Società | Waltherpark

Gegen das neue Bozner Flair

Im kleinen Format wurde gestern zum Baustellenfest im Waltherpark eine Gegenveranstaltung am Platz vor dem Landhaus ausgerichtet. Aber wogegen protestiert man?
Waltherpark
Foto: Privat
Die Frage muss man stellen, sie wurde dem Veranstalter (Spazio autogestito 77) in abgewandelter Form auch von Pressevertretern gestellt: Ob ein Protest gegen den Waltherpark nicht anachronistisch sei? Dies war aus der Sicht der Organisator:innen mit Nein zu beantworten. Auch wenn das Bauprojekt mit voraussichtlicher Fertigstellung im Jahr 2024 nicht mehr zu stoppen ist, die Forderungen an die Politik wurden klar zum Ausdruck gebracht: Eine Abschaffung des „Lex Benko“ genannten Artikel 55 des Raumordnunggesetzes, eine Streichung von Landes-Subventionen für klimaschädliche Projekte und eine Priorisierung des Gemeinwohls gegenüber den Interessen von Großinvestoren.
Eine wirkliche „Störung“ des Würstl-Fests mit DJ auf der Baustelle war die Veranstaltung nicht, das anfangs noch großzügig bemessene Aufkommen an Ordnungshütern hätte ein solches Unterfangen unmöglich gemacht. Statt dessen gab es Protestmusik in gemäßigter Lautstärke und Wortmeldungen wechselnder Referenten.
 
 
Hauptreferent war dabei Claudio Campedelli, der das Projekt im klaren Widerspruch zum neuen Nachhaltigkeitskurs der Landesregierung sah und beanstandete, dass man das Referendum zum Waltherpark vor dem Bekanntwerden wichtiger Informationen, etwa des ökologischen und infolge dessen auch gesundheitlichen Impacts des Projekts durchgeführt hatte. Durch Bodenversiegelung und dem direkten Kontakt zu einem der Grundwasserleiter der Stadt, sowie durch den Verlust von Rasenflächen und Bäumen sei dieser erheblich.
Die sozialen Auswirkungen, die unter anderem in der Wortmeldung des Architekten Herrmann Trebo ihren Ausdruck fanden, sah man dabei als nicht minder bedenklich. Er warnte, am Beispiel von München und London, dass das Großprojekt mit Luxus-Apartments, ohne jedweden sozialen Wohnbau die Gentrifizierung voran treibe. Würde das Zentrum zum Ort der Spekulation von Imobilieninvestoren, so würde das eine Abwanderung in die Peripherien von Bozen nach sich ziehen und dadurch wieder ein Mehr an Verkehr.
Infolge ging Trebo zu einer kritischen Zusammenfassung des „AB Magazine - Aufschwung Bozen“ der WaltherPark AG über, welches in dieser Woche in der auflagenstärksten Tageszeitung Südtirols beilag. Es wurden etwa dem Virgl-Projekt eine Doppelseite aus einseitiger Sicht gewidmet und die Personalien des SIGNA-Teams gelobt, unter anderem jene von Ex-Walcher-Sekretär Werner Frick, der Anfang Sommer aus dem Landesdienst gewechselt hatte.
 
 
Trebo fuhr mit den drei Grundproblemen fort, die er bei dem 2008 ausgeschriebenem Argo-Projekt zur Bahnhofserneuerung ausmachen konnte: Zum einen, dass bei der Geleise-Verschiebung im Kompetenzbereich der RFI der Landesregierung freie Hand gelassen wurde, welche diese wiederum den Wettbewerbsteilnehmern überließ, anstatt sie vorab zu fixieren. Weiters seien dadurch, dass kein Geld vom Land oder der Gemeinde ins Projekt investiert wurde, von vorn herein nur Großinvestoren in Frage gekommen. Als dritten Punkt monierte der Architekt erneut den Umstand, dass im Argo-Projekt keinerlei sozialer Wohnbau vorgesehen ist.
Nachdem Trebo sich der Forderung einer Abschaffung oder zumindest Abänderung der „Lex Benko“ angeschlossen hatte und die weiteren Interessen-Felder René Benkos in Südtirol abgesteckt hatte, ging das Wort an Margot Wittig. Die Architektin und Mitglied von lab.bz argumentierte für den Ötzi-Standort Ex-Enel und machte Werbung für den Informationstag zur temporären Nutzung brachliegender Flächen und Gebäude am 30. September in der Bahnhofsremise, sowie dem von AplacetoB(z) angestrebten Tag der offenen Tür im Bahnhofsareal Tags darauf (10 bis 22 Uhr), im Rahmen der Bolzano Art Weeks.
 
 
In weiteren Wortmeldungen wurde noch der Umgang mit Migranten und die zu geringe Zahl an Integrationsprojekten angeklagt. Den Jugendlichen werde zudem durch das Projekt keinerlei neue Perspektive geboten: Viele von ihnen verbrächten bereits jetzt ihre Wochenenden in Ermangelung alternativer Angebote damit, im Einkaufszentrum von Geschäft zu Geschäft zu tingeln. Ein Fakt an dem sich auch mit dem Waltherpark nichts ändern dürfte.
Als ich nach Beendigung der Demonstration beim wesentlich besser besuchten Baustellenfest vorbei schaute, welches es durch die Demo zu stören gegolten hätte, schnupperte ich „das neue Bozner Flair“, von welchem man am Einladungs-Flyer las: Es roch nach Bratwurst und Zigarren. Ein Kind meinte nach dem Blick in die Baugrube: „Hoffentlich kimp a geiler Nike-Store eini.“ Ein paar Zettelchen am Gehweg Richtung Waltherplatz waren von einem Störungsversuch geblieben. Da muss aus Sicht der Demonstranten die Devise gleich lauten wie die der SIGNA wenn sie zum Virgl blickt: dranbleiben.
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Josef Fulterer Dom, 09/18/2022 - 06:31

HAGERs - SIGNA - BENCO - Projekt wird die Stadt Bozen, mit sehr vielen Geschäfts-leer-Ständen, präkeren Arbeitsverhältnissen auf Abruf "mit denen weiter Geld nach OBEN geschaufelt wird" und mit dem Verlust des Gesichtes der Altstadt teuer bezahlen.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Landesregierung nicht auch noch den ÖTZI für die SIGNA-KLAMAUCK-BUDE auf dem Virgl spendiert.

Dom, 09/18/2022 - 06:31 Collegamento permanente
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Manfred Klotz Dom, 09/18/2022 - 08:37

In risposta a di Josef Fulterer

Dem Virgl-Projekt wurde ja schon eine Absage erteilt. Auf Druck der Bozner Nomenklatura. Ist ja toll, dann können wir uns sicher weitere 20 Jahre an der Verwahrlosung des Virgls erfreuen. Weil passieren wird dort nichts. Mit welchem Geld auch?
Dann bin ich gespannt, wie viele von denen, die jetzt glauben der Signa eines ausgewischt zu haben, protestieren, dass dieser Teil Bozens zu einer Müllhalde verkommt (was jetzt schon der Fall ist).

Dom, 09/18/2022 - 08:37 Collegamento permanente