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„Der HGV schlägt zurück“

In den vergangenen Wochen mussten die Touristiker und deren Vertreter-Organisation HGV viel Kritik einstecken, heute erfolgte der Gegenschlag – übrigens sehr sachlich.
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Foto: Salto.bz
Der HGV (Hotel- und Gastwirteverband) hat heute (16. Juni) zu einem prominent besetzten Pressegespräch geladen. Neben HGV-Präsident Manfred Pinzger haben Hansi Pichler, Präsident des IDM Südtirol, Thomas Bausch, Direktor des Kompetenzzentrums Tourismus und Mobilität an der Freien Universität Bozen, Brigitte Zelger, Präsidentin der Vitalpina Hotels Südtirol, HGV-Direktor Thomas Gruber sowie der Landtagsabgeordnete und Obman des HGV-Bezirkes Brixen, Helmut Tauber, daran teilgenommen und ihre jeweiligen Positionen dargelegt.
 
Wir lassen uns nicht für alle Missstände verantwortlich machen.
 
Grund für die Einberufung der Pressekonferenz war die Kritik, die in den vergangenen Wochen und Monaten auf die Touristiker und ihre Vertreter eingeprasselt ist. HGV-Präsident Pinzger stellte dann auch gleich zu Beginn im Brustton der Überzeugung klar: „Wir brauchen uns nicht für unseren Erfolg zu rechtfertigen und wir lassen uns nicht für alle Missstände verantwortlich machen.“ Natürlich müsse man die Verantwortung für die Schattenseiten übernehmen – wie beispielsweise den Ressourcenverbrauch und Verkehrsprobleme – dies müsse allerdings auf einer sachlichen und fundierten Basis geschehen. Verärgert zeigte sich Pinzger beispielsweise darüber, dass vor allem Umweltverbände immer wieder erklärten, dass der Tourismus für 18 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sei. „Das stimmt einfach nicht“, betonte Pinzger und wies darauf hin, dass diese Zahl völlig aus der Luf gegriffen sei. Zwar werde in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Eurac-Studie „Tourismus 2030“ verwiesen, doch weder in der Eurac-Studie noch im Klimareport sei festgehalten, dass der Tourismus für diese Emmissions-Menge verantwortlich sei. Sowohl das Deutsche Umweltbundesamt als auch das in Brixen angesiedelte Terra Institute gehen zwischen fünf bis acht Prozent aus.
 
Der Fachkräftemangel betrifft alle Sektoren, und nicht nur die Gastronomie.
 
„Wir stellen uns gerne jedweder sachlichen Diskussion, fordern aber auch klare und belegbare Daten“, betonte der HGV-Präsident. Auch die Berichterstattung über den Fachkräftemangel, von dem angeblich hauptsächlich der Tourismussektor betroffen sei, sei irreführend und entspreche nicht der Realität. „Der Fachkräftemangel betrifft alle Sektoren, und nicht nur die Gastronomie. Es ist uns gelungen, die Anzahl der Beschäftigten im Vergleich zu 2019 sogar noch zu erhöhen“, so Pinzger, der darauf hinwies, dass nach wie vor ein großes Interesse vorhanden sei, im Tourismus zu arbeiten. Dieser Sektor nehme mit einer Bruttowertschöpfung von 13 bis 14 Prozent eine zentrale Rolle in der Wirtschaftsleistung ein. Hinzu komme, dass mit jedem Euro, der im Tourismussektor generiert wird, ein weiterer Euro in die anderen Wirtschaftsszweige wie Handel und Hanwerk fließt. Infrastrukturen und Veranstaltungen, die auch den Einheimischen zugute kommen, würde es ohne Tourismus nicht geben, zeigte sich Pinzger überzeugt. Der HGV-Präsident verhehlte dabei nicht, dass der Tourismus auch Schattenseiten habe, für die man die Verantwortung trage, „aber dass wir für alle Missstände, die im Land herrschen, verantwortlich gemacht werden, das geht zu weit.“
 
 
 
Identifizieren könne man sich mit dem Ziel der Landesregierung, Südtirol zum nachhaltigsten Lebensraum in Europa zu machen. Bereits seit geraumer Zeit hat man sich das Thema Nachhaltigkeit zu eigen gemacht und der HGV sieht seine Aufgabe zum einen darin, die Destination am Nachhaltigkeitsprinzip auszurichten und zum anderen, die Betriebe auf diesem Weg zu unterstützen und sie zu beraten. Gemeinsam mit dem bereits genannten Terra Institute wurde ein Beratungskonzept zusammengestellt, welches von Thomas Gruber, Direktor des HGV, vorgestellt wurde. Einblick in ein Best-Practice-Modell gab Brigitte Zelger, die das Konzept der Vitalpina-Hotels vorstellte.
 

Südtiroler sind das Problem

 
Thomas Bausch, Direktor des Kompetenzzentrums Tourismus und Mobilität der Universität Bozen, skizzierte ein mehr als bedrohliches Zukunfts-(Horror)-Szenario für Südtirol. Denn laut Prognosen versinkt unser Land spätestens 2030 in ein ständiges Verkehrschaos, wie es heute nur zu Spitzenzeiten im August gemessen wird. Unter dieser Verkehrsbelastung wird nicht nur die Bevölkerung leiden, sondern auch der Tourismus, der verständlicherweise ein Interesse hat, dass ein Verkehrsinfarkt vermieden wird, zeigte sich der Verkehrsexperte überzeugt und betonte, dass das Hauptproblem nicht der Tourismus sei, sondern dieser alle Ausmaße sprengende Verkehr überwiegend hausgemacht sei. Zwar sei es naheliegend, aufgrund der Überlastungen während der Ferienzeiten oder an Wochenenden die An- und Abreise von Gästen dafür verantwortlich zu machen, doch dies sei eine subjektive Wahrnehmung. Vielmehr sei das kontinuierliche Bvölkerungswachstum, das enorme Wirtschaftswachstum und der Anstieg bei den Beschäftigungszahlen für den steigenden Verkehr verantwortlich.
 
Ohne Verkehrswende der Einheimischen und der Wirtschaft wird es auch ohne Tourismus spätestens 2030 zum Verkehrsinfarkt kommen.
 
Bausch präsentierte dabei Daten verschiedener Zählstellen, die zeigen, dass die Verkehrs-Grundlast beispielsweise in St. Lorenzen mit 46 Prozent und in Bruneck Ost mit 42 Prozent deutlich schneller angestiegen ist als das Bevölkerungswachstum (12,5 %). Daraus könne man ablesen, dass Überlastungen des Verkehrsnetzes weniger die Folge eines touristischen Wachstums sind, als vielmehr durch die gestiegene Grundlast hervorgerufen werden. Anders sieht es hingegen auf den Straßen der Dolomiten-Pässe aus, wo der Tourismus tatsächlich der Hauptverkehrstreiber ist, so Bausch, der darauf hinwies, dass es in diesem Falle die gesetzlichen Rahmenbedingungen schwierig machten, eine Lösung zu finden. Sollte der Bettenstopp seine Wirkung entfalten, dürfte der Tourismus zu Spitzenzeiten nicht mehr nennenswert wachsen, erklärte der Verkehrsexperte, der jedoch betonte, dass ohne Verkehrswende der Einheimischen und der Wirtschaft es auch ohne Tourismus spätestens 2030 zum Verkehrsinfarkt kommen wird.
 
 

Nachhaltigkeit, die wir meinen

 
„Wir haben vor drei Jahren beschlossen, das Thema Nachhaltigkeit als Grundsatz in unser Tätigkeitsprogramm aufzunehmen“, erklärte Hansi Pichler, Präsident des Wirtschaftsdienstleisters IDM. Dieser Grundsatz bestimme die Handlungen über alle Wirtschaftszweige hinweg. Gemeint sei damit eine ökologische, ökonomische und soziale Entwicklung, die im Gleichgewicht gehalten und gleichermaßen wachsen müsse. Einer Umfrage unter den Gästen zufolge seien diese auch durchaus bereit, mehr für einen nachhaltigen Tourismus auszugeben. In Zusammenarbeit mit vier Pilotgemeinden – Brixen, Seiser Alm, Alta Badia und Eggental – arbeite man an Nachhaltigkeitsstandards, die im Anschluss auf die restlichen Gemeinden Südtirols ausgeweitet werden sollen.
 
78 Prozent der Urlaubsgäste sind bereit, bei ihrer Anreise auf das Auto zu verzichten.
 
Auch in der Nachhaltigkeitsstrategie ist der Verkehr ein zentrales Thema, so Pichler, der erklärte, dass das Anreiseverhalten des Gastes nach wie vor vom Pkw geprägt sei. Aber auch hier habe eine Umfrage gezeigt, dass ein hoher Prozentsatz der Gäste, immerhin 78 Prozent, bereit ist, bei ihrer Anreise auf das Auto zu verzichten. Der Urlaubsgast müsse von seiner Südtirol-Reise eine positive Erfahrung mit nach Hause nehmen, immer häufiger werde Südtirol jedoch in einem negativen Kontext genannt, erklärte der Tourismusexperte. Grund dafür sind völlig überrannte Hotspots wie zum Beispiel die Dolomitenpässe, der Karersee oder Pragser Wildsee. Mit einer Lenkung des Besucherstromes,  mithilfe der Digitalisierung sowie der Schaffung der technischen Voraussetzungen möchte man diese Urlauberflut in den Griff bekommen. Ein weiteres zentrales Thema in der Nachhaltigkeitsstrategie nimmt die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft ein. Wie Pichler erklärte, werde man sich in den nächsten zwei Jahren intensiv damit auseinandersetzen – wie Pichler betonte, eine Win-Win-Situation für beide Seiten.
 

Der Fahrplan

 
Bei den anschließenden Fragen der Presse kam natürlich auch das Omnibus-Gesetz zur Sprache, in welchem unter anderem der Bettenstopp verankert werden soll. Wie Pinzger erklärte, gehe es beim Tourismuskonzept nicht nur um den vielzitierten Bettenstopp, um den sich derzeit die gesamte Diskussion drehe. Die Tourismustreibenden selbst wünschten sich eine nachhaltigere Ausrichtung, man verlange jedoch Klarheit über den Inhalt der Bestimmungen sowie die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten der Gastbetriebe. Das Problem sei nämlich, dass man in Südtirol viele unterschiedlichen Situationen vorfinde: von kaum touristisch erschlossenen Seitentälern bis hin zu stark ausgebauten Tourismus-Zentren. Der Landtagsabgeordnete Helmut Tauber erklärte, dass in den kommenden Sitzungen die Details abgeklärt werden. Voraussichtlich Ende Juli soll das Gesetz im Landtag behandelt und darüber abgestimmt werden – trotz der teils harschen Kritik, wie sie beispielsweise vom Prettauer Bürgermeister und Präsidenten der Bezirksgemeinschaft Pustertal, Robert Steger, geäußert wurde. 
 
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Klemens Riegler Gio, 06/16/2022 - 17:45

Was ist denn das für eine Aussage? "Bausch präsentierte dabei Daten verschiedener Zählstellen, die zeigen, dass die Verkehrs-Grundlast beispielsweise in St. Lorenzen mit 46 Prozent und in Bruneck Ost mit 42 Prozent deutlich schneller angestiegen ist als das Bevölkerungswachstum (12,5 %)"
- Von wann bis wann? Zeitraum?
- Wurden bei den Zählstellen nur "Südtiroler Kennnummern" erfasst?
- ... und was für eine "wissenschaftliche" Interpretation folgt da !!!
Das ist keine Kritik aber alles sehr verwirrend. Dass wir selbst zu einem großen Teil für den Straßen-Puff verantwortlich sind, stimmt natürlich. Und in Tourismusstoßzeiten kommen die anderen eben noch dazu. Und zur Erntezeit eben die Traktoren.
GUT DASS DARÜBER GEREDET WIRD!

Gio, 06/16/2022 - 17:45 Collegamento permanente
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Factum Est Gio, 06/16/2022 - 23:59

Pinzger soll sich besser Gedanken machen wie der Verkehrsfluss in seiner Heimatgemeinde Schlanders machen. Die 2 Kreisverkehre welche südlich des Hauportes noch unter Bürgermeister Wallnöfer gebaut wurden sind eindeutig zu klein geplant worden. Hier könnte sich der derzeitige Bürgermeister und der HGV entsprechend für eine verkehrstechnische Lösung einsetzen. Weiter östlich bei Vetzan war die Planung um Einiges Besser.

Gio, 06/16/2022 - 23:59 Collegamento permanente
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Josef Fulterer Ven, 06/17/2022 - 05:58

In risposta a di Factum Est

Es reicht nicht, wenn Hansi Pichler von Nachhaltigkeit faselt und erklärt, dass 78 % der Gästen nicht mit eigenem PKW anreisen möchten.
In Wirklichkeit kommen aber 9 von 10 Urlaubern für laufend kürzere Aufenthalte, mit der eigenen Karosse und verstopfen die mit den verfügbaren Gründen und öffentlichen Mitteln kaum mehr Ausbau-baren Straßen.
... und bei den Investitionen in den Gemeinden und der Landesregierung, werden die Vorhaben für den Tourismus besonders wohlwollend behandelt.

Ven, 06/17/2022 - 05:58 Collegamento permanente