Cultura | Salto Afternoon

Fotografie und Faschismus

Das Tiroler Photoarchiv dokumentiert die Anfänge des Faschismus in Südtirol und lädt zur virtuellen Ausstellung. Martin Kofler hat die Ausstellung kuratiert.
TAP5.jpg
Foto: TAP

salto.bz: Für die virtuelle Schau zu den Anfängen des Faschismus „wurden alle Bestände des TAP (Tiroler Photoarchiv) intensiv ausgewertet und letztlich sind 46 Bilddokumente ausgewählt und erstmalig zusammengestellt“, schreibt das TAP in seiner Presseaussendung. Wie groß ist denn dieser Bestand? Um wie viele Fotos handelt es sich insgesamt? Und wie erfolgte die Auswahl?

Martin Kofler: Der Gesamtfotobestand des TAP liegt derzeit bei rund 700.000 Originalen, davon sind circa 140.000 digitalisiert. Die engere Auswahl fokussiert auf das Thema Anfänge des Faschismus liegt bei rund 300 Aufnahmen – daraus wurde korrespondierend zum inhaltlichen Rahmentext ausgewählt. Es gab Fixstarter, also zentrale Fotografien, die es gleich in die virtuelle Ausstellung geschafft haben; und was nicht aus den TAP-Beständen abgedeckt werden konnte, war bei Partner-Institutionen zu recherchieren und zu bestellen.
 


Woher kommen die Bestände? Wie unterscheiden sich die Fotos, etwa zu den Blickwinkeln römischer Fotoarchive dieser Jahre? Gibt es dazu Vergleiche?

Die Bestände sind sehr oft privater Natur, selbst wenn sie mittlerweile in anderen Partner-Archiven „gelandet“ sind. Vergleiche mit Sammlungen oder Einzelaufnahmen aus römischen Fotoarchiven gibt es bis dato noch nicht, das wäre aber sicher lohnend.

Welche Rolle spielen die 1920er Jahre in der Fotografiegeschichte?

Es gibt in den 1920er Jahren in Tirol und Südtirol zunehmend Personen, die sich das Fotografieren leisten können und wollen. Die Rollbildfilme aus Zelluloid erlauben schnelle Schnappschüsse – die professionellen Fotografen arbeiten oft weiterhin gerne mit Plattenkameras, also mit zu belichtenden Glasplattennegativen, von denen wiederum die Papierabzüge gemacht werden. Hier wurde grundsätzlich viel im Ersten Weltkrieg, ebenfalls von „einfachen“ Soldaten erprobt; aufgrund der verminderten Kosten für Kameras oder Filme kann man in dieser Zeit durchaus von einer zunehmenden Demokratisierung der Fotografie sprechen. Die Schaffung von "privaten" Lichtbildern ist immer weniger elitär. 
 


Wer waren die Fotografen und Fotografinnen? Was zeichnet ihre Stile aus? Welche Qualität haben die Fotos?

Die Urheberinnen und Urheber, die auf den Auslöser gedrückt haben, sind oft unbekannt. In der Regel wurden die Aufmärsche, Besuche etc. gruppenmäßig in Szene gesetzt. Die vom Stadtarchiv Bozen überlassenen Fotos wirken allein schon aufgrund der Massen an Personen regelrecht monumental. Die Qualität der Fotos ist in der Regel gut – falls ein Foto vom Dargestellten her einfach zu wichtig ist, dann darf es auch ein wenig unscharf sein.

Wie geht das Archiv mit politisch belasteten Fotobeständen um, sprich: mit Propagandafotografie?

Solche Aufnahmen sind immer zu historisieren und zu kontextualisieren. Dies erfolgt über eine ausführlichere Bildunterschrift bzw. durch die grundsätzliche Strategie der Präsentation der Themen in Bild und Wort: Es gibt bei den virtuellen Ausstellungen des TAP immer einen längeren Einführungstext, der den Einstieg in die Bildfolge ermöglicht und wichtige Weise quasi parallel zu lesen ist.

Wie werden die ersten zehn Jahre Faschismus erzählt? Wohl nicht nur aus dem Blickwinkel der Machthaber...

Die Herausforderung ist, die Bandbreite von Machtergreifung und Unterdrückung bis hin zu Resistenz und Widerstand abzubilden. Zwischen diesen beiden Polen, der faschistischen Italianisierungspolitik und der Gegenreaktionen der deutschsprachigen Südtiroler Bevölkerung, sind unter anderem Einzelbilder aus Alltag eingebaut, oder es wird der Fokus auf diverse Aktivitäten oder Momentaufnahmen an den Grenzen wie Brenner oder den „Draupass“ Arnbach/Winnebach gelegt.
 

 

Gibt es auch Fotos die Giftschrank-Niveau haben? Die also auch 100 Jahre danach besser hinter verschlossenen Türen bleiben, aus welchen Gründen auch immer… 

In Bezug auf die Anfänge des Faschismus in Südtirol und jene Fotos, die wir im TAP dazu haben, gibt es keine „so heiklen“ Aufnahmen, die nicht gezeigt werden können. Weder aufgrund von politischen Inhalten noch aus personenrechtlichen Gründen.

Ich lese auch „über die Einmaligkeit der visuellen Dokumentation faschistischer Sportveranstaltungen am Brenner, sowie des Rom-Besuchs von rund 2.500 italienischsprachigen Südtiroler Faschisten im April 1933.“ Was macht diese Bilder so einmalig?

Das Besondere an diesen Bildern ist die visuelle Dokumentation von bis dato maximal in der Literatur, im gedruckten Wort, Beschriebenem – wenn überhaupt!