weil Dieter Steger von seiner Ortsgruppe nicht mehr für den Koordinierungsausschuss nominiert wurde, musste er auch das Amt des Stadtobmannes niederlegen. So wurden die Neuwahlen von seinen Stellvertretern vorbereitet: Markus Mattivi und Paula Aspmair.
Sie führten dann auch den Vorsitz auf der Sitzung am Montag.
Weil Dieter Steger nicht mehr Mitglied des Gremiums ist, konnte und sollte er als Stadtobmann auch nicht mehr wiederbestätig werden. Doch die Steger-Unterstützer, allen voran der Bozner Vizebürgermeister Luis Walcher, haben diesen Plan durchkreuzt.
Im Koordinierungsausschuss sitzt auch der Bozner Delegierte für den SVP-Parteiausschuss. Das war bisher Sebastian Seehauser. Seehauser ist vor einigen Wochen aber aus persönlichen Gründen als Bozner Gemeinderat zurückgetreten und er hat auch das Amt als Delegierter zurückgelegt. Damit musste die Bozner SVP auch diesen Posten neu besetzen.
Die Tagesordnung am Montag sah deshalb zuerst die Wahl des Obmanns bzw. der Obfrau des Koordinierungsausschusses, seines/r Stellvertreters/in und dann die Wahl des/der Delegierten für den Parteiausschuss vor.
 
 
Die Gruppe um die Familie Rizzolli wollte Luis Walcher zum Stadtobmann machen, Paula Aspmair zum Vize und jemand aus ihren Reihen als Delegierten in den Parteiausschuss entsenden. Damit wäre die Steger-Entsorgung aufgegangen.
Doch Luis Walcher stellte am Montag gleich zu Beginn den Antrag, die Wahl des Delegierten vorzuziehen. Weil man diesem Antrag des Vizebürgermeisters kaum etwas entgegensetzen konnte, brach unter den Steger-Gegner umgehend Panik aus. Walcher ließ sich trotz Gegenreden nicht von seinem Vorgehen abbringen.
Dass man diesen Vorschlag nicht einfach niederstimmen konnte, ist zu diesem Zeitpunkt allen im Saal klar. Deshalb folgt als Art Kurzschlusshandlung der wütende Auszug Einiger aus dem Sitzungssaal.
 

Stegers Bestätigung

 
Stefan Konder gelingt es, seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter am Ende zu überreden, doch noch in den Sitzungssaal zurückzukehren. Während Luis Walcher Dieter Steger als Bozner Delegierten für den Parteiausschuss vorschlägt, schickt die Rizzolli-Gruppe die Bozner Kauffrau Jessika Pernthaler als Gegenkandidatin ins Rennen.
Dieter Steger erhält 17 Stimmen, Jessika Pernthaler 7. 2 Mitglieder enthalten sich. Damit ist der SVP-Senator wiederum Rechtsmitglied im Koordinierungsausschuss. Steger betritt daraufhin den Saal und nimmt mit Annahme der Wahl auch an der Sitzung teil.
 
 
Als man zur Wahl des Stadtobmannes schreitet, folgt dann der nächste Paukenschlag. Luis Walcher erklärt, dass er für dieses Amt nicht zur Verfügung stehe. Als Vizebürgermeister habe er bereits genug zu tun. Zudem sei er gegen eine Machkonzentration. Walcher sagte aber auch, dass er in fast allen Gesprächen mit der SVP-Basis gefragt worden sei, warum nicht Steger weiterhin Bozner SVP-Chef bleiben könnte.
Vor allem aber schlägt der Bozner Vizebürgermeister offiziell Dieter Steger für das Amt des Obmannes des Koordinierungsausschusses vor. Das Stechen eine Stunde zuvor hat deutlich gemacht, dass Steger eine Zwei-Drittel-Mehrheit in diesem Gremium hat und ein Gegenkandidat oder eine Gegenkandidatin chancenlos sein wird.
Deshalb einigt man sich schließlich auf eine gemeinsamen Vorgangsweise. Zuerst wird Dieter Steger per Akklamation einstimmig als Stadtobmann wiederbestätigt und anschließend ebenso per Akklamation Paula Aspmair als Stellvertreterin. Es sollte ein Signal der Geschlossenheit nach Außen sein.
In Wirklichkeit ist die Bozner SVP aber zerstritten wie selten zuvor. Und schon bald könnte sich der Streit auf eine höhere Ebene verlagern.
In den nächsten Wochen steht die Wahl des Obmannes des SVP-Bezirks Bozen Stadt und Land an. Nach dem Rücktritt von Christoph Perathoner und von dessen Stellvertreterin Angelika Wiedmer hat sich Dieter Steger um dieses Amt beworben.
Auch dabei könnte noch Gegenwind aus den Bozner Lauben aufkommen.