Società | Caritas

„Es darf uns nicht egal sein“

Franz Kripp übergibt im August sein Amt als Direktor der Caritas an Beatrix Mairhofer. Die Herausforderungen werden dabei nicht kleiner, erklärt der scheidende Direktor.
Franz Kripp
Foto: Diocesi Bolzano-Bressanone
Salto.bz: Herr Kripp, Sie haben die Leitung der Caritas in einer sehr schwierigen Situation übernommen.
 
Franz Kripp: Ich war bereits drei Mal in meiner Karriere als Direktor der Caritas tätig. Von 1991 bis 2002, von 2015 bis 2017 gemeinsam mit Paolo Valente und im Februar dieses Jahres – mitten in einer Krisensituation – hat mich Bischof Ivo Muser gebeten, wieder einzuspringen. Ich habe Ja gesagt, denn ich kenne die Caritas wie meine Westentasche. Aber – nur für eine begrenzte Zeit, weil ich meinen anderen Beruf als Diözesanökonom nicht hintanstehen lassen möchte. Das ist nämlich auch ein Teil von mir.
 
Mit ihrer Nachfolgerin Beatrix Mairhofer wird zum ersten Mal eine Frau die Leitung der Caritas übernehmen. Eine bewusste Entscheidung?
 
Mairhofer ist die dritte weibliche Amtsleiterin in der Führung der Kirche der Diözese Bozen-Brixen. In diesem Sinne wird wieder ein Stück Geschichte geschrieben, weil die Caritas bisher immer von Männern geleitet wurde. Natürlich ist das auch ein ganz bewusster Schritt seitens des Bischofs, mit welchem der Frauenanteil in Führungspositionen in der Kirche erhöht wird.
 
 
 
Man sagt den Frauen nach, dass sie in der Kommunikation, Mediation und im Ausgleich nicht gerade untalentiert sind.
 
Dem kann ich hundertprozentig zustimmen. Wenn beide Geschlechter in einem Gremium vertreten sind, wird anders diskutiert, es werden auch neue Aspekte diskutiert. Seien es Männer oder Frauen, jeder hat in seiner Denkweise manchmal blinde Flecken, die das jeweils andere Geschlecht ergänzen kann. Das bereichert natürlich jede Führungsstruktur.
 
Klima- und Flüchtlingskrisen, Hungersnöte und Kriege. Worauf muss sich die Caritas in Südtirol in den nächsten Jahren einstellen?
Ich glaube, es geht in erster Linie darum, worauf sich die Gesellschaft in Südtirol einstellen muss. Die Diözese ist Teil davon – aber eben auch nur ein Teil. Vieles, was da auf uns zukommt, können wir noch gar nicht abschätzen. Obwohl ich mich zu den Optimisten zähle, bin ich angesichts der Probleme manchmal gar nicht optimistisch. Der Krieg in der Ukraine, der Klimawandel, den wir nun auch in Südtirol knallhart zu spüren bekommen, stimmen mich sehr nachdenklich. Die große Herausforderung wird sein, wie wir es schaffen, diesen Prozess des Abwärtstrends, in dem sich die Welt befindet, zu stoppen – und vielleicht sogar wieder rückgängig zu machen; dass Menschen nicht Angst haben müssen vor der Zukunft, gut versorgt werden können und nicht ihre Heimat verlassen müssen.
 
Niemand verlässt seine Heimat freiwillig.
 
Wir sprechen hier auch von Gebieten auf der südlichen Erdhalbkugel. Die dortigen Bewohner fliehen vielleicht nicht vor einem Krieg, aber auch die Flucht vor Hunger und die Flucht vor Trockenheit ist eine Flucht. Wir dürfen nicht zwischen Kriegsflüchtlingen und Menschen, die aus einem anderen Grund auf der Flucht sind, unterscheiden. Niemand verlässt seine Heimat freiwillig. Wir müssen Möglichkeiten finden, diesen Menschen zu helfen und sie aufzunehmen – oder noch besser: Wir müssen unseren Lebensstil dahingehend ändern, dass diese Menschen nicht mehr aufgrund von Naturkatastrophen fliehen müssen.
 
Ich habe den Eindruck, dass weder die Politiker noch die Wissenschaftler eine Antwort darauf haben, wie diese Veränderungen eingeleitet werden sollen.
 
Ich glaube, dass die Wissenschaft die Antworten darauf hat. Die EURAC beispielsweise stellt uns manche Antworten bereits vor, es liegt aber an uns, der Gesellschaft und an den politischen Verantwortlichen, aber auch an jedem einzelnen Menschen, dass wir lernen müssen, unangenehme Entscheidungen, die unseren Lebensstil betreffen und die mehr Bescheidenheit von uns verlangen, zu akzeptieren – zum Wohle des Gemeinwohls auf der Welt.
 
Es darf uns nicht egal sein, ob der Bauer in der Po-Ebene Wasser hat oder nicht.
 
Die Mehrheit der Gesellschaft wird diese Bescheidenheit als Einschränkung empfinden.
 
Das ist das Problem. Aus diesem Grund muss sich unsere Einstellung ändern. Wir müssen verstehen, dass wir kein Plastik und Wegwerfmaterial kaufen sollen und dass wir mit dem Wasser sparsam umgehen müssen. Es darf uns nicht egal sein, ob der Bauer in der Po-Ebene Wasser hat oder nicht. Es wird ein Einschnitt in unserem Leben stattfinden müssen – dazu werden wir wohl verpflichtet werden müssen.