Cultura | Salto Afternoon

Neu und auf Anfang?

Im Palais Mamming in Meran widmet sich derzeit „Make it new“ dem Poeten und Kunstförderer Ezra Pound und seinem Umfeld. Sie zeigt eine Person mit Untiefen und Sogwirkung.
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Foto: Privat
Nach einem einleitenden Text und zwei Beispielen der buchmalerisch ausgestalteten Kapitelinitialen von Pounds Hauptwerk „The Cantos“ widmet sich die Ausstellung zuerst dem Bild des Künstlers. „Make it new - Ezra Pound im Wirbelsturm der Moderne“ (so der volle Titel) zeigt in diesem ersten, großen Raum Porträts und Überhöhungen zur Ikone des Dichters von internationalen, aber auch lokalen Künstlern, wie Markus Vallazza. Allen, in ihrer Form denkbar verschiedenen Werken gemein ist - abgesehen von einem Bildnis am Sterbebett durch Giuseppe Santomaso - eine Strenge, die perfekt zum kompromisslosen, umstrittenen Autor passt. Alle großen Köpfe seiner Zeit mit denen er verkehrte aufzuzählen, wäre müßig. Für die Ausstellung, das machen die zahlreichen Textblöcke klar, sollte man vorzugsweise mindestens zwei Stunden Zeit mitbringen.
 
 
Die Annäherung Pounds an den Faschismus hatte vor allem wirtschaftliche Motive, die in der Ausstellung etwas knapp kommen, er habe in der Wirtschaftspolitik des Faschismus einen dritten Weg zwischen Liberalisierung und Kapitalismus auf der einen und Kollektivierung und Kommunismus auf der anderen Seite. Von den Monaten im Käfig, durch die Amerikaner aufgrund seiner Radiosendung bei der faschistischen EIAR (Ente Italiano per le Audizioni Radiofoniche) als Kollaborateur angeklagt oder den zwölf Jahren im St. Elisabeth Federal Hospital in Washington, wo er aufgrund eines psychologischen Gutachten interniert war, finden sich nur Spuren. Auch weil man sich, über die Aufenthalte Pounds in London, Paris und schließlich Italien hinaus mehr für seine Zeit in Meran und Dorf Tirol interessiert.
In der zweiten Hälfte der 50er Jahre war Ezra Pound für die Stadt am Zusammenfluss von Passer und Etsch ein Kultur-Katalysator. Die Jahre ’58 bis ’62, nach der Entlassung aus dem Hospital in Washington in denen Ezra Weston Loomis Pound auf der Brunnenburg residierte fielen mit einer Neuausrichtung in Richtung Kunststadt zusammen, ein Thema für welches man den Bezugspunkt Pound auch nur am Rande streift. In besonderer Weise sind die Ausstellungskataloge im Streichholzschachtel-Format sehenswert, welche der Mailänder Verleger Vanni Scheiwiller in seinem Verlag „All’insegna del pesce d’oro“ drucken ließ, der auch eine Sammlung mit drei Essays von Pound „Lavoro ed usura“ veröffentlichte, was ein Beispiel für die zum Teil eher dünnen Brückenschläge zurück zu Pound sein kann.
 
 
An persönlichen Gegenständen sind eine Schreibmaschine und, unerwartet, ein kleiner von Pound selbst gezimmerter Liegestuhl vertreten, auf welchem er zum Denken den Kopf in den Nacken legen konnte. Die ausgestellte Korrespondenz ist auch größtenteils an Pound adressiert und nicht aus seiner Feder. Es verstärkt sich noch einmal der Eindruck, dass Pound weniger als Person und mehr als Figur greifbar wird, der etwa während seines Aufenthalts im Spital als Konfuzius hoch zu Ross stilisiert wurde, welches gleichzeitig als Fingerzeig auf sein Fernostfaible und seinen aus chinesischen Schriften übertragenen Leitspruch zu sehen ist: Make it new.
Der Wirbelsturm im deutschsprachigen Titel der deutsch-italienischen Ausstellung hätte genauso ein Strudel sein können: Man nimmt Bezug auf den Vortizismus, der eine kurzlebige Parallel-Bewegung zum Kubismus und dem italienischen Futurismus war, sich als englischer Beitrag zur Moderne aber klar von ihnen abtrennte. Die Zeitschrift „BLAST“, das „Organ“ der Bewegung ist auch vertreten. Im Juni 1914 erstmals und das zweite mal im Juli 1915 erschienen, wurde eine dritte Veröffentlichung durch den ersten Weltkrieg verhindert.
Über der im Erdgeschoss zwar mit viel Text überwältigend, aber nach den eigenen Gesichtspunkten sorgfältig kuratierten Ausstellung findet sich direkt unter dem Dachstuhl noch ein alter Dokumentar in Schwarz-Weiß zu Pound, auf einem Fernseher in Dauerschleife. Ein Ausstellungskärtchen oder ähnliches, welches den Beitrag einordnen ließe, fehlt leider. Schade, dass sich die Sorgfalt nicht bis hierher fortsetzen ließ.
„Make it new - Ezra Pound im Wirbelsturm der Moderne“ verlässt man mit weniger Illusionen einen komplexen Kunstförderer und Poeten zu kennen, als man sie beim betreten der Ausstellung hatte, aber auch, ohne dass man sich dem schwierigen Erbe von Ezra Pound weiter genähert hätte, als es nötig war. Man sieht Pound den großen geschichtlichen Irrtum nach und lässt sich von einer Bewegung großer Ideen ein Stück weit mitreißen.
 
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a richter Mer, 07/13/2022 - 15:35

Interessant
aber Sie erwaehnen nicht das er ein eingefleischter Antisemit war.
Ist das bewusst hinterlassen worden?

Mer, 07/13/2022 - 15:35 Collegamento permanente