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Riccardos Abschied

Riccardo Dello Sbarba wird bei den Landtagswahlen nicht mehr antreten. Mit dem aus der Toskana stammenden Journalisten verlieren die Südtiroler Grünen ein Urgestein.
Riccardo Dello Sbarba
Foto: Grüne Verdi Verc
Wählt man Riccardo Dello Sbarbas Handynummer und der Teilnehmer antwortet, dann erschrickt man zwangsläufig. Der Grund dafür ist einfach: Dello Sbarba auf dem Mobiltelefon zu erreichen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Der 68jährige grüne Landtagsabgeordnete fällt hier angenehm aus der Zeit. Wenn man Glück hat, ruft er am Abend, manchmal auch am nächsten Tag zurück. Der Mann ist allein damit eine Art Dinosaurier zwischen Instagram-Politiker, tiktokenden Premierministerinnen und Facebook-Parteiobmännern.
Riccardo Dello Sbarba lässt sich nicht gerne von Journalisten hetzen. Wahrscheinlich, weil er selbst ein gelernter Journalist ist. Nicht einer, der den Titel und den Journalistenausweis sammelt, sondern einer, der jahrzehntelang in der Toskana, in Rom und in Südtirol an vorderster Front gearbeitet und geschrieben hat.
Selbst an einem solchen Tag antwortet er nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit riecht er Lunte und kennt die Fragen, die Salto.bz ihm stellen will.
Riccardo Dello Sbarba wird heute offiziell bekanntgeben, dass er bei dem Landtagswahlen im Oktober nicht mehr antreten wird.
Denn Riccardo Dello Sbarba wird heute offiziell bekanntgeben, dass er bei dem Landtagswahlen im Oktober nicht mehr antreten wird. Es ist das Ende einer langen und durchaus erfolgreichen Karriere eines Südtiroler Oppositionspolitikers. Eigentlich eines sogenannten „Zugereisten“, dem Südtirol nicht nur zur zweiten Heimat geworden ist, sondern der für das Land und seine Bevölkerung in zwei Jahrzehnten Landtagspolitik viel getan hat.
 

Langers Ruf

 
Riccardo Dello Sbarba wird 1954 in Volterra in der Toskana geboren. Erst mit 34 Jahren übersiedelt er nach Südtirol. Nach einem Philosophie-Studium an der Universität Pisa beginnt er für Rossana Rossandas „Il Manifesto“ zu schreiben. 1982/83 ist er Redaktionsmitglied der von Stefano Rodotà herausgegebenen römischen Wochenzeitung „Pace e Guerra“. Eine Zeitlang verwaltet er für die Region Toskana einen Naturpark.
Schon früh kommt Dello Sbarba in seiner journalistischen Arbeit mit Alexander Langer in Berührung. Der Vater der Südtiroler und der italienischen Grünen hat ein Standbein in Florenz und Langer ist es auch der den Journalisten und Aktivisten aus der Toskana letztlich nach Bozen bringt. Langer wird auch zum wichtigsten, politischen Förderer Dello Sbarbas. Auffallend ist, dass der Mann aus der Toskana schon bald besser Deutsch kann als 80 Prozent der in Bozen geborenen Italiener.
 
 
Riccardo Dello Sbarba arbeitet zuerst als Lehrer und nebenbei als Journalist für den „Alto Adige“. Als 1993 mit Florian Kronbichler, ein enger Freund von Dello Sbarba, die Chefredaktion der ff übernimmt, wechselt er in die Wochenzeitung. Von 1993 bis 2001 schreibt er wöchentlich italienische Artikel in der ff. Danach übernimmt er die Chefredaktion der Bozner Tageszeitung „Il mattino“, der im Mai 2003 eingestellt wird.
 
 
 
Ein halbes Jahr später tritt Riccardo Dello Sbarba dann für die Südtiroler Grünen bei den Landtagswahlen an. Er schafft dabei 4.605 Vorzugsstimmen und wird zum erster Nichtgewählten seiner Partei. Nach der Wahl und dem Wechsel Sepp Kusstatschers 2004 ins Europäische Parlament rückt Dello Sbarba am 13. Juli 2004 in den Landtag und den Regionalrat nach. Zwei Jahre später wird er zum Präsidenten des Südtiroler Landtages gewählt.
Bei den Landtagswahlen 2008 und 2013 schafft er zweimal seine Wiederwahl. 2013 rückt er mit 8.429 Vorzugsstimmen auch zum meistgewählten italienischsprachigen Abgeordneten auf. Der Hauptgrund dafür: Im sogenannten SEL-Skandal ist der grüne Abgeordnete einer der wenigen Politiker, die zur Aufdeckung der Machenschaft aktiv beitragen.
2018 gelingt ihm mit 4.505 Vorzugsstimmen ein viertes Mal ein Mandat im Landtag zu erringen.
 

Schwierige Entscheidung

 
Am Mittwochabend tagt der Grüne Rat. Es ist jenes Gremium der Südtiroler Grünen, in dem ähnlich wie im SVP-Parteiausschuss, alle wichtigen Entscheidungen fallen und debattiert werden. Riccardo Dello Sbarba hat auf der Sitzung offiziell erklärt, dass er bei den Landtagswahlen am 22. Oktober 2023 nicht mehr antreten werde. Am heutigen Donnerstag soll die Nachricht öffentlich bekanntgeben werden.
Trotz vier Legislaturen auf dem Buckel, war es für Riccardo Dello Sbarba keine leichte Entscheidung. Vor fünf Monaten wurde der grüne Politiker von „seiner“ ff interviewt und er antwortet auf die Frage „Werden Sie kandidieren?“ mit einem Satz, der alles und nichts sagt: „Das entscheide ich gemeinsam mit meiner Partei in den kommenden Monaten. Wir arbeiten an einem Generationswechsel“.
 
 
 
Im ff-Interview macht Dello Sbarba keinen Hehl daraus, dass für ihn die Weichen eigentlich auf Abschied gestellt sind. „Meine Lebensplanung würde das vorsehen: Nächstes Jahr werde ich 69 und ich möchte noch einige schöne Jahre verbringen – fernab des Landtags“, meint er.
Aber dann sei ihm die Umfrage der Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ) in den Weg gekommen.In der SWZ-Umfrage landete Riccardo Dello Sbarba in der Beliebtheitsskala der Südtiroler Landtagspolitiker hinter Arno Kompatscher und Daniel Alfreider, gemeinsam mit seiner grünen Fraktionsvorsitzenden Brigitte Foppa auf dem dritten Platz. „Da habe ich so gut abgeschnitten, dass mich nun viele dazu drängen weiterzumachen“, sagte er bereits im November 2022 zur ff.
Auch Grüne sind vor Eitelkeit nicht gefeit.
 

Grünes Problem


Doch es gibt noch einen triftigeren Grund für die Tatsache, dass Riccardo Dello Sbarba und mit ihm die gesamte grüne Partei lange um diese Entscheidung gerungen haben.
Die Südtiroler Grünen haben seit langem mit einem Problem zu kämpfen, das am Selbstverständnis jeder interethnischen Bewegung nagt. Während die deutschsprachigen Wählerstimmen für die Grünen zunehmen, gehen die italienischsprachigen Wählerinnen und Wähler deutlich zurück. Dieses Ungleichgewicht spiegelt sich auch im Wahlverhalten wider.
 
 
 
Daraus resultiert die ernsthafte und konkrete Gefahr, dass bei den Landtagswahlen 2023 nur deutsche Kandidatinnen und Kandidaten auf der grünen Liste den Einzug in den Landtag schaffen könnten. Es wäre ein Super-GAU für Foppa & Co
Allen Beobachtern ist klar, dass nur eine bekannte, italienische Persönlichkeit, diese Entwicklung durchbrechen kann. Doch diese Figur gibt es  derzeit bei den Südtiroler Grünen  nicht. Mit Ausnahme von Riccardo Dello Sbarba.
Jetzt hat er mit seiner Entscheidung die Karten neu gemischt. Und Platz geschaffen, damit ein neuer grüner Stern am italienischen Polithimmel aufgehen kann.
Die Suche nach der Erbin oder des Erben hat damit offiziell begonnen.

 

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Lollo Rosso Gio, 03/16/2023 - 08:49

Sehr schade! Vielleicht lässt sich ja ein Hans Heiss dazu überreden, nochmal in den Ring zu steigen. Das Abschneiden bei den Parlamentswahlen hat mir Respekt abgerungen. Bitte präsentiert uns nicht nur junge Gesichter. Auch wir älteren Semester wollen vertreten sein.

Gio, 03/16/2023 - 08:49 Collegamento permanente