Politica | Landtag

Bildungsoffensive knapp gescheitert

Der Beschlussantrag der Grünen, das Südtiroler Bildungssystem auf Vordermann zu bringen, wurde abgelehnt. Bildungslandesrat Achammer gesteht dennoch Schwachstellen ein.
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Foto: Taylor Flowe on Unsplash
Laut der Grünen Landtagsfraktion befindet sich die Südtiroler Schule in einer gravierenden Krise. „Wir hatten ein vorbildliches Schulsystem, doch jetzt drohen wir abzusacken“, erklärt Hanspeter Staffler, Fraktionsmitglied und Erstunterzeichner des Beschlussantrags „Bildungsoffensive 2030“.
Die Frustration unter Lehrkräfte aller Schulstufen sei groß, die ältere Generation gehe in den Ruhestand und die jüngere Generation wende sich anderen Ländern wie Österreich und der Schweiz zu, wo die Gehälter höher seien. Also müssten immer mehr junge Menschen, die gerade die Schule abgeschlossen haben, diese Lücken füllen. „Das Land muss so schnell wie möglich ein Maßnahmenpaket schnüren, um den Lehrerberuf wieder attraktiv zu machen und die Abwanderung junger Hochschulabsolvent:innen in den Norden zu stoppen“, fordert Staffler.
 
 
Der Beschlussantrag der Grünen enthielt daher den Auftrag zur Ausarbeitung einer „Bildungsoffensive 2030“, eine vergleichende Studie der Bildungsausgaben der OECD-Staaten, die Anhebung der Gehälter für die Lehrerschaft sowie unterstützende Maßnahmen wie Coachingangebote oder Resilienzprogramme. Der Antrag wurde mit 15 Ja- und 17 Nein-Stimmen abgelehnt.
 

Die Redebeiträge

 
In der Landtagsdebatte kamen vor der Abstimmung verschiedene Schwierigkeiten im Schulsystem zur Sprache. Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol), Alex Ploner (Team K), Josef Unterholzner (Enzian), Marco Galateo (Fratelli d’Italia) und Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) benannten mehrere Mängel. Letzterer unterstütze den Antrag der Grünen teilweise und sieht einen Widerspruch zwischen einer Schule, die immer mehr auf Inklusion setze, und den Plänen der neuen Regierung, die die Leistung zur Priorität erkläre. Er unterstützte die Forderung nach einer Anpassung der Gehälter an die Lebenshaltungskosten.
 
 
Die Debatte sei ein Allerlei aus dem Schulbereich, erklärte schließlich Landesrat Philipp Achammer (SVP). Um auf alles einzugehen, wäre ein Treffen zwischen Gesetzgebungsausschuss und Fachkräften nützlich. Achammer befürwortet die Anpassung der Gehälter an die gestiegenen Lebenshaltungskosten und gesteht ein, dass die Schule heute vieles leisten müsse. Denn sie sei nicht mehr nur ein Wissensvermittler, sondern die Schüler:innen würden ihr privates Leben nicht ablegen, wenn sie die Schule beträten.
 

Sprache als Hindernis

 
Diesen Punkt betont auch Staffler im Gespräch mit salto.bz: „Die Schule ist neben dem Arbeitsplatz ein riesiger Integrationsraum.“ Die zunehmende Komplexität im Schulsystem zeige sich also vor allem darin, dass die Unterrichtssprache für viele Schüler:innen nicht die Muttersprache ist und ebenso der Migratioshintergrund eine Rolle spielt. Das beeinflusst auch die Unterrichtsqualität.
„Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder zweisprachig aufwachsen, deshalb wäre ein zusätzliches Angebot mit einer gemischtsprachigen Schule eine gute Lösung“, sagt Staffler und erinnert an die langjährige Forderung der Grünen, solche Schulen als Zusatzangebot neben den deutsch- und italienischsprachigen einzuführen. Um das Schulsystem an die Erfordernisse der heutigen Zeit anzupassen, brauche es zusätzliche finanzielle Ressourcen und mehr Personal, fasst der Landtagsabgeordnete zusammen. Denn an Ideen zur Verbesserung der Südtiroler Schule mangle es nicht.
Der zweite Beschlussantrag der Grünen zum Bildungsbereich betrifft die Aufwertung der Schulwarte und wird heute, am 9. November, im Landtag noch weiter debattiert.
 
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Martin Sitzmann Mer, 11/09/2022 - 17:00

Qualität kostet.
Bloße verbale Wertschätzung der Lehrpersonen ist zu wenig.
Für eine sprachlich-kulturelle Minderheit in einem zentralistischen Staat müssten Bildung und Kultur oberste Priorität haben. Stattdessen investiert man lieber in Overtourism-Werbung, private Sessellifte und in Bobbahnen...

Weiters bräuchte es ein effizientes Anreizsystem für die Lehrpersonen, Leistung zu zeigen. Aufstiegsmöglichkeiten aufgrund von Leistung, nicht Gehaltssprünge aufgrund von Dienstalter. "Lebenslange" Stammrollen mit unverrückbarem Dienstsitz wären auch einmal in Frage zu stellen.

Mer, 11/09/2022 - 17:00 Collegamento permanente
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M A Mer, 11/09/2022 - 17:24

Wie sagte er kürzlich "...“Non vedo contrasti con l’articolo 19, si tratta di un’offerta aggiuntiva che verrà scelta volontariamente”, ha spiegato l’Obmann..."
in Bezug auf eine Schule mit englischer Unterrichtssprache?
Welcher Unterschied besteht zu einem Angebot einer "gemischtsprachigen" Schule (DT/IT)?

Mer, 11/09/2022 - 17:24 Collegamento permanente
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Dietmar Holzner Gio, 11/10/2022 - 09:31

In risposta a di M A

Vor allem: was soll in einer solchen Schule unterrichtet werden? Sollen das alles reine Sprachlehrkräfte sein, die mit den Schülern über Gott und die Welt reden? Denn man will doch hoffentlich nicht Fachunterricht von Nicht-Muttersprachlern mit einem gebrochenen English halten lassen? Dann kann man sie gleich verpflichtend für ein Schuljahr ins anglikanische Ausland schicken, da lernen sie die Sprache ordentlich (und in den anderen vier Oberschuljahren lernen sie dann noch was Brauchbares).

Gio, 11/10/2022 - 09:31 Collegamento permanente
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Stereo Typ Mer, 11/09/2022 - 17:27

Ist es wirklich so, dass jüngere Lehrpersonen nach Österreich und in die Schweiz gehen? Gibt es dazu belastbare Daten? Wie viele Unterrichtsstunden wöchentlich werden dort geleistet? Ist der Lehrermangel nicht eher darauf zurückzuführen, dass die Geburtenjahrgänge immer schwächer werden und schlichtweg die Leute nummerisch fehlen?

Mer, 11/09/2022 - 17:27 Collegamento permanente