Politica | Drusus-Kaserne

Ein brutales Aus? Wirklich?

Unter dem reißerischen Titel „Brutales Aus für die Kaserne in Schlanders“ hat Hanspeter Staffler von den Grünen eine Landtagsanfrage eingereicht. Die Antwort überrascht.
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Foto: Tiberio Sorvillo
Der Abriss eines Teils des Kasernenareals in Schlanders scheint eines der Lieblingsthemen der Grünen zu sein, erst kürzlich haben sie sogar eine Eingabe beim Rechnungshof gemacht und Anzeige gegen den Bürgermeister von Schlanders, Dieter Pinggera, wegen Amtsmissbrauch erstattet. Mit einer Landtagsanfrage wollte der Abgeordnete Hanspeter Staffler nun unter anderem in Erfahrung bringen, inwiefern die Kaserne die „öffentliche Sicherheit“ gefährdet habe. In der Abbruchverfügung wurde dies nämlich als Grund genannt. Das zuständige Landesamt „Raum und Landschaft“ hat die Anfrage an die Gemeinde Schlanders weitergeleitet. Die Antworten sowohl auf diese als auch weitere Fragen sind höchst interessant, sie legen nämlich nahe, dass die Landesregierung und das Denkmalamt weder den Inhalt des Kaufvertrages aus dem Jahr 2013, mit welchem das Land das Areal an die Gemeinde Schlanders verkauft hatte, kennen noch den im Jahr 2018 – von der Landesregierung – genehmigten städtebaulichen Umstrukturierungsplan. 
 
 
 
Die Situation im Kasernenareal habe sich zunehmend verschlechtert und sich als nicht mehr vertretbar und tragbar dargestellt, so die Gemeinde, welche erklärt: „Der gesetzliche Verwahrer, Generalsekretär Dr. Georg Sagmeister, hat auf diesen dringenden Handlungsbedarf hingewiesen, da unter diesen Umständen für ihn die Verantwortung und Haftung als Verwahrer äußerst schwerwiegend und belastend waren und er ohne dringendes Handeln nicht mehr bereit war, diese Funktion beizubehalten.“ Es sei unmöglich gewesen, das Gebäude und das Areal unter Kontrolle zu halten, trotz mehrfacher Verschließungen sämtlicher Öffnungen wie Fenster und Türen seien diese immer wieder gewaltsam entfernt worden. „Noch am Tag des Lokalaugenscheins des Denkmalamtes am 17. Oktober 2022 wurde seitens der Baufirma bestätigt, dass täglich der Sicherungszaun um das Areal aufgebrochen wird.“ Beinahe täglich würden Unbefugte in das Bauwerk eindringen. „Mehrere Obdachlose hatten sich eingerichtet, in letzter Zeit auch Klauber der Apfelernte, und auch Feuer wurden im Haus entzündet. Sogar Kinder sind in das Bauwerk eingedrungen. De facto hat sich im derzeit ungenutzten Bereich des Kasernenareals ein rechtsfreier Raum entwickelt, der erhebliche Gefahren mit sich gebracht hat und aus Verwahrersicht unzumutbar war“, so die Antwort der Gemeinde. Unter anderem sei auch mehrmals Strom „abusiv“ in das Areal eingeleitet worden. Die Situation sei somit nicht mehr haltbar gewesen und es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis etwas Schlimmes passiert wäre, wofür die Gemeinde als Eigentümerin der Liegenschaft und deren Beamte als Verwahrer zweifellos zur Verantwortung gezogen worden wären.
 
Den Verantwortlichen des Vereins Basis wurde bei zahlreichen Gelegenheiten die kritische Situation dargestellt und um Unterstützung ersucht.
 
„Den Verantwortlichen des Vereins Basis wurde bei zahlreichen Gelegenheiten die kritische Situation dargestellt und um Unterstützung ersucht“, heißt es im Schreiben weiter. Auf die Frage, welche Institutionen darüber informiert waren, erklärt das zuständige Landesamt, dass weder die Landesregierung noch das Landesdenkmalamt über die Abbruchverfügung in Kenntnis gesetzt wurden. In der Antwort der Gemeinde Schlanders heißt es, dass der Gemeinderat die Umsetzung des Nachnutzungskonzeptes mehrfach einstimmig und in einem langwierigen mehrjährigen partizipativen Prozess genehmigt habe. „Wir durften diesen Prozess sogar in mehreren anderen Gemeinden als Modell vorstellen und wurden auch von der Architektenkammer eingeladen, diesen Weg vorzustellen“, so die Gemeinde, die weiters festhält, dass der heute von gewissen Kritikern lancierte Vorwurf einer „undemokratischen“ Vorgangsweise daher nicht wenig erstaune und die offenkundige Unkenntnis der Sachlage bekunde.
 
Die Landesregierung hat zweimal dem Abbruch des Kasernenareals zugestimmt.
 
„Die Landesregierung hat zweimal dem Abbruch des Kasernenareals zugestimmt. Im Verkaufsvertrag Urkundensammlung 23845 vom 30.12.2013 wurde die Gemeinde ausdrücklich verpflichtet, die Kasernen abzureißen. Aus dem städtebaulichen Umstrukturierungsplan (SUP), genehmigt durch die Landesregierung mit Beschluss vom 9. Oktober 2018 Nr. 1022, ergibt sich die identische Verpflichtung. Die Beschlusslage war somit klar und eindeutig, und es ist Aufgabe des Gemeindeausschusses, die beschlossenen Programme umzusetzen. Der Gemeindeausschuss von Schlanders war selbstverständlich über alle Details informiert“, erklärt die Gemeinde.
 

Illegale Unterkunft?

 
Ganz klare und begründete Sicherheitsbedenken hätten die Verwaltung dazu bewogen, den Abbruch nicht vorab zu kommunizieren. Auch hätten die Abbrucharbeiten nicht um 4.00 Uhr morgens begonnen, wie in einigen Medien zu lesen war, sondern um 5.30 Uhr. Richtig sei jedoch, dass die Ortspolizei um 4.00 Uhr früh mit einer systematischen und flächendeckenden Kontrolle aller betroffenen Räumlichkeiten begonnen habe, „da wir eben der schwerwiegenden Erfahrung Rechnung tragen mussten, dass täglich Unbefugte die gesperrten Gebäude betraten und teilweise dort auch ‚gewohnt‘ haben“. 
 
 
 
Eine polizeiliche Durchsuchung sei daher unverzichtbar gewesen und alles andere wäre verantwortungslos gewesen. „Am Tag des Abbruchs wurde auch eine Person angetroffen, die behauptet hatte, im Einvernehmen mit dem Verein Basis das Gebäude der alten Kommandatur zu bewohnen“, so die Gemeinde, die erklärt, dass die Umstände dann auch den Beweis erbracht hätten, „dass selbst noch im Laufe des Vormittages verantwortungslose Personen versucht haben, die Baustelle zu stürmen, sich illegalen Zutritt zu verschaffen, Absperrungen zerstört haben und somit Straftaten begangen haben, also auf rechtswidrige Art und Weise versucht haben, die Arbeiten zu stören bzw. zu unterbrechen. Auch aus diesem Grund war der Polizeischutz mehr als notwendig und war es angezeigt, den Abbruch nicht an die große Glocke zu hängen.“
 
Am Tag des Abbruchs wurde auch eine Person angetroffen, die behauptet hatte, im Einvernehmen mit dem Verein Basis das Gebäude der alten Kommandatur zu bewohnen.
 
Was die laufende bauhistorischen Untersuchung seitens des Denkmalamtes betrifft, erklärt die Gemeinde, dass die Absprache zwischen Denkmalamt und Bürgermeister einer Studie zum Zwecke der Dokumentation galt. „Es gab mit Sicherheit keine Vereinbarung für eine zukünftige Unterschutzstellung, wogegen der Bürgermeister sich von Beginn an (erste gemeinsame Begehung im Frühjahr 2021) sowohl bei der Landesrätin (Maria Hochgruber Kuenzer; Anm. d. Red.) als auch bei der Landeskonservatorin vehement gewehrt hat“, heißt es in der Antwort und weiter: „Anlässlich des Lokalaugenscheins vom 17.10.2022 hatten die Gemeindevertreter den Eindruck, dass das Denkmalamt weder den Kaufvertrag aus dem Jahr 2013 mit der dort enthaltenen ausdrücklichen Abbruchverpflichtung, noch den von der Landesregierung 2018 genehmigten städtebaulichen Umstrukturierungsplan, der ebenfalls den Abbruch aller Gebäude unabdingbar verlangt, kannte.“
 
Es gab mit Sicherheit keine Vereinbarung für eine zukünftige Unterschutzstellung.
 
Betont wird weiters, dass anders als in den Medien kolportiert, nie der Abriss aller vier Gebäude vorgesehen war: Der SUP sieht vor, dass das Gebäude, das von der Gemeinde dem Verein Basis zur Verfügung gestellt worden ist und für dessen Sanierung die Gemeinde bisher 3,5 Mio. Euro ausgegeben hat, erhalten bleiben sollte.
Auf die Frage, was die Landesregierung nun zu tun gedenkt, erklärt das zuständige Landesamt, dass das Landesdenkmalamt für das gesamte Kasernenareal samt Freiflächen und Umfassungsmauer am 11. Oktober 2022 das Verfahren für eine direkte Denkmalschutzbindung eröffnet hat. Innerhalb der gesetzlichen Frist von 180 Tagen ab Zustellung an die Eigentümer wird der Landesregierung der entsprechende Beschlussantrag zur Entscheidung vorgelegt. Ob und wie die Pläne der Gemeinde Schlanders umgesetzt werden können, ist fraglich, denn diese plant eine gänzlich neue Bebauung des Areals mit Mehrfamilienhäusern. Ein Plan, der übrigens bereits seit beinahe zehn Jahren bekannt ist.
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Dietmar Nußbaumer Gio, 11/17/2022 - 12:52

Je mehr Details bekannt werden, umso besser kann sich der Leser ein vollständiges Bild machen. Auch die Kritiker sollten sich vorab um einen vollständigen Faktencheck bemühen, bevor sie: "Ans Kreuz mit ihm!" brüllen.

Gio, 11/17/2022 - 12:52 Collegamento permanente
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△rtim post Gio, 11/17/2022 - 15:37

Von einer funktionierenden und sich ansonsten so vorbildlich gebenden Verwaltung hätte man sich jedenfalls anderes erwartet. Wie kann es sein, dass sich ein Mitglied der Landesregierung, Maria Hochgruber Kuenzer, offenbar nicht mal den eigenen mitbeschlossenen Beschluss kennt und auch die Amtsdirektorin des Denkmalschutz diesen nicht auf den Schirm hat?

Gio, 11/17/2022 - 15:37 Collegamento permanente
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Otmar Pattis Gio, 11/17/2022 - 16:35

Wenn man diese Tragödie verfolgt hat, dann ist leider zu befürchten, dass die Landeskonservatorin in Zusammenarbeit mit den Grünen alle aufgelassenen Militärkasernen Südtirols unter Denkmalschutz stellen wird.
Mir wird dabei Angst und Bange.

Gio, 11/17/2022 - 16:35 Collegamento permanente