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Mehr als nur Schimmel

Gregor Wenter über sein Sarntaler „Laboratory for Future Gastronomy“, die Fermentation und wie sich die Welt der Gastronomie und unsere Ernährungsweise verändern wird.
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Foto: Anna Mayr
Im Sarntal haben Gregor Wenter und Mattia Baroni eine innovative Bewegung gegründet: das „Laboratory for Future Gastronomy“, kurz: LaFuGa. Zur Bewegung gehören Menschen aus allen Teilen der Erde, welche die Welt der Gastronomie und unsere Ernährungsweise verändern wollen. Wie? Durch Fermentation. zebra. hat die beiden im Hotel Bad Schörgau besucht und mit ihnen in die Fermentier-Töpfe geschaut.
 
zebra: Fermentation klingt nach Rübenkraut und Schimmel. Wie kann man damit die Welt verändern?
 
Gregor Wenter: 35 Prozent der Treibhausgase hängen mit unserer Ernährung zusammen und eine gesunde Ernährung kann auch Krankheiten vorbeugen. Hier möchten wir konkrete Lösungsansätze bieten. Der Prozess der Fermentation, bei dem sich Schimmel bildet, kann anfangs vielleicht erschrecken, aber nur, weil wir vergessen haben, wie Lebensmittel früher verarbeitet wurden. „Garum” ist beispielsweise die Bezeichnung für fermentierte Würzsoßen, die bereits von den Römern hergestellt wurden. Hierfür werden Zutaten verwendet, die andere wegwerfen würden. Ich würde sie aber nicht als Abfall bezeichnen, weil sie sauber, frisch und sehr nährstoffreich sind. Und sie schmecken gut! Das ist wichtig, denn nur so können wir unsere Essensgewohnheiten ändern.
 
Wie seid ihr zu dieser alternativen Art der Gastronomie und Lebensmittelverarbeitung gekommen?
 
Ich bin viel gereist. Als ich nach meinen Reisen wieder nach Südtirol gekommen bin, wollte ich eine neue Art von Gastronomie und Küche entwickeln – unabhängig von Sternerestaurants und Hauben. Gemeinsam mit Mattia Baroni, den ich für das Hotel als Chefkoch gewinnen konnte, haben wir eine „Philosophie“ rund um die Fermentation entwickelt; eine Herangehensweise, die nicht nur gut schmeckt, sondern auch mikrobiotisch wertvoll ist. Diese Philosophie haben wir unseren Gästen – das Sternerestaurant Bad Schörgau hatten wir inzwischen in ein Restaurant für jedermann umgewandelt – dann über unsere Speisen präsentiert. Wir haben versucht, den Menschen unsere Philosophie beim Servieren der Speisen zu erklären, haben das dann aber schnell wieder aufgegeben.
Als ich nach meinen Reisen wieder nach Südtirol gekommen bin, wollte ich eine neue Art von Gastronomie und Küche entwickeln – unabhängig von Sternerestaurants und Hauben.
 
Warum?
 
Die Gäste haben unser Konzept nicht verstanden. Viele sprechen heute zwar von Nachhaltigkeit und Veränderung, fühlen sich dann aber schnell aus der Komfortzone gerissen, wenn sie jemand konsequent praktiziert. Wir haben die Gerichte also erstmal ohne Erklärung zum Tisch gebracht. Weil sich das aber nicht richtig angefühlt hat, haben wir unsere „Experience” entwickelt: Gäste können sich zu einem fixen Menü in verschiedenen Akten anmelden. Der Abend ist wie ein Spielfilm aufgebaut, während dem  wir unsere Philosophie erklären.
 
 
 
 
Und so ist dann das „Laboratory for Future Gastronomy – LaFuGa” entstanden?
 
Genau. Wir sind kein Labor an sich, aber wir entwickeln uns und unsere Produkte ständig weiter, um der Gastronomie und zukünftigen Generationen als Modell im Umgang mit Lebensmitteln zu dienen. Nur: Damit, dass man alle zwei Wochen im Sarntal eine „Experience” anbietet, erreicht man nicht viel. Deshalb haben wir Politiker*innen, Künstler*innen, Designer*innen und andere Meinungsbildner*innen aus der ganzen Welt angeschrieben, um unser Konzept zu exportieren. Anfangs wollten wir drei bis vier Leute einladen, aber von 30 angeschriebenen Personen waren 28 zu einem Treffen bereit. So wurde bei einem dreitägigen Austausch LaFuGa als offene Bewegung geboren.
 
Was ist das Ziel der Bewegung?
 
Unser Ziel ist es, Wissen und Ideen weiterzugeben. LaFuGa ist als ein Haus zu verstehen: Wissen kommt herein, aber wird auch hinausgetragen. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Forschungszentren, wie dem Forschungszentrum Laimburg und dem NOI Techpark, versuchen wir beispielsweise zu verstehen, wie fermentierte Produkte auf den Körper wirken. Dabei arbeiten wir mit Krankenhäusern, um herauszufinden, ob fermentierte Lebensmittel Menschen, die eine Chemotherapie machen, unterstützen könnten. Eine Chemotherapie greift nämlich die Mikrobakterien im menschlichen Körper an; mit fermentierten Produkten ließe sich das Mikrobiom bis zu siebenmal schneller aufbauen! Ein anderer Forschungszweig analysiert, ob fermentierte Lebensmittel dabei helfen könnten, Alzheimer oder Parkinson vorzubeugen. Die Forschungsergebnisse werden dann so veröffentlicht und präsentiert, dass sie für jeden zugänglich sind.
 
LaFuGa will auch zu einem Leben im Einklang mit der Natur animieren. Wie sieht das konkret aus?
 
Wir verarbeiten alles – von Fischköpfen bis Orangenschalen und nutzen jene Produkte als Primärstoffe, die andere wegwerfen. Diese verwenden wir weiter und bringen sie in Form von fermentierten Produkten in den Kreislauf zurück. Somit ist dieses Konzept auch betriebswirtschaftlich sehr nachhaltig. Wie gesagt, auch für den Körper sind fermentierte Erzeugnisse sehr gesund: Sie bauen das Mikrobiom im Magen auf, haben eine stärkende Wirkung und unterstützen sogar unsere Glücksgefühle! Zudem können wir durch speziell entwickelte Prozesse in unserer Küche beinahe vollständig auf Salz verzichten.
 
 
Unser Ziel ist es, Wissen und Ideen weiterzugeben. LaFuGa ist als ein Haus zu verstehen: Wissen kommt herein, aber wird auch hinausgetragen.
 
Indem etwa Salz durch die Würzsoße Garum ersetzt wird. Was steckt dahinter und was gärt noch in euren Töpfen?
 
In der Küche würzen wir mit selbstgemachtem Garum. Davon benötigen wir jährlich 7.000 Kilo. Früher hieß es, dass man bei Krankheit Gemüsebrühe trinken solle, um wieder zu Kräften zu kommen, aber heute enthalten Gemüsebrühwürfel kaum Kalorien, die Zutaten sind vor allem Salz und viele ungesunde Inhaltsstoffe. Unsere Würze baut den Körper auf, enthält mehr Kalorien und tut dem Magen gut. Wir produzieren hier 30 verschiedene Garum-Arten, aber auch Kombucha (Anm.: Tee-Gärgetränk) und verschiedene Laktofermentationen wie Sauerkraut. Wir züchten selber Bakterien, um die Fermentation zu beginnen. Das ist derselbe Prozess, wie in unserem Magen. Insgesamt kommen etwa hundert verschiedene Fermentationen in der Küche zum Einsatz.
 
Apropos Küche – die „LaFuGa-Experience” bietet einen Abend mit einem außergewöhnlichen Konzept – ein Menü ohne Wahlmöglichkeiten in mehreren Akten. Wie funktioniert das?
 
Diese Erfahrung ist sehr intensiv und involviert das gesamte Team. Die Gäste sitzen zu sechst an den Tischen. Sie bekommen im Laufe des Abends über zwanzig Gerichte kredenzt. Die Gerichte werden in Akten serviert. Jedes Gericht erzählt eine Geschichte und ist in eine Kategorie eingeteilt. Zur Kategorie „Romance“ gehören beispielsweise Gerichte, die sich sehr warm und weich anfühlen, zur „Comedy“ Starter zum Anregen, „Thriller“ geben einen Kick, und „Mystery“ machen den Gaumen frei. Mattia und ich erklären die Geschichte und die Philosophie der Bewegung zwischen den Akten an verschiedenen Orten im Haus.
 
 
 
 
Welche Ideen schmiedet ihr für die Zukunft?
 
Eine spannende Idee wäre der Aufbau eines Rüben-Konsortiums: Früher hatte im Sarntal jede Bauernfamilie einen Rübenacker; die Rüben wurden für den Winter fermentiert. Davon würde man in der Landwirtschaft auch heute profitieren. Außerdem träumen wir davon, dass unsere Produkte irgendwann für alle zugänglich sind und mit Produkten von „Maggi“ oder „Knorr“ konkurrieren können. Es wird sicher auch Elite-Produkte geben, aber wenn man wirklich etwas verändern will, muss man ganz unten anfangen. Für das Start-Up wollen wir regionale Produkte verwenden und haben ein Container-System entwickelt, bei dem wir vor Ort mit Südtiroler Abfällen arbeiten. Auf diese Art wollen wir auch Container in Holland, in Spanien und an weiteren Orten aufstellen.
Früher hatte im Sarntal jede Bauernfamilie einen Rübenacker; die Rüben wurden für den Winter fermentiert. Davon würde man in der Landwirtschaft auch heute profitieren.
Auf welche Herausforderungen stoßt ihr bei der Verwirklichung eurer Ideen?
 
Die größte Hürde ist es, Sponsoren für LaFuGa als Netzwerk zu finden und ein hauptamtliches Team für die Organisation aufzubauen.
 
 
 
 
Im November findet der erste internationale LaFuGa-Summit statt. Was versprecht ihr euch davon?
 
Wir werden die Entwicklung neuer Produkte diskutieren und die Ausarbeitung des neuen internationalen Kochbuchs vorantreiben, in dem die Fermentation genau erklärt wird. Das Interesse zum Thema ist groß, aber man findet nur wenig Informationen dazu. Deshalb sind auch Vorträge und Workshops geplant, bei denen Fermentier-Expert*innen, Neurologen und Soziologinnen die Funktion von fermentiertem Essen erklären. Am letzten Tag wird dann das Rübenkraut-Festival am Acker stattfinden; dabei werden Rüben gezogen, gewaschen und fermentiert. Ein buntes Programm, das sich an unserer Richtlinie orientiert: „Taste as a driver of change“ – Geschmack als Richtungsweiser für Veränderung!

Interview: Sofie Terzer

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Kurt Resch Sab, 11/19/2022 - 16:22

In risposta a di Christoph Mayr

Nicht bei jeder Fermentation ist Schimmel erwünscht, besonders bei der Herstellung von Koji und Miso ist Schimmel vom Aspergillus oryzae notwendig um simples Getreide zu geschmacksintensiven Edelprodukten zu verarbeiten.
Für mich als Koch ist das Bad Schörgau eine der interessantesten Adressen in Südtirol, weil das Team dort viel mit Lebensmitteln experimentiert und absolut leckere Gerichte serviert, die es so nirgends gibt.
Dass Kunden ausbleiben ist mir neu

Sab, 11/19/2022 - 16:22 Collegamento permanente
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Christoph Mayr Sab, 11/19/2022 - 17:46

In risposta a di Kurt Resch

Selbstverständlich braucht es Bakterien, Hefe- und auch gewisse Schimmelpilze für die Fermentation. Läuft die Fermentation dann wie geplant ab, bilden sich neue chemische Verbindungen....aber doch hoffentlich kein Schimmel. Genau das behauptet Herr Wenter jedoch, wenn er sagt: "Der Prozess der Fermentation, bei dem sich Schimmel bildet..." Wer Wissen weitergeben möchte ("Unser Ziel ist es, Wissen und Ideen weiterzugeben"), sollte sich zumindest exakt ausdrücken.

Sab, 11/19/2022 - 17:46 Collegamento permanente
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roberto paiarola Sab, 11/19/2022 - 16:46

Le muffe non sono tutte uguali; in Europa la muffa fa pensare a cibi andati a male, però nel caso del gorgonzola la accettiamo volentieri. In Asia invece, le muffe sono ricercate ed auspicate per tante preparazioni gastronomiche. Ben venga che anche da noi ci sia, a questo riguardo, una evoluzione positiva nel settore gastronomico

Sab, 11/19/2022 - 16:46 Collegamento permanente