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Der Widerspenstigen Zähmung

Rosmarie Pamer wurde in der SVP wegen ihrer Kritik an Philipp Achammer abgewatscht. Spätestens damit kommt zutage, wie man unterm Edelweiß mit zweierlei Maß misst.
Rosmarie Pamer
Foto: Rosmarie Pamer/Facebook
Seit Monaten wird die Partei mit Hilfe externer Kräfte in eine gute und böse SVP gespalten. Die Polarisierung, in der Leute konstant in ein Eck gestellt werden, muss aufhören“, diktiert SVP-Obmann Philipp Achammer am Montag nach der Sitzung der SVP-Parteileitung der Dolomiten-Chefreporterin Barbara Varesco in den Block.
Es muss eine akute Wahrnehmungsstörung sein, unter der der SVP-Obmann leidet. Gerade eben hat die SVP eindrucksvoll bestätigt, dass in der Sammelpartei nicht für alle dieselben Spielregeln gelten. Denn es sind nicht die „Medien und externen Kräfte“, die die Volkspartei in zwei Lager spalten, dafür sorgt seit langem die Parteiführung schon selbst.
Vor allem Philipp Achammer scheint als SVP-Obmann ein politisches Maßband mit zwei verschiedenen Maßeinheiten in der Tasche zu haben.
Das geht aus einer einfachen und wertfreien Betrachtung der SVP-Wirklichkeit hervor.
 

Die eine Welt

 
Christoph Perathoner nennt den Landeshauptmann einen „Trottel“, einen angehenden SVP-Landesrat ein „Schwein“, und er arbeitet als Bezirksobmann aktiv daran, dass der ladinische Spitzenkandidat Daniel Alfreider bei den Landtagswahlen auf die Schnauze fällt. Es dauert über ein Jahr, bis Perathoner als Bezirksobmann abgelöst wird. Achammer tut alles, damit der Fall Perathoner nie Thema in den Parteigremien wird und legt ihm schließlich den freiwilligen Rücktritt nahe.
 
 
 
Thomas Widmann beschreibt Arno Kompatscher als schlechtesten Landeshauptmann aller Zeiten, bestätigt diese Aussage drei Jahre später mehrmals und wirft im Landtag dem Landeshauptmann offen unlautere Machenschaften vor. Auch dieser Fall wurde in der Partei nie wirklich behandelt. Nachdem Kompatscher Widmann aus der Landesregierung entlassen hat, dankt man ihm im SVP-Parteiausschuss inbrünstig und streut dem langjährigen Landesrat auch noch Rosen.
Dass Widmann vor wenigen Wochen im Landtag für den Team K-Antrag zur Auflösung der IDM stimmt und damit ausschlaggebend für die Niederlage der Landesregierung ist, wird innerhalb der SVP ebenfalls völlig ausgeklammert. Für manchen wird die Fraktionsdisziplin kurzerhand außer Kraft gesetzt.
 
 
Und Philipp Achammer selbst: Der Parteiobmann beschuldigt öffentlich und in strafrechtlich relevanten Dokumenten seinen Stellvertreter Karl Zeller der Weitergabe und Manipulation der Abhörungen rund um den SAD-Skandal. Bis heute gibt es für diese Unterstellung nicht den geringsten Beweis. Der langjährige Meraner SVP-Parlamentarier wird in bezeichnender Weise auch nie von einem Parteigremium vorgeladen, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Dafür befeuert der Obmann wochenlang eine Medienkampagne gegen seinen Stellvertreter.
 

Die andere Welt

 
Jasmin Ladurner setzt auf Facebook ein Like unter einer Salto-Kolumne von Alexandra Kienzl, die Thomas Widmann humorvoll ein „go home“ nahelegt. Es dauert nur wenige Tage, und die damalige Burggräfler Landtagsabgeordnete landet auf Antrag Widmanns vor der Parteileitung. Ladurner wird öffentlich abgewatscht. Und wenig später wird SVP-intern eine nicht konforme Fahrtkostenabrechnung an die Medien durchgestochen, die zum unmittelbaren Rücktritt Ladurners führt.
 
 
 
Gert Lanz erklärt nach der Enthüllung des „Freunde im Edelweiss“-Skandals in einem Interview, dass ihm vor der nächsten Fraktionssitzung graue. SVP-Obmann Philipp Achammer grätscht dazwischen und legt ihm einen Rücktritt als SVP-Fraktionssprecher nahe. Wenig später unterzeichnen zehn SVP-Landtagsabgeordneten - darunter auch Paula Bacher, die erst seit wenigen Tagen überhaupt Mitglied der Fraktion ist - einen formalen Misstrauensantrag gegen Lanz. Auch SVP-Obmann Philipp Achammer unterschreibt.
Obwohl man die Situation in einer Aussprache wenig später klärt, sieht der SVP-Obmann keinerlei Anlass, den Misstrauensantrag gegen Lanz zurückzuziehen. Deshalb nimmt Gert Lanz selbst den Hut und tritt am 7. April 2022 als SVP-Fraktionssprecher zurück.
 
 
 
Und jetzt Rosmarie Pamer: Die amtierende SVP-Bezirksobfrau des Bezirks Burggrafenamt hat zuerst im Salto-Podcast „Sechsaugengespräch“ mit Wolfgang Mayr und dann in einem Interview mit der Neuen Südtiroler Tageszeitung SVP-Obmann Philipp Achammer offen und hart kritisiert. Pamer bemängelte die Verschiebung der SVP-Klausur auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, die Tatsache, dass der SVP-Obmann jede Entscheidung aussitze und sie sagt, dass „der SVP-Obmann überfordert ist“.
Zwei Tage später steht Rosmarie Pamer vor dem SVP-Kriegsgericht.
 

Operation Abwatschen

 
Es geht dabei auch darum, ein Exempel zu statuieren. Wer den SVP-Obmann angreift, der muss unmittelbar mit Konsequenzen rechnen. Wehret den Anfängen! Diese Gangart musste man jetzt im Fall Pamer vorexerzieren.
Auch deshalb plante man die Operation „Pamer Abwatschen“ mustergültig.
Weil Philipp Achammer befürchtete, dass Pamer-Unterstützer wie die SVP-Senatorin Julia Unterberger, die Meraner Vizebürgermeisterin Katharina Zeller oder Landesrat Arnold Schuler, aber auch mancher aus der SVP-Landtagsfraktion in der Parteileitung Rosmarie Pamer verteidigen und so eine breite Diskussion über seine Art der Parteiführung lostreten könnten, verlagerte man die Hinrichtung in das Vorfeld des zweithöchsten Parteigremiums.
Bereits am Montagvormittag trifft sich die Bezirksobleute-Konferenz. In diesem Gremium sind die Mehrheiten klar verteilt. Rosmarie Pamer wird von ihren Kollegen auf dieser Sitzung zur Schnecke gemacht. Außer dem Unterlandler Bezirksobmann Norbert Mayr zeigt niemand auch nur ein geringstes Verständnis für die Kritik der SVP-Bürgermeisterin von St. Martin in Passeier.
Rosmarie Pamer, allein auf weiter Flur, muss den Rückzug antreten. Dass Pamer jene Kritik, die sie jetzt öffentlich geäußert hat, wortgleich in den vergangenen Wochen auch in den Parteigremien vorgebracht hat, lässt man dabei bewusst unter den Tisch fallen.
 

Solidarität für Achammer

 
Am Montagabend verschickt SVP-Landessekretär Stefan Premstaller dann eine offizielle Presseaussendung,
Unter Titel „Voller Rückhalt für unseren Parteiobmann!“ heißt es darin:
 
"Die SVP-Bezirksobleute haben sich am heutigen Montagvormittag im Rahmen einer dringlichen Besprechung geschlossen hinter Parteiobmann Philipp Achammer gestellt, nachdem dieser von der Burggräfler Bezirksobfrau Rosmarie Pamer in einem Interview scharf kritisiert worden ist. „Sowohl Stil wie auch Inhalt dieses Interviews sind falsch. Solche öffentlichen Angriffe auf den Parteiobmann sind gerade in dieser Zeit inakzeptabel. Kritik kann immer geäußert werden, jedoch in den entsprechenden Gremien intern“, so der Sprecher der Bezirksobleute Meinhard Durnwalder.
 
 
 
Dies wird auch von Rosmarie Pamer bestätigt, die ihr Verhalten bedauert. Aber auch in der Sache sei in diesem Falle die Kritik zurückzuweisen: Die Entscheidung über die Verschiebung der Klausur mit der Basis sei mit deutlicher Mehrheit von den Bezirksobleuten am 7. Dezember und von der SVP-Leitung am 12. Dezember gemeinsam getroffen worden. Mehrheitsentscheidungen seien von allen zu akzeptieren. Auch die Mitglieder der Parteileitung haben sich dieser Position einhellig angeschlossen und haben dem Parteiobmann vollen Rückhalt ausgesprochen.“
 
Rosmarie Pamer war die einzige Bezirksobfrau, die dabei offen gegen die Verschiebung der Klausur geredet und auch gestimmt hatte.
 

Die vergessene Klausur

 
Nach der Kopfwäsche am Vormittag war die Operation Pamer gelaufen.
Auf der SVP-Parteileitungssitzung wurde das Thema im Schnelldurchlauf abgehandelt. Rosmarie Pamer entschuldigte sich bereits eingangs für ihre Wortwahl. Julia Unterberger oder Katharina Zeller blieben der Parteileitungssitzung bewusst fern. So konnte die öffentliche Züchtigung und Zähmung der zu kritischen und unbequemen Bezirksobfrau ohne großen Widerstand umgesetzt werden.
Breiten Raum nahm auf der Sitzung das Thema Wahlkampfspenden ein. Dabei unterstrich man auf der Sitzung, dass alle Spenden legal und nach den gesetzlichen Bestimmungen eingehoben, verteilt und ausgegeben wurden. Der Zufall will es, dass am Dienstag in den Dolomiten die Sachlage deutlich anders dargestellt wird, indem man den Fokus auf einen angeblichen „Sonderwahlkampf“ des Landeshauptmannes legt. Von diesem war auf der Parteileitungssitzung keine Rede.
 
 
 
Die Parteileitung hat zudem darüber debattiert, wie SVP-interne Dokumente über den Wahlkampf 2018 an die Öffentlichkeit kommen konnten. Dabei wurde bestätigt, dass zur E-Mail, die Sven Knoll der Presse vorlegt hat, nur vier Personen Zugang hatten und haben. Es sind einerseits der ehemalige, von Philipp Achammer in die Brennerstraße geholte und angestellte ehemalige SVP-Landessekretär Gerhard Duregger, der die E-Mail verfasst hat. Und andererseits Wahlkampfleiter Thomas Widmann, Patrick Bergmeister als Vorsitzender der SVP-Finanzkommission und der SVP-Obmann selbst, an die das Schreiben adressiert ist.
Die Parteileitung hat am Montag bekräftigt, dass man klären muss, wo diese Informationen hinausgegangen sind. Eine mögliche Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wurde auf der Sitzung erst gar nicht angesprochen.
Wie groß die Blase inzwischen ist, in der Philipp Achammer & Co. leben, wurde dabei am Montag mehr als deutlich. Denn auf der Parteileitungssitzung fiel auch kein Wort zur geplanten und immer wieder verschobenen SVP-Klausur. Das Thema, das die vorweihnachtlichen Gemüter unterm Edelweiss so angeheizt hat, wurde kurzerhand vollkommen ausgeblendet. So als würde es die Problematik nicht geben.
Deutlicher kann man wohl kaum vorexerzieren, dass Rosmarie Pamer mit ihrer Kritik genau ins Schwarze getroffen hat.
 
 
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△rtim post Mar, 12/20/2022 - 11:42

Enttäuschend, wenn Rosmarie Pamer sich nun auch noch für diese
mediale Meinungsmache und Kampagne gegen den von der Partei erst am 03.09.2022 mit fast 90 % wiedergewählten Obmann hergibt. Ist die SVP -Landesversammlung etwa ohne Basis?
Das gegenseitige Befetzen in der Partei wird dadurch wohl noch mehr befeuert. Abgesehen davon, dass sie sich damit wohl selbst ins Aus setzt.
Und nein. Die SVP - Südtiroler Volkspartei wird ihr Erscheinungsbild nicht dadurch verbessern, dass sie nun hergeht in bekannter Zeller-Manier anzufangen, Unliebsame zu klagen oder die Partei nach Vorbild des gescheiterten Kurz-VP-Modell in Österreich zu einem reinen Jubel- und Wahlverein mit politischer Sozialbetreuung für den LH zu machen. Vgl.:"... und dann marschieren wir", LH Arno Kompatscher gegenüber der Tageszeitung am 30. Oktober 2022.
Inhaltlich sollte Pamer sich noch an ihre eigene geäußerte Kritik an dieser parteiinternen Günstlingswirtschaft in der Vergangenheit bei ihrem Auftritt am 10.Jänner 2022 auf RAI Südtirol „Am Runden Tisch“ erinnern. Rosmarie Pamer weiß ganz genau, wie es damals 2018 gelaufen ist. Sie weiß auch ganz genau: Die Leute haben es nach über zehn Jahren und nach diesen Krämpfen, Possen ... all das längst satt. Neustart liegt aber im Strukturellen, Programmatischen, Personellen. Aber doch nicht in medialen, parteischädigenden Auftritten mit schwersten, unbewiesenen Anschuldigung auf "salto" und "Südtiroler Tageszeitung". So was ist in keiner Partei/Liste tragbar.
Für mich galt Rosmarie Pamer bisher immer als die Hoffnungsträgerin der SVP, u.z. als Landeshaupt- und Obfrau in Personalunion.
Daraus wird nun wohl auch nichts mehr. Schade eigentlich.

Mar, 12/20/2022 - 11:42 Collegamento permanente
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Gregor Beikircher Gio, 12/22/2022 - 10:31

In risposta a di △rtim post

Sie gehören wohl auch zu jenen, die innen alles unter den Teppich kehren wollen, damit ja nichts nach außen gelangt. Solche Leute haben wir sonst schon genug, da ist Frau Pamer eine seltene Ausnahme. Wer für das Volk bzw. für Südtirol als Ganzes sich einsetzt, muss in der Partei wohl nichts verbergen und kann sehr wohl offen verlangen, dass intern aufgeräumt wird.

Gio, 12/22/2022 - 10:31 Collegamento permanente
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Peter Gasser Gio, 12/22/2022 - 10:59

In risposta a di △rtim post

meine bescheidene Ansicht dazu:
ich finde es unehrenhaft, anonym eine namentlich genannte Person in dieser Weise anzugreifen - und als Insider, der Sie wohl sind, hier anonym auf Kosten einer durchaus als kompetent und authentisch wahrgenommenen Politikerin selbst Politik zu betreiben.
Dieses absolut unfaire Verhalten ist inzwischen wohl typisch für unsere im wahrsten Sinne des Wortes „Provinz“.

Gio, 12/22/2022 - 10:59 Collegamento permanente
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Ceterum Censeo Gio, 12/22/2022 - 14:07

In risposta a di △rtim post

wenn man die Pamer abwatscht, dann bitte auch die andere Seite, die gegen Kompatscher zündelt.
Zum einen.
Zum anderen:
Bei den nächsten Wahlen wird Pamer mehr oder minder gleichauf sein mit dem Obmann.
Wenn die Athesia nicht zuhört und am nächsten Tag an den Pranger stellt (ein Recht auf Gegendarstellung gibt es dort offenbar nicht), kommt das schon raus. Abwarten

Gio, 12/22/2022 - 14:07 Collegamento permanente