Ambiente | Naturschutz

"Greenwashing made in Brixen"

Die Ausgleichsmaßnahmen zur geplanten Rodung des Brixner Auwaldes sind ein reines "Greenwashing". Um dies zu erkennen, braucht man auch absolut kein Fachmann zu sein!
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
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Foto: Franz Pattis

Bereits im Jahr 2018 wurde der zwei Hektar große Auwald in der Brixner Industriezone und die vorgelagerte Blumenwiese im Ausmaß von einem Hektar vom Vinzentinum um 9.034.000 Euro an die Progress Holding AG verkauft. Die offizielle Bauleitplanänderung zur Errichtung eines 3D-Betondrucker Industriegebäudes an der Stelle des Auwaldes wurde dann im Jänner 2020 mit einem Beschluss des Brixner Stadtrates eingeleitet. Dieser musste dann vorerst mal von der Landeskommission Raum und Landschaft zurückgezogen werden, da die Anzahl der eingereichten Bauleitplanänderungs-Anträge der Gemeinde Brixen in einem vorgeschriebenen Zeitraum überschritten wurde. Es folgte dann im Mai 2020 ein neuer Beschluss, der dann allerdings völlig überraschend einen Tag vor der Behandlung in der Landeskommission zurückgezogen wurde. Grund: man hatte in Erfahrung gebracht, dass der Antrag wenig Chancen auf eine Genehmigung hat, da der Auwald im Brixner Landschaftsplan einen sehr hohen Schutzstatus einnimmt und die zuständigen Landesämter diesen auch nicht aufheben wollten. Nichtsdestotrotz gibt es weiterhin Bestrebungen im neuen Landschaftsplan den Auwald-Schutzstatus aufzuheben!

Es stellt sich die Frage, wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass der letzte große Auwald des gesamten Eisacktales so ganz ohne Widerstand von offiziellen Umweltschützern einfach zur "Schlachtbank" geführt werden kann? Nun hierzu muss man die Zeit wieder etwas zurückdrehen auf das Jahr 2018. Damals wurde nämlich bereits ein kleiner Teil dieses sehr wertvollen Vogelhabitats im Süden für den Bau des Industriegebäudes Viropa gerodet. Die Umweltgruppe Eisacktal protestierte dagegen mit einem Schreiben vom 11. Juni 2018 an den Bürgermeister, die Gemeinderatsmitglieder und die Medien. Es wurde darauf hingewiesen, dass dieser Auwald ein sehr wertvolles Habitat für 64 Vogelarten ist. Weiters wurde mitgeteilt, dass von 29 Arten eine Brut im Auwald nachgewiesen wurde und sich darunter auch 7 Arten der Roten Liste befinden! Der Dachverband für Natur und Umweltschutz hat diese Aussendung dann auch auf seiner Homepage veröffentlicht: https://www.umwelt.bz.it/aktuelles/neuigkeiten/archiv/ug-eisacktal-offener-brief-auwald-in-brixen.html

In der Zwischenzeit hatte aber die Firma Progress bereits den gesamten Auwald mit Blumenwiese im Westen gekauft. Wohl wissend, dass es Widerstand vonseiten der Umweltgruppe Eisacktal geben würde, wurde diesen ein "Angebot" unterbreitet. Als sogenannte Ausgleichsmaßnahme für die Auwaldrodung könnten sie sich in der Millander Au "verwirklichen" bzw. ihren langersehnten Wunsch realisieren, diese nun zu erweitern. Derweil hatte die Progress bereits 1,5 Hektar Obstplantage südlich der Au im Tauschwege erworben. Wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, dass diese Firma bereits den Auwald gekauft hatte, überkam die Umweltgruppe Eisacktal eine gewisse "Ohnmacht" und man willigte diesem sehr fragwürdigen "Deal" dann auch noch zu. Für einen Außenstehenden ist dieser plötzliche Sinneswechsel allerdings sehr schwer zu begreifen, sprach man in obiger Aussendung sogar noch von einem Tabu: "Das Brixner Becken war einst bedeckt von Auwäldern. Diese sind in den letzten Jahrtausenden und Jahrhunderten nach und nach Siedlungs- und Landwirtschaftsgebiet gewichen. Die kleinflächigen Auwaldreste sind daher kümmerliche Überbleibsel. Jegliche weitere Reduzierung dieser Flächen sollte im 21. Jahrhundert eigentlich Tabu sein. Die besagten Flächen sind von fundamentalem Wert für die heimische Flora und Fauna"!

Kommen wir nun zum sogenannten "Greenwashing", von dem auch derzeit bei den "Sustainability Days" in Bozen immer wieder die Rede ist. Ehrlich gesagt, ich bin überhaupt kein großer Freund von diesen englischen Bezeichnungen, die vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie wahnsinnige Ausmaße angenommen haben mit: boostern, hub usw.! Aber ehrlich gesagt das Wort "Greenwashing" ist mir nicht so unangenehm, wahrscheinlich weil es mit Naturschutz zu tun hat? Im Internet findet man dazu viele Erklärungen, am besten hat mir aber folgende gefallen bzw. welche am besten zum Auwald-Deal passt: "Versuch von Firmen, Institutionen sich über ökologische Projekte als besonders umweltbewusst und umweltfreundlich darzustellen". Und genau darum geht es auch bei der Ausgleichsmaßnahme zur Auwaldrodung bzw. die Erweiterung der Millander Au in stark pestizidbelastete Obstplantagen, die dazu noch über Jahrzehnte bis zu zwei Meter hoch mit nicht aussortiertem Bauschutt bzw. auch mit Müll aufgefüllt wurden. Daher ist auch nicht weiter verwunderlich, dass im Herbst 2020 bei Probebohrungen sogar Altöl gefunden wurde. Aus diesen Gründen ist es auch mehr als fraglich, ob diese Ausgleichsmaßnahmen überhaupt gelingen können? Zudem brauchen neu gepflanzte Bäume bekanntlich Jahrzehnte um als Brutplatz für Vögel überhaupt in Frage zu kommen! Von der Fähigkeit viel klimaschädliches CO2 zu speichern ganz zu schweigen! Und in diesem Sinne ist der über Jahrhunderte gewachsene Auwald in der Industriezone geradezu ein gigantischer CO2 Speicher und Temperatursenker und gerade jetzt in Zeiten des rasanten Klimawandels von immenser Bedeutung! Auch aus diesem Grunde wäre eine Rodung des Brixner Auwaldes ein gewaltiges Umweltverbrechen!!

NB. Habitats-Verlust ist die Ursache Nummer 1 für das Artensterben. Sollte der Brixner Auwald wirklich vernichtet werden, wären vor allem jene Vogelarten, die in alten und morschen Baumstämmen brüten, noch stärker vom Aussterben bedroht!! Grund: Es gibt so gut wie keine alten Baumstämme mehr im Eisacktal, da die Auwälder der Landwirtschaft und der Industrie weichen mussten. Einzig im Brixner Auwald gibt es noch viele Bäume dieser Art! 

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Hartmuth Staffler Sab, 09/10/2022 - 22:00

Im Jahr 1912 hat die Zeitung "Brixener Chronik" vorgeschlagen, die Auwälder südlich von Brixen - damals noch ein großes, zusammenhängendes Gebiet - unter Naturschutz zu stellen. Jetzt will man die letzten Reste zerstören, das nennt sich Fortschritt.

Sab, 09/10/2022 - 22:00 Collegamento permanente